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Kreator, Dark Tranquillity, Ektomorf, Hatesphere   27.02.2005   Glauchau, Alte Spinnerei
von rls

Fürchterliche Straßenverhältnise in einer nur bedingt durch Urbanität geprägten Gegend haben schon etliche Gigs besucherzahlenseitig torpediert - nicht so diesen. Der Kreator-Fan macht sich eben auch bei solchem Wetter an einem Sonntagabend auf ins mehr oder weniger weit entfernte Glauchau. Und er wird mit einem starken Gig belohnt, zu dem alle Beteiligten ihr Scherflein beitragen.
Ausdrücklich zu loben ist das Zeitmanagement - der Gig ging pünktlich zur verbrieften (zwar spinnereiunüblichen, aber angesichts der strukturellen Situationn zweifellos sinnvollen) Zeit um 19.30 Uhr los, und auch die Umbaupausen später wurden zügig abgewickelt, zumal außer Kreator alle Bands über die gleiche Backline spielten. Kaum waren also diverse Statements von Mikael Stanne (Dark Tranquillity) für eine noch etwas in der Zukunft liegende G.U.C.-Story im Kasten, legten Hatesphere auch schon brachial los. Der Dänenfünfer entpuppte sich als ausgezeichnet aufeinander eingespieltes Lärmkommando, das mächtig Riffkrach machte und den Hauptteil seines Sets auf die aktuelleren Veröffentlichungen (also den "Long"player "Ballet Of The Brute" und die EP "The Killing", die den Einstand der Band bei Steamhammer markiert, womit sie zu Labelkollegen von Kreator geworden sind) legte. Die letzten beiden Songs (einer davon stammt vom selbstbetitelten Debüt - man frage mich nicht nach Songtiteln) beinhalteten jedenfalls mehr Gitarrensoli als der Rest des Materials vorher zusammen. Die früher deutlichere Thrashkante mit Death Metal-Elementen hat im neueren Material Erweiterungen mit auf Platte eher numetallisch, live aber dafür fett-doomig wirkenden Passagen erfahren, und ebendiese Passagen waren es, die live den Reiz des Ganzen ausmachten, wohingegen Jacobs Stimme zwar intensives Gebrüll hervorbrachte, aber für meinen Geschmack noch ein wenig vielseitiger hätte tönen können. Energie kam summa summarum jede Menge rüber, die Mitglieder rochierten immer mal auf ihren Positionen, auch der Sound blieb trotz hoher Lautstärke noch relativ durchhörbar, und so konnten sich Hatesphere nicht nur über den ersten kleinen Moshpit freuen, sondern den Gig generell als Erfolg verbuchen.
Ektomorf hatten den strukturellen Nachteil, daß ihr neuer Longplayer "Instinct" erst am 29. März 2005 erscheint, also über einen Monat nach diesem Gig (allenfalls "Show Your Fist" könnte manchem anhand der vier Tage vorher erfolgten Vorabveröffentlichung auf dem Rock Hard-Sampler bekannt gewesen sein). Das hinderte die Ungarn aber nicht daran, trotzdem etliche Stücke der neuen Scheibe zu spielen, und sie brachten das Kunststück fertig, daß die Stimmung auch bei diesem unbekannten Material nicht abfiel. Gut, sie haben sich keinen Stilbruch gegönnt, und ihr Sound ist immer noch zu den bewegungserzeugendsten zu rechnen: vielschichtiger, aber stets grooviger Neothrash, der auch nicht den Einbau des einen oder anderen auflockernden schnellen Knüpplers (aber selbst der bleibt rhythmisch groovig) vergaß. Natürlich schwebten die Mittneunziger-Sepultura unüberhörbar durch den Raum - da half es auch nichts, daß die bei zwei oder drei Songs als Intro eingesampelten folkloristischen Klänge nicht lateinamerikanischer, sondern osteuropäischer Herkunft waren. Der Leadgitarrist ist eindeutig in die Kisser-Schule gegangen, Bandkopf Zoltan am Mikro ähnelt von der Gestalt her paradoxerweise Max C. auch noch etwas, und der Bassist bangte fast pausenlos, sah aber mit seiner roten Hose trotzdem eher komisch aus. Leider lag der Lautstärkepegel bei Ektomorf höher als bei Hatesphere, was das Klangbild verunklärte, Feinheiten (deren Anwesenheit bisweilen zu erahnen war) verschluckte und das Verstehen der Ansagen zur äußerst schwierigen Aufgabe machte, zumal Zoltan diese auch noch brüllend von sich gab. Daß Ektomorf allerdings bereits ein derartiges Following haben, war mir bisher verborgen geblieben - die Halle tobte jedenfalls und intonierte "Ektomorf"-Sprechchöre, was beim zweiten Support eines Viererpackages ja noch nicht unbedingt die Regel darstellt.
In der Umbaupause wurde erstmal die Pausenmusik-CD gewechselt (es erklang danach eine Band, mit der man auf so einem Gig vermutlich nicht unbedingt gerechnet hätte, nämlich Mötley Crüe). Gespannt und skeptisch zugleich blickte ich dem Gig von Dark Tranquillity entgegen, wobei die Skepsis aus meinem letzten Liveerlebnis mit ihnen herrührt: Der Gig auf der 1999er Tour mit In Flames, Arch Enemy und Children Of Bodom in der Leipziger Moritzbastei hatte ein weiteres Glied der Beweiskette abgegeben, daß Melodic Death live wenig beglückend ausfällt, wenn man die Gitarren nicht klar hört (vor dem Problem standen damals übrigens alle vier Bands). Diesbezüglich konnte an diesem Abend aber bald Teilentwarnung gegeben werden: Richtig klar durchzuhören war die phantastische Gitarrenarbeit zwar immer noch nicht, aber man konnte doch deutlich mehr von ihr vernehmen als damals - und das, obwohl im ganz neuen Material die Schlagzahl wieder deutlich angehoben worden war, wenngleich die abstruse Genialität und hemmungslose Spielfreude von "The Gallery" wohl nie wieder zu reproduzieren sein wird. Schon der Opener "The Treason Wall" gab allerdings die gehärtete Marschrichtung des Zehn-Song-Sets vor, und aufmerksamen Beobachtern konnte auffallen, daß Mikael in der kompletten reichlichen Dreiviertelstunde kein einziges Mal mit seiner klaren Stimme arbeitete. Der Mann bildete auch den agilsten Pol auf der Bühne, obwohl auch seine Mitmusiker keinesfalls angewurzelt dastanden (zumindest dann, wenn die beiden Gitarristen nicht grade mal wieder ein schönes Unisono durchexerzierten). "Lost To Apathy", die vorab ausgekoppelte Single vom neuen Album "Character", stand erstaunlich früh im Set (nämlich an Position 2) (Zwischenblende: Gerade passiert ein witziges Detail: Während ich das Review eintippe, läuft im Hintergrund "Adam & Eve" von den Flower Kings, und in Song 4 "A Vampire View" erklingt die Textzeile "In a dark tranquility our hearts descend" - wir blenden wieder zum Konzert), und bis zum letzten Song "Final Resistance" hatten die sechs Schweden alle etwaigen Zweifel über ihre immer noch markante Stellung auf dem Melodic Death-Sektor weggeblasen. Zu meiner ganz großen Freude vergaßen sie dabei auch den Blick in die Vergangenheit nicht, denn der brillante "The Gallery"-Opener "Punish My Heaven" bildete den strahlenden Höhepunkt des Gigs, der auch vom Auditorium stürmisch gefeiert wurde. Aufgrund des engen Zeitplanes durften auch Dark Tranquillity keine Zugabe auspacken, aber besonders Mikael zeigte sich ehrlich gerührt über die frenetischen Reaktionen, und erst nach mehrmaligem Abklatschen der ersten Reihen verschwand auch er von der Bühne.
Wieder lieferten Mötley Crüe beste Unterhaltung für die Umbaupause, bevor Kreator die Bühne enterten und mit "Enemy Of God" und "Impossible Brutality" zwei brandneue Hämmer auspackten, ehe sie mit "Pleasure To Kill" erstmal in die Mottenkiste griffen. Von den drei Experimentalscheiben schafften es wie erwartet nur das mir nach wie vor viel zu unspektakuläre "Phobia" und das brillante "Renewal" in die Setlist, "Violent Revolution" und "Enemy Of God" stellten wichtige Anteile der insgesamt über 20 intonierten Songs, und natürlich vergaß man auch den Rückblick auf den einen oder anderen älteren Klopfer wie "Betrayer" nicht. Spieltechnisch gab es am aggressiven Thrash des Quartetts im Prinzip nichts auszusetzen, speziell Gitarrist Sami brillierte bei den Tracks neueren Datums mit erstklassigen Leads, während Milles wildes Leadgeschrubbe bei den älteren Tracks mehr historischen Wert offenbarte. Dafür zeigte sich Drummer Ventor (wie gewohnt bei "Riot Of Violence" auch als Leadsänger fungierend) in blendender Form, und man konnte seine Arbeit akustisch sehr gut verfolgen, da er weit nach vorn gemischt worden war, interessanterweise aber trotzdem die Gitarren nicht zudeckte, wie das ja immer mal als Gefahr droht. Bassist Speesy fiel musikalisch nicht weiter auf, bühnenpräsent aber umso mehr, nämlich durch quasi pausenloses Banging, und das den halben Set lang auch noch in einer äußerst ungesunden gebückten Körperhaltung (Marios Krankenschwestern hätten vermutlich nicht lange hinsehen können :-)), die in Samis Leadpassagen auch Mille gelegentlich einnahm - beide dann unauffällig im linken Viertel der Bühne stehend, während Sami allein in der Mitte agierte, gab ein sehr interessantes Bild ab. Apropos Bild: Man staunt immer wieder, was man mit vergleichsweise wenig Licht und Nebel für eine effektive Lightshow zaubern kann - Kreator haben es in diesen 110 Minuten eindrucksvoll bewiesen. Wo Licht ist, da ist aber auch Schatten, und der liegt weniger im musikalischen als vielmehr im "zwischenmenschlichen" Bereich. Erstens sollte Mille schleunigst daran arbeiten, das Intelligenzniveau seiner Ansagen an das seiner neuzeitlicheren Texte anzunähern (Gebrabbel der Marke "Seid ihr bereit, euch gegenseitig zu töten?" als Einleitung zu "Pleasure To Kill" paßt so gar nicht ins Bild des weltoffenen Musikers, Showaspekt hin oder her), und zweitens erweckten Kreator trotz über weite Strecken enthusiastischer Publikumsreaktionen einen distanzierten Eindruck - selbst die Ode an die Begeisterungsfähigkeit des Glauchauer Publikums wirkte eher einstudiert, längere Pausen zwischen den Songs mit abgedunkelter Bühne fanden keine rationale Erklärung, und nach dem letzten Ton des Zugabenblocks (dessen Einleitung hatte "Terrorzone" gebildet, und natürlich mußte er mit dem Doppel "Flag Of Hate"/"Tormentor" abgeschlossen werden - was kam gleich noch dazwischen dran?) und einer ultraknappen Verabschiedung verschwand die Band umgehend von der Bühne. Fannahes Verhalten sieht anders aus (Dark Tranquillity-Mikael hatte es vorexerziert), wenngleich man bedenken muß, daß Kreator seit Ende Januar mit nur einem einzigen Day Off quer durch Europa fahren. Musikalisch jedenfalls bot ihr Gig Thrash der Spitzenklasse.



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