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(Return To The) Sabbat, Debauchery, Soulless Heart, Arbor Ira   20.12.2003   Glauchau, Alte Spinnerei
von rls

Als mich irgendwann im Spätsommer oder Frühherbst dieser Gigtermin mit der Bandnamenangabe "Sabbat" erreichte, interessierte mich das anfangs nicht sonderlich - schließlich liegen die japanischen Black Metaller Sabbat nicht unbedingt in meinem bevorzugten musikalischen Areal. Erst beim Amorphis-Gig am 31.10. in Glauchau stutzte ich, prangte doch dort auf dem Terminflyer nicht etwa das Logo der Japaner, sondern das der eigentlich längst verblichenen Briten gleichen Namens. Das änderte die Situation natürlich rapide, und somit fand ich mich an besagtem Abend wiederum in Glauchau ein.
Da sich der Beginn vom geplanten 21 Uhr um eine halbe Stunde nach hinten schob, blieb noch ein ausreichendes Minutenpolster, um den gleich neben dem Eingang plazierten Merchandisingstand von Animate Records durchzuforsten (und selbigen mit "Iconoclast" von Forsaken zu verlassen). Dann legten die kurzfristig für die Thrasher Doomstone eingesprungenen Arbor Ira los und ließen nach dem ersten Song nur noch ein großes Banner im musikalischen Gehirn des Rezensenten stehen: Bathory! Erst beim genaueren Hinhören offenbarte sich, daß die Lokalmatadoren keinesfalls die Schweden kopierten (was ja prinzipiell eh schwierig ist, da sich deren Schaffen in zahlreiche Perioden untergliedert und man nur schwer einen Querschnitt aus sagen wir mal "The Return" und "Hammerheart" bilden kann), sondern in ihren epischen Metal (also doch eher "Hammerheart") auch Versatzstücke von Falkenbach oder diesen mit dem Begriff "kauzig" belegten US-Metal-Truppen wie The Lord Weird Slough Feg einbauten. Trotz respektabler Songlängen gestaltete die Band den Gig recht abwechslungsreich (Keyboards gab es übrigens keine) und versuchte dies auch im Gesang durchzusetzen - leider mit wechselndem Erfolg, denn keine der eingesetzten Stimmlagen (allein der leadsingende Gitarrist hatte drei, der Basser dann nochmal zwei und der nichtleadsingende Gitarrist noch eine drauf) konnte mich über die ganze Bandbreite ihrer Einsatzorte überzeugen. Vielleicht wäre das bei Kenntnis einer klar produzierten Studioaufnahme anders gewesen - ich weiß es nicht. Zudem muß der nichtleadsingende Gitarrist an seiner Optik arbeiten - sein numetallischer Look paßte jedenfalls nicht so richtig zur gebotenen Musik. Selbige allerdings wußte in der Gesamtbetrachtung gut zu gefallen.
Die Band auf der Bühne wechselte, der Stil zunächst nicht - auch Soulless Heart widmeten sich anfangs epischen, doch keyboardfreien Klängen zwischen Bathory und Falkenbach, allerdings mit ein klein wenig mehr Tendenz zu letzteren. Ab Song drei aber wurde alles anders, denn mit diesem begannen die Hannoveraner plötzlich in den Prog Metal abzudriften, die Anzahl der Tempo- und Rhythmuswechsel rapide nach oben zu schrauben und die Songlängen gleichermaßen auszudehnen, nachdem die ersten beiden Songs komischerweise sehr kurz ausgefallen waren, da nach dem Hauptsolo konsequent Schluß war. Das einzige, was noch an den Anfang erinnerte, war Dmitris Gesang, der die Kreischlage fast nie verließ und der nachahmenswerten Maxime "Wenn ich schon nicht clean singen kann, dann halte ich in besinnlicheren Passagen lieber ganz die Klappe" huldigte. Trotzdem hätten zumindest die Ansagen nicht auch noch gekreischt werden müssen. Und hinter "Maybe You Die" hätte nach der Ansage "Jetzt kommt ein melancholisches Stück" wohl niemand eine zehnminütige Progkaskade vermutet. Musikalisch auf jeden Fall sehr interessant und noch abgerundet mit einem Cover von "Aces High" (wer hätte das Ding angesichts des gegen Gigende muddliger werdenden Sounds und des Kreischgesangs ohne die Ansage erkannt?).
Bei einem Blick nach ganz hinten fiel der eigentliche Merchandisestand ins Blickfeld, wo es außer dem üblichen Tourmerchandise auch noch einige Kisten an Second Hand-Tonträgern gab. Durchforsten war ergo auch hier Pflicht und wurde mit "Incessant Desire For Palatable Flesh" von Visceral Evisceration und "Valhalla" von Fatima Hill belohnt. Kaum erfolgreich erworben, starteten Debauchery mit ihrem Set. "Midtempo-Death Metal im Stile von Six Feet Under" war in der Konzertankündigung zu lesen gewesen, ebensolchen gab's auch zu hören, und er war nicht mal schlecht, paßte aber ganz und gar nicht ins Package, so daß sich der vordere Teil der Halle zunehmend leerte. Der Sänger gab unverständliche Geräusche entweder im subterranen Bereich oder in schweineschlachthofähnlicher Manier von sich, die Musiker hatten sich mit Kunstblut eingesaut, und die Lyrik handelte den wenigen verständlichen Songtiteln nach nicht von Frieden und Völkerfreundschaft. Wiedererkennungswert konnte man dem Liedgut nicht unbedingt attestieren, die Kondition des Sängers ließ ab Song vier spürbar nach (man konnte es an der Intensitätsabnahme des Gekreisches deutlich hören), und mein stilistischer Fall ist derlei Geräuscherzeugung sowieso nicht, weshalb ich mich jedes weiteren Kommentars enthalte. Den wenigen vor der Bühne Ausharrenden schien's allerdings gefallen zu haben, und einige verließen sogar nach Debauchery die Halle. Banausen.
Denn was jetzt noch kam, entpuppte sich zum Freudenfest für alle Altmetaller, und kaum einer der Anwesenden dürfte schon einmal die Gelegenheit gehabt haben, Sabbat live zu sehen. Die englische Band debütierte 1987/88 mit "History Of A Time To Come" und galt mit diesem Album als originellste Thrash-Band ihrer Heimat, indem sie altenglische Folkeinflüsse einbastelte, was durchaus mit der paganistisch geprägten Grundhaltung der Lyrics von Martin Walkyier korrespondierte. 1989 schob die Band "Dreamweaver" hinterher, stilistisch kaum vom Vorgänger unterschieden. Dann jedoch trennten sich die Wege von Walkyier und dem Rest der Band: Sabbat verpflichteten Ritchie Desmond als Sänger und verschwanden nach der Veröffentlichung des eher progpowermetallischen "Mourning Has Broken" in der Versenkung, aus der lediglich Gitarrist Andy Sneap auf publikumswirksamere Weise wieder auftauchte und sich in den letzten Jahren zu einem gefragten Metal-Produzenten entwickelte. Walkyier dagegen gründete Skyclad und hievte die Kombination aus Folk und beinhartem Metal mit Alben wie dem grandiosen Debüt "The Wayward Sons Of Mother Earth" oder dem nahezu perfekten "Irrational Anthems" in neue unbekannte Höhen. Über die Jahre hinweg war der Folkanteil Skyclads immer größer geworden (was schließlich in fast rein folkigen Alben wie "The Answer Machine" mündete), und trotz wieder metallischerer Alben wie "Folkémon" konnte die Band nicht mehr an ihre Erfolge aus "Irrational"-Zeiten anknüpfen. Walkyier verließ Skyclad schließlich und beschloß, die alten Sabbat-Songs wieder zum Leben zu erwecken, allerdings mit dem Namenszusatz "Return To The", und nach etlichen Festivalgigs kam nun auch eine komplette Tour zustande. Von der alten Mannschaft war neben "the little one in the middle" Martin Walkyier auch noch Basser Fraser Craske an Bord, den Gitarristen und den Schlagzeuger holte sich Walkyier kurzerhand von seiner neuen Band The Clandestined an Bord. Die Setlist der Tour bestand mit einer Ausnahme ausschließlich aus Songs der beiden Sabbat-Alben, an denen Walkyier beteiligt war - "Mourning Has Broken" blieb also außen vor, und wer im stillen vielleicht auf einen ganz alten Skyclad-Song als Bonbon gehofft hatte (wie auch der Rezensent, der es bedauert, daß von den ersten beiden Scheiben nur noch "Spinning Jenny" und mitunter "The Widdershin's Jig" im neuzeitlicheren Skyclad-Liveset stehen), wurde ebenfalls enttäuscht. Dafür grub Walkyier einen Song vom ersten Sabbat-Demo aus, der es nie auf einen regulären Tonträger geschafft hat, und ansonsten konzentrierte man sich auf "History ..." mit ein paar Ausflügen zu "Dreamweaver". Das selbstverständlich auch an diesem Abend vertretene "Behind The Crooked Cross" nahm seinerzeit schon die antifaschistische Haltung vorweg, die später bei Skyclad eines der Markenzeichen werden sollte und vor deren Hintergrund es doppelt paradox erscheint, daß der originale Sabbat-Drummer Simon Negus nach der Auflösung der Band bei den Nazi-Skins Skrewdriver anheuerte (wo er allerdings nicht lange blieb). Weniger schön ist, daß Walkyier auch nach Jahrzehnten nicht zwischen christlichem Glauben und christlicher Kirche unterscheiden kann, wie es auch an diesem Abend aus etlichen Ansagen deutlich wurde. Richtig melodiös singen kann er ja mittlerweile - im Sabbat-Material braucht er das allerdings nicht, da die Kompositionen mit seinem für die frühere Zeit typischen lispelnden Sprechgesang auch gut zurechtkommen. Und was das für Kompositionen sind! Thrash Metal mit originellen Tempowechseln und Rhythmen sowie speziell im Gitarrenbereich hohen Ansprüchen an die Virtuosität, angelegt ursprünglich für zwei Gitarren, doch an diesem Abend auch mit einem einzelnen Sechssaiter (dessen Bediener mit seinem sauberen Kurzhaarschnitt und der Sonnenbrille irgendwie wie einer vom CIA aussah) mehr als begeisternd dargeboten. Überhaupt bestach die ganze Band durch spielerische Großtaten, was für das 2004 angedachte The Clandestined-Debüt einiges erwarten läßt. An diesem Abend regierte der Blick in die Vergangenheit - mit einer solchen Band im Rücken (der etatmäßige The Clandestined-Bassist war übrigens auch dabei und ersetzte Fraser bei einem Song) braucht es Walkyier aber auch um die Zukunft nicht bange zu sein.



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