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Green Carnation, Mörk Gryning, Suidakra, Aeveron   07.11.2003   Glauchau, Alte Spinnerei
von rls

Daß man Green Carnation mal live erleben würde, war zu Frühzeiten nach der Wiedergründung der Band eher ein ungewöhnliches Gedankenspiel, hatte sie doch mehr den Charakter eines Projektes. Mittlerweile aber haben die reformierten Green Carnation drei Alben draußen und sind zu einer stabilen Band zusammengewachsen, und so nutzte ich die Gelegenheit, sie mal live zu begutachten, gern.
Die Lokalmatadoren Aeveron hatten gerade ihren ersten oder zweiten Song beendet, als ich wenige Minuten nach 21 Uhr die noch etwas spärlich gefüllte Halle betrat. Vor der Bühne hatten sich die getreuen Heimatfans eingefunden und bangten fleißig, während der Funke auf die hinteren und seitlichen Reihen weniger überzuspringen vermochte. Eigentlich schade, denn das, was Aeveron machten, das machten sie gut. Sie mixten nämlich kurzerhand altschuligen Göteborgdeath (also Marke frühe Dark Tranquillity) mit den neueren Ausprägungen dieses Stils (also Marke aktuelle In Flames) und taten dies mit nicht zu verkennender Spielfreude. Auch der Sänger trug mit wilden Brüllkreischwechseln zum musikalisch guten Gesamtbild bei, nur an seiner Kommunikationssouveränität muß er noch ein wenig arbeiten. Schon bei Aeveron allerdings fielen diverse Soundprobleme auf, die eine Teilursache vermutlich in zu hoher Gesamtlautstärke gelagert hatten. So hörte man die Keyboards beispielsweise nur recht schwer durch, und da ich die Studioaufnahmen Aeverons nicht kenne, vermag ich auch nicht zu beurteilen, welche Rolle dieses Instrument im Gesamtkonzept spielt. So einen teppichartigen Eindruck wie manchmal bei Persecution machten sie nicht. Insgesamt also eine gute Präsentation einer Band, deren Entwicklung man beobachten sollte.
In der Umbaupause sah man hinter dem linken Teil der Backline einen Drummer Trockenübungen machen; leider konnte ich nicht erkennen, ob es der von Mörk Gryning oder der von Suidakra war. Letztgenannter jedenfalls knüppelte im folgenden Set viele der Songstrukturen in Grund und Boden, zumal sich der Sound verschlechtert hatte. Gerade die folklastigen Gitarrenmelodien, die einen Haupttrumpf Suidakras darzustellen scheinen, gingen größtenteils im Gewitter unter, und da ich mit dem Songmaterial der Westdeutschen ganz und gar nicht vertraut bin, war auch ein "verstehendes Hineinhören" angesichts des Wissens (bzw. in meinem Falle Nicht-Wissens), welche Melodie an welcher Stelle des Songs kommen muß, nicht möglich. Schade drum, denn Suidakra gaben sich augenscheinlich große Mühe (man vergegenwärtige sich auch, daß die Band ohne Leadgitarristen dasteht und der diese Tour mitfahrende Sechssaiter nur Aushilfe war). Die Keyboarderplanstelle hatte die Band übrigens auch wegrationalisiert, aber Keyboards hätte man in diesem Sound wohl gar keine mehr gehört. Daß mir Arkadius' krächzender Gesang nicht gefällt, dürfte dagegen Geschmackssache sein. Die vordere Hälfte des mittlerweile recht gut gefüllten Saals schien das angesprochene "verstehende Hören" durchaus praktizieren zu können, denn die Band erntete mit ihrem Folk-Black Metal sehr positive Reaktionen. Ich dagegen wurde im Laufe des Sets immer gelangweilter und müder, setzte mich gemütlich vors Mischpult und hielt nach Suidakras Bühnenabgang erstmal ein kleines Schläfchen.
Das nächste Drumgewitter weckte mich wieder, und nach Vertilgen einer Handvoll Gummibärchen war ich auch wieder so weit hergestellt, dem Gig von Mörk Gryning folgen zu können. Angesichts der Soundverhältnisse bei Suidakra mußte man auch um die Schweden bangen, aber siehe da, das Gesamtsoundbild präsentierte sich wieder etwas ausbalancierter, und somit waren selbst in den Momenten, wo sich der Schlagzeuger am obersten Tempolimit bewegte, seine Mitmusiker noch zu vernehmen (gut, der Keyboarder seltener, aber naja ...). Mörk Gryning spielten eine sehr abwechslungsreiche Sorte Black Metal, melodiöser als viele norwegische Stilkollegen, allerdings nicht so filigran wie die immer noch als Referenz herhalten müssenden Dissection. Der Begriff Melodie ist hier allerdings relativ zu werten, denn neben einigen wenigen folkigen Einflüssen gab es auch Tonfolgen zu hören, deren Sanglichkeit eher im marginalen Bereich liegt, ohne aber restlos ins Atonale abzudriften. Der Kenner bemerkt, daß dies nichts Ungewöhnliches ist - Bandkopf Jonas Berndt hatte auch in seinemr zwischenzeitlichen Zweitband Wyvern bereits gelegentlich mit solchen Tonfolgen gearbeitet, obwohl diese Band eher traditionellen Metal gespielt hat. Das Publikum jedenfalls war größtenteils begeistert und spendete die größte Resonanz dem Abschlußsong "Tusen Ar Har Gatt", dem Titeltrack des Debütalbums von 1995.
Nach dem Gig von Mörk Gryning verließ ein Großteil der Black Metal-Anhänger den Saal, so daß es sich etwas leerte. Selber schuld, wer sich Green Carnation entgehen ließ, denn die Norweger lieferten einen sehr starken Set ab, der sich (die Zugabe nicht mitgerechnet) in drei Parts untergliederte. Der erste bestand ausschließlich aus Material des neuen Albums "A Blessing In Disguise" und dürfte all jene überrascht haben, die nur die beiden Vorgänger kennen, obwohl sich ein gewisser Stilwandel schon vom Debüt "Journey To The End Of The Night" zum entspannteren und bedeutend undüstereren Zweitling "Light Of Day, Day Of Darkness" angedeutet hatte. Auf dem neuen Album sind Green Carnation mehrere Schritte weitergegangen und haben etliche Songs geschrieben, die einfach nur konsequent rocken und trotzdem noch Gothic- und vor allem viiieeele Siebziger-Zitate unterbringen. Gerade die Hammondorgeln stellen die Band in eine Reihe mit mittelfrühen Amorphis, wobei Green Carnation aber insgesamt weniger Metaleinflüsse verarbeiten (wohl aber mehr Metal als heutige Amorphis im Sound haben). Daß die allererste Inkarnation der Band mal reinen Death Metal gespielt hat, hört man heute jedenfalls nicht mehr heraus, und der mittlerweile eine recht rundliche Figur aufweisende Gitarrist/Bandkopf Tchort hat ja auch noch Blood Red Throne, wo er seine deathmetallischen Intentionen pflegen kann. Green Carnation dagegen sind heute kaum noch zu kategorisieren, da sie irgendwie Progressive Rock oder Progressive Metal im Wortsinne spielen, also fortschrittlich sind, und das trotz rückwärtsgerichteten Einflußblicks und der Tatsache, daß die durchschnittliche Songlänge des neuen Materials rapide gefallen ist. Hatte das Debüt neben einem zweiminütigen Intro noch vier weitere Songs am Start, die alle weit über 10 Minuten dauerten (der intern nochmals viergeteilte Titeltrack landete summiert sogar jenseits der 20 Minuten), bestand das Zweitwerk aus gerade mal noch einem Song, der nicht weiter unterteilt wurde und exakt 60:05 Minuten im Player läuft. Dieser Song "Light Of Day, Day Of Darkness" bildete den zweiten Teil des Sets, allerdings nicht in kompletter Länge - angesagt wurde eine halbe Stunde, ich habe aber nicht nachgeprüft, ob das genau stimmte und welche Parts man nun weggelassen hatte. Allein der Spannungsaufbau am Beginn wußte aber völlig zu begeistern und die große Meisterschaft des Sextetts zu verdeutlichen, wenn es um die Kombination von Atmosphäre und Energie ging. Den dritten Teil (und auch die verdiente Zugabe) bestritt schließlich wieder Material von "A Blessing In Disguise". Alle Bandmitglieder trugen ihr Scherflein zum gelungenen Gig bei, wenngleich der sehr variable Gesang noch eine gesonderte Herausstellung verdiente, und zudem stimmten auch die Soundverhältnisse den Rezensenten abschließend grundsätzlich positiv.



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