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von rls

JOHN WETTON/GEOFF DOWNES: Icon   (Frontiers Records)

Wem diese beiden Namen nichts sagen, der hat vermutlich die letzten 30 Jahre Rockgeschichte verschlafen oder aber einen gewissen Song namens "Heat Of The Moment" nur mal auf diversen 80er-Samplern gehört, sich aber nie entscheidend gefragt, wer denn dahintersteckt. Was es mit diesem Song im speziellen und mit Asia im allgemeinen auf sich hat, kann der Nachzügler in den diversen Asia-Reviews hier bei CrossOver studieren, und bei der Gelegenheit lese er gleich noch das Review zu John Wettons Soloalbum "Rock Of Faith" nach, denn die Arbeit an diesem Album führte Wetton und Downes, das prägende Team bei Asia in den Achtzigern, erstmals wieder zu Studiokollaborationen zusammen, auch wenn die zwei Songs "I Lay Down" und "I've Come To Take You Home" gerade diejenigen der CD waren, die musikalisch am wenigsten mit Asia zu tun hatten - der zweitgenannte aber konnte wenigstens aufgrund seines Titels programmatisch genannt werden, wenngleich John Wetton nun nicht zu den immer noch von Geoff Downes geführten Asia zurückgekehrt ist (das Prinzip Judas Priest oder Iron Maiden also keine Anwendung fand, so daß John Payne seinen Job als Asia-Sänger und -Bassist behalten darf), sondern man sich zu einem gesonderten Album aufraffte, das eben jetzt unter dem Namen der beiden Protagonisten erscheint. Hat irgendjemand ernstlich erwartet, daß Wetton und Downes diese Gelegenheit für stilfremde Experimente nutzen, also beispielsweise eine Soul-CD, Volksmusik oder Grindcore einspielen? Wohl nicht. Und siehe da, der von der Ouvertüre "Paradox" eingeleitete sechseinhalbminütige Opener "Let Me Go" ist gleich mal der beste Asia-Song, der nicht im Asia-Kontext entstanden ist, hätte vielleicht allenfalls noch ein durchgehendes Strophenriff von John Mitchell vertragen können (wenngleich die jetzige verpauste Lösung auch nicht schlecht ist), macht aber sonst jede Menge Spaß, zaubert einen ganz großen Refrain aus der Tasche und läßt verzweifelt fragen, warum solcherart Musik heutzutage im Radio völlig ausgestorben ist, sollte sich doch selbst im Zeitalter der Radioformatierung (gräßliches Wort) derjenige, der das formatkompatible "Heat Of The Moment" mag, auch für "Let Me Go" begeistern können müssen, wenn man ihm sagt, von wem das ist. Aber da einem für bestimmte Aspekte der Weltverbessererwunsch heute schneller abhanden kommen kann als nötig, machen wir halt das beste draus und schicken den Song zu Hause in die Heavy Rotation im Player, zumal wir mit ihm auch den alles überstrahlenden Höhepunkt von "Icon" vor uns haben, denn die anderen neun Songs kommen nicht mehr an ihm vorbei, richten sich stilistisch auch nicht ganz so sehr an Asia aus, sondern hätten (wie etwa das akustische Intermezzo "Meet Me At Midnight" oder das flötenunterstützte "God Walks With Us") auch auf Wettons letztes Soloalbum gepaßt, was die These stützt, daß man "Icon" auch als neues Soloalbum von John Wetton hätte ausgeben können, wenn nicht die Nennung von Geoff Downes aus marktstrategischen Gründen wirkungsvoller gewesen wäre. Wettons Gesang ist jedenfalls auch nach x Jahren noch eindeutig identifikabel, auch die Harmonisierungsschemata beispielsweise in den Refrains als Lead-Backing-Kombination weisen einen hohen Wiedererkennungswert in bezug auf die alten Asia-Tage auf (höre neben dem Opener als weiteres typisches Beispiel "Hey Josephine"). Aber auch Downes' typische Keyboardarbeit blitzt an vielen Stellen auf, natürlich nicht ganz so individuell, wie das einem Sänger möglich ist, doch zweifellos prägend. Gitarristen dagegen waren bei Asia immer irgendwie austauschbar, wenngleich stets Könner an diesem Instrument standen, und auch auf dieser CD ist das nicht anders, denn John Mitchell (bekannt von Arena, auch schon gehört auf "Rock Of Faith" und demnächst mit der Band Kino bekannter werden wollend) erledigt einen sehr guten Job, wenngleich seiner Gitarrenarbeit das absolute Alleinstellungsmerkmal fehlt, zu dessen Einbringung er allerdings auch nicht so häufig Gelegenheit hat. Vielleicht hätte ein stärkerer Einsatz seinerseits das zu lethargisch dahinplätschernde "Far Away" noch aufwerten können; überhaupt fällt auf, daß Wetton und Downes noch nicht ganz die alte Chemie beim Songschreiben wiedererlangt zu haben scheinen, denn an manchen Stellen enden Bridges plötzlich im Nichts, entstehen geradezu winzige Lücken im Song. Das fällt wie bereits erwähnt schon in "Let Me Go" auf, repliziert sich beispielsweise nochmal in "Hey Josephine" im Intro und kommt auch nach dem breakartigen Cellolauf kurz vor Ende in "Far Away" zum Vorschein. Außerdem hätte nicht unbedingt nach das lethargische "Far Away" mit "Please Change Your Mind" gleich noch ein Song mit dem gleichen Gestus und danach mit "Sleep Angel" auch noch 'ne mäßig starke Ballade gehört - das ist der Dramaturgie des Albums nicht unbedingt förderlich, wenngleich Wetton und Downes wie erwähnt natürlich generell vor dem Problem stehen, daß sie am Opener nicht mehr vorbeikommen und die Spannungskurve dnach mehr und mehr verflacht. Nur der Closer "In The End" läßt nochmal aufhorchen, denn dessen wunderschönen Refrain singt keine Geringere mit als Annie Haslam, dem Proggie von Renaissance in mehr als wohliger Erinnerung; bei einem Blindfoldtest hätte ich sie wahrscheinlich nicht erkannt, da sie mittlerweile wärmer, fast souliger zu Werke geht - aber es klingt klasse. Trotzdem bleibt die Erkenntnis, daß hier viel Meterware von einigen alles überstrahlenden Glanzlichtern flankiert wird, wenngleich "Icon" schon allein aufgrund des Openers definitiv kaufenswert ist und für Asia-Fans sowieso einen Unverzichtbar-Stempel trägt. Ein bissel mehr Drama darf's das nächste Mal aber schon noch sein.
Kontakt: www.frontiers.it

Tracklist:
Paradox/Let Me Go
God Walks With Us
I Stand Alone
Meet Me At Midnight
Hey Josephine
Far Away
Please Change Your Mind
Sleep Angel
Spread Your Wings
In The End
 




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