www.Crossover-agm.de VISION DIVINE: Send Me An Angel
von rls

VISION DIVINE: Send Me An Angel   (Atrheia Records)

Man hätte angesichts des selbstbetitelten Debüts von Vision Divine die Theorie aufstellen können, daß Olaf Thörsen und seine Mannen sich mit dieser Zweitband ein Ventil schaffen wollen, um, nachdem ihre Erstband Labyrinth in sperrigere Gefilde abgedriftet ist, weiterhin traditionellen Italometal fabrizieren zu können. Angesichts des nun vorliegenden und in gleicher Besetzung - neben Thörsen seine Labyrinth-Kollegen Mat Stancioiu an den Drums und Andrew McPauls an den Tasten, Rhapsody-Sänger Fabio Lione und schließlich Bassist Andrea "Tower" Torricini - eingespielten Zweitwerks "Send Me An Angel" darf man diese Theorie aber getrost zu den Akten legen, denn auch Vision Divine haben einen Entwicklungsschritt weg von eingängigem Bombastmetal hin zu vertrackteren Strukturen und basischerer Instrumentierung bei trockenerer Produktion vollzogen, wobei der Schritt allerdings kleiner ausgefallen ist als der Labyrinths von "Return To Heaven Denied" zu "Sons Of Thunder". Halbwegs traditioneller Italometal mit einigen der Thörsenschen fließenden Leads ist nur noch selten zu hören, so etwa in "Away From You", wobei der Refrain allerdings von eigentümlichen Backings gestützt wird und das Hauptsolo auch nicht so gnadenlos mit der unbeschwerten Leichtigkeit des Seins nach vorne stürmt, wie man das von Italienern allgemein gewöhnt ist. Mit "Nemesis" gibt's allerdings wieder ein furioses (wenn auch nicht gerade typisches und mit den Keyboardstops lose Erinnerungen an Survivors "Eye Of The Tiger" hervorrufendes) Instrumental und mit "Apocalypse Coming" wenigstens einen fast durchgängig fröhlich losspeedenden Track zu hören. Beibehalten haben Vision Divine auch ihre Behandlung philosophischer bis religiöser Themen, und wie schon beim Debüt kann ich nicht sagen, auf welche Weise sie das tun, denn ich habe wieder mal kein Textblatt hier. Musikalisch hat auf jeden Fall eine breite Geschmacksvielfalt Einzug gehalten. Den im Info angekündigten 80er Thrash suche ich zwar vergeblich, aber in der Bridge von "The Call" beispielsweise macht sich kurz eine fast deathmetallisch heruntergestimmte Gitarre bemerkbar, wogegen der Anfang von "Black & White" beinahe von HIM stammen und "Taste Of A Goodbye" als anderes Extrem auch auf jede beliebige CD aus dem Stall von Frontiers Records gepaßt hätte. Das Beste kommt im Falle von "Send Me An Angel" ganz zum Schluß, denn wie auf dem Erstling haben Vision Divine erneut einen Track aus den 80ern eingespielt. Lieferten sie damals eine recht originalgetreue Variante von "The Final Countdown" ab, so haben sie diesmal einen Popsong metallisiert - allerdings nicht "Send Me An Angel", wie man vermuten könnte, sondern "Take On Me" von a-ha. Ich bin bei Infoblattaussagen Marke "... das dem Original in nichts nachsteht und dieses sogar noch toppen kann ..." immer sehr skeptisch, aber hier begründet nichts irgendeinen Zweifel, denn die Version der Italiener setzt dem starken Original (das ich seinerzeit im Alter von neun oder zehn Jahren sehr gerne gehört hab' und auch heute noch mag) in puncto Power eins drauf, ohne aber den eingängigen Gestus primitiv niederzuknüppeln oder gar 'ne halbgare Progversion draus zu machen. Sobald das markante Keyboardthema einsetzt und eine fette Doublebass druntergelegt wird, müßte eigentlich in jeder Zappelbude der Ausnahmezustand ausbrechen, aber dorthin wird es diese Version wohl leider nie schaffen, da sie einfach zu gut dafür ist, und damit bleiben ihr auch die Myriaden von Teeniekäufern (die beim Hören der ganzen Platte spätestens von "Apocalypse Coming" an die mit Backstreet Boys-Postern tapezierte Wand geblasen würden) fern, wofür die Tatsache, daß ich "Take On Me" fast jeden Abend beim Zähneputzen höre, zwar einen ideellen, aber leider keinen materiellen Ersatz darstellt. Letzteren müssen also doch die Metaller wieder selbst herstellen, und diejenigen, denen "Sons Of Thunder" gefallen hat, sollten den Anfang machen, während Fans des Debüts ein vorheriges Reinhören angeraten sei.
Kontakt: www.visiondivine.com



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