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V.A.: Gitarrenweltrekord 2007 - The Ultimate Smoke On The Water Show
von rls

V.A.: Gitarrenweltrekord 2007 - The Ultimate Smoke On The Water Show   (Derer-Consulting/Zounds Music)

Das Riff, das jeder nach einmaligem Hören fehlerfrei mitpfeifen kann: Deep Purple haben es in "Smoke On The Water" verewigt, und dieser Song muß nun für einen Weltrekordversuch herhalten: Am 23.6.2007 soll am Flughafen Stuttgart-Leinfelden-Echterdingen der Gitarrenweltrekord gebrochen werden, den 1322 kanadische Gitarristen anno 2004 aufgestellt haben - soll heißen: Mindestens 1323 Gitarristen müssen sich an besagtem Tag dort einfinden und - dirigiert übrigens von Gotthilf Fischer - gemeinschaftlich den "Machine Head"-Klassiker intonieren. Im Vorfeld des Rekordversuches war aufgerufen worden, man solle seine ganz ureigene Interpretation dieses Songs im Rahmen eines Wettbewerbs einreichen, und 14 dieser Interpretationen haben den Weg auf vorliegende Silberscheibe geschafft, die - das sei vorweggenommen - über weiteste Strecken jedwede Party auf Hochtouren bringt. Dabei besitzt die eröffnende Version von Party Blues in Bb, wo auch Weltrekordversuchsinitiator Andreas Vockrodt mitspielt, noch eher pädagogischen Charakter, denn sie lehnt sich sehr nahe ans Original an und gibt die am 23.6. zu spielende Version vor - schließlich soll kein babylonisches Gedröhn entstehen, und beispielsweise in puncto Gitarrenstimmung braucht man ja erst mal ein Vorbild. Als Pause diente übrigens nicht die verkürzte Singleversion, sondern die reguläre mit fünfeinhalb Minuten Spielzeit, die sauber umgesetzt wurde und angesichts deren pädagogischen Zwecks man auch darüber hinwegsehen kann, daß dem Sänger deutlich Charisma und Stimmgewalt eines Ian Gillan abgehen. Danach wird dem Affen aber gleich ordentlich Zucker gegeben, die erste Ration von den Skankaroos, die eine coole Skaversion (wer hätt's gedacht bei diesem Bandnamen) aus dem Hut zaubern, inclusive Chillpart mit Alternativtext und einem starken Saxophonsolo. The Twang kommen aus Hamburg, was man ihrer Countryversion wirklich nicht anhört - auch die macht mächtig Laune und gipfelt in einem hübschen Banjosolo, das auch den etwas arg gewollt-verknödelten Leadgesag locker wieder aufwiegt. Den ersten größeren Vogel schießen Albi Hefele und das Poporchester der Musikschule Leinfelden-Echterdingen ab. Die Basis ihrer Version bildet eine Herangehensweise, wie man sie in den Achtzigern von den ganzen "Sinfonieorchester spielt Popsongs"-Samplern kannte, wobei das Orchester stimmenseitig im vorliegenden Falle aber von den Holz- und Blechbläsern und nicht von den Streichern dominiert wird. Gerade die Bläserpassagen, die frechen Flöten wie die schmetternden Trompeten (das Sax ist auch wieder da), geben dieser Version richtig Pfiff, und als wäre das noch nicht genug, jammt das Orchester blitzartig, nur wenige Sekunden lang, noch andere Melodien ein, wobei weder "Eine Reise ins Glück" noch das markante Thema von Beethovens 5. Sinfonie vor ihnen sicher ist - hier liegt man vor Lachen bauchhaltend auf dem Fußboden ob der Simplizität wie Genialität der Einfälle, und das vom ZDF-"Aktuellen Sport-Studio" akkordseitig übernommene Outro schlägt dem Faß im positiven Sinne den Boden aus. Auch Scenes koppeln in den Mittelteil ihrer Version anderes Liedgut ein, aber sie bleiben zumindest bei den Originalkünstlern, einmal direkt und einmal indirekt: Das Hauptsolo endet mit einer Passage aus dem ebenfalls von Deep Purple stammenden "Perfect Strangers", und der Gitarrenstil besagten Hauptsolos verweist auf Ritchie Blackmores Pionierarbeit zurück, in diesem Fall aber nicht mit Deep Purple, sondern mit "Gates Of Babylon" von Rainbow, mit dem er die orientalischen Melodiken im Hardrock popularisierte. Scenes sind mit ihrer Progmetalversion (das ist trotz äußerst fetter Gitarren kein Nu Metal, lieber Infoblattschreiber - Dream Theaters "Train Of Thought" etwa ist auch kein Nu Metal) die härteste vertretene Band, gönnen sich auch einen melodisch etwas veränderten Refrain (der dem Rezensenten seit Tagen nicht mehr aus dem Kopf geht) und können sich ebenfalls einen Volltreffer gutschreiben lassen. Die Asian Stars klingen zwar eher pseudoasiatisch mit unechter Sitar und ebenfalls nicht gerade organisch anmutendem Schlagzeug, aber damit finden sie sich in einer guten Reihe mit den ganzen neumodischen Asia-Chill-Produktionen, nur der Akzent in Catrin Cohnens Stimme will so gar kein richtiges Asiafeeling aufkommen lassen. Völlig abgepfiffen dann wieder die Low Noize Gang, die dreigeteilt schizophren agieren: Die Strophen kommen mit Akkordeon im Chansonfeeling rüber, der Refrain wird in seiner ersten Hälfte wild prügelnd hardcorepunkig heruntergehobelt, schlägt in seiner zweiten Hälfte aber in eine mehrstimmige entspannte Version mit Comedian Harmonists-Touch um - ohne ankündigende Breaks, alles aus dem Nichts kommend, alles aber skurrilerweise irgendwie zusammenpassend, auch die späteren Stimmungszuteilungsvariationen. Die Theoretiker klingen in der Praxis nach MTV Unplugged, wobei sie auf Tastenklänge verzichten, sondern lediglich die Saiten und die Felle sprechen lassen. Das Hauptsolo wird als einziger Bestandteil verstärkt, und sein Eröffnungsakkord tönt verdächtig nach einem Mittsiebziger-Deep Purple-Song, der dem Rezensenten titelseitig immer noch nicht eingefallen ist. Die Applephonics beweisen, daß man "Smoke On The Water" selbst als Discopopversion im tiefsten Achtziger-Stil umsetzen kann, ohne akuten Brechreiz auszulösen, wobei hier die Gitarren noch leicht indielastig im Hintergrund vor sich hin schrammeln, also nicht die reine Computerlehre befolgt wird; zudem darf sich der Gitarrist im Solo auch nochmal richtig austoben, und die Sängerin gehört zweifellos zu den Fähigen ihrer Zunft. Was man zu den "Uhuhu"-Backings, welche das Riff nachstellen, sagt, dürfte aber wohl extreme Geschmackssache bleiben. Die längste Version des Samplers gehört der Modern School Of Music Calw, die ihrem Namen alle Ehre macht, indem sie etliche Stile der heutigen Unterhaltungsmusik in sechs Minuten kombiniert hat. Das geht also mit rockendem HipHop los (man ruft sich die Aerosmith-Alternativversion von "Walk This Way" ins Gedächtnis), bevor der Hauptteil von souligem Funkrock gebildet wird, dies unter Beibehaltung gelegentlichen rappenden Gesanges, aber Hinzunahme einer echten Singstimme, die in Kombination mit dem musikalischen Unterbau ebenfalls Erinnerungen an die Mittsiebziger-Phase Deep Purples weckt, speziell an die von Glenn Hughes gesungenen und baßseitig angefunkten Stücke. Der wenig markanten weiblichen Stimme in der Passage nach dem Solo hätte es zwar nicht zwingend bedurft, trotzdem bereiten die sechs Minuten dem Hörer, so er open-minded genug, eine Menge Hörspaß. Selbigen zu empfinden, während man die Version des Spielmannszuges der Freiwilligen Feuerwehr Leinfelden-Echterdingen hört, fällt etwas schwerer, da man noch den ähnlich gelagerten Geniestreich der ebendortigen Musikschule im Ohr hat - der Spielmannszug liefert demgegenüber eine (allerdings auch von Albi Hefele produzierte) basische Version ohne große Schnörkel oder Verzierungen ab, auch von den Bläsern dominiert; wem die Musikschule zu abgedreht war, dem wird der Spielmannszug aber vielleicht besser reinlaufen. Dieser Personenkreis sollte die folgende Version "Smoke überm Backherd - es ruft der Hefezopf" von Frau Kächele & Frau Peters besser skippen, verpaßt damit aber ein weiteres Highlight. Die beiden Damen sollte mancher vom SWR kennen - hier gibt's eine Version in schwäbisch (Eröffnungszeile in deutscher Übersetzung: "Wir sind mit unserm Wohnmobil am See Genezareth ...") mit spacig-verzerrter Gitarre, monotonem Baß und ataxiegeplagtem Drumcomputer, der auf den Namen Billy Cobham zu hören vorgibt. Beschreibende Worte versagen hier und hätten für den nichtschwäbischen Teil der Leserschaft sowieso nur bedingt Wert - man lernt immerhin, daß in manchen Marshall-Endstufen auch Backröhren eingebaut sind. Kult oder Müll? Die Meinungen dürften divergieren, der Rezensent hat sich, obwohl er auch nach etlichen Hördurchläufen noch nicht den kompletten Text verstanden hat, für ersteres entschieden. Ray Frederix geht dahingegen schon fast "normal" zu Werke, auch wenn seine Rockversion eher im Spannungsfeld zwischen Nickelback und Stiltskin zu verorten wäre, produktionsseitig aber deutlich modernisiert wurde, was den synthetischen Baß und auch die Keyboardflächen betrifft, die wahlweise 20 Jahre rückwärts oder 20 Jahre in die Zukunft verweisen. Trotzdem oder gerade deshalb ein durchaus starkes Stück. Die abschließende AJ Gang, von Haus aus rockend, verwandelt sich in diesem Fall in eine Liedermacherstruktur: eher sanfter Leadgesang, ganz seltene weibliche Backings, seltene Effekte, Akustikgitarre, Akustikbaß und mit "Rauch zieht übers Wasser" ein engagierter deutscher "AKW Nee"-Text, musikalisch das Riff am stärksten von allen 14 Beteiligten abwandelnd und als einziger Beitrag nicht so richtig partytauglich. Aber nach einer knappen Stunde überwiegenden Frohsinns kann man auch einen Chillout gut gebrauchen. So endet ein Sampler, der auch über das Dasein als "Begleiterscheinung" des Gitarrenweltrekordversuches hinaus zweifellos seine Existenzberechtigung besitzt, einen entsprechend offenherzigen Hörer zu keiner Sekunde langweilt und wie erwähnt mit seinen zahlreichen Highlights jede Festivität zum Toben bringen kann. Fortsetzung erwünscht!
Kontakt: www.gitarrenweltrekord.de, www.zounds.de

Tracklist:
"Smoke On The Water" in Versionen von:
Party Blues in Bb
The Skankaroos
The Twang
Albi Hefele und das Poporchester der Musikschule Leinfelden-Echterdingen
Scenes
Asian Stars
Low Noize Gang
Die Theoretiker
Applephonics
Modern School Of Music Calw
Spielmannszug der Freiwilligen Feuerwehr Leinfelden-Echterdingen
Frau Kächele & Frau Peters
Ray Frederix
AJ Gang
 




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