www.Crossover-agm.de TYR: The Lay Of Thrym
von rls

TYR: The Lay Of Thrym   (Napalm Records)

Nanu, was ist denn mit Tyr passiert? Die färöesischen Metaller kannte man bisher eher als Freunde ausladender Epik und zwar durchaus vielschichtiger, aber tendenziell eher langsamer bis mittlerer Tempi, garniert nur bisweilen von einigen speedigen Elementen. "The Lay Of Thrym" kehrt das Prinzip nun um: Die zehn regulären Songs muten eher wie Speed Metal an, den man nur um einige mittlere und langsamere Tempopassagen bereichert hat, und etliche Songs, etwa gleich der Opener "Flames Of The Free", kommen gar komplett ohne solche aus. Dazu kommt eine weitere Wirkung, die man von dem Quartett so noch nicht kannte: Riffs und vor allem Drums sind oftmals so hektisch arrangiert, daß sie schneller wirken, als sie eigentlich sind - auch hierfür lassen sich bereits in den ersten Tracks genügend Beispiele finden. Wer sich noch an die Drums in Tad Moroses "Gates Of Babylon"-Cover erinnert, wird hier ein ähnliches Exempel finden, allerdings steigert Kari Streymoy dieses Stilmittel (wenn es denn eins ist) noch. Mit etwas mehr Ruhe und Geradlinigkeit in den Drums würden etwa die schnellen Passagen von "Take Your Tyrant" entweder an Punk oder eben an klassischen Speed Metal erinnern - so machen sie den Hörer nervös, und es ist äußerst schwer, objektiv zu analysieren, ob das nur an der Erwartungshaltung des Hörers liegt oder aber allgemeiner begründbar ist. Möglicherweise handelt es sich nur um eine Steigerung bisher eher latent vorhanden gewesener Elemente im Schaffen der Band, denn polternde Drums hatte man vor allem in den Folkbearbeitungen auf vergangenen Scheiben schon gelegentlich vorgefunden, nur eben nicht in der Intensität wie diesmal und seinerzeit auch deutlich songdienlicher eingeflochten. Hier dagegen wird die Hektik zum Problemfall, und aus dem Traditional "Evening Star" wird eben nicht die beruhigende Halbballade, die man sich nach dem ersten Songviertel noch erhofft hat, sondern ein Gemisch aus eben jenen gefühlvollen Passagen und wiederum dem Gepolter, in Detailfragen zwar geschickt arrangiert, aber in der Summe nicht überzeugend. Und dieses Urteil muß man leider über das gesamte Album fällen. Natürlich hat Heri Joensen nicht über Nacht das Arrangieren verlernt, natürlich kann er immer noch starke Melodien erdenken und hymnische Chöre ins Bild setzen, natürlich ist die Leadgitarrenarbeit mal wieder vom Feinsten und der Gesang gewohnt ausdrucksstark. Nur nützen all diese guten Bestandteile nicht, wenn das daraus zusammengesetzte Gesamtbild nicht überzeugen kann. Vieles wirkt überhastet, und man wird generell den Eindruck nicht los, als daß die ganzen Touren in Viking- und Pagan-Metal-Packages in Joensen den Zwang erzeugt haben, sein eigenes Schaffen stärker in dieser Richtung auszutarieren. Dagegen ist prinzipiell ja nichts einzuwenden, solange das Ergebnis stimmt - und das tut es hier nicht. "The Lay Of Thrym" ist weder Fisch noch Fleisch, und für eine Band, die sich anhand ihrer Eigenkompositionen definiert und dort durchaus eingängige Refrains plazieren kann, ist es ein vernichtendes Urteil, wenn man sich auch nach mehrmaligem Hören nur an die Coverversionen erinnert. Von denen gibt es (die vier Traditionalbearbeitungen nicht gerechnet, während sie in die Urteilsfindung einbezogen waren) diesmal zwei, allerdings nur als Bonustracks auf dem Digipack und beide als Tribut an den anno 2010 verblichenen Ronnie James Dio gedacht, beide allerdings in der Herangehensweise und damit auch im Urteil recht unterschiedlich. Beim ersten überrascht zunächst die Wahl: "I" vom Black Sabbath-Album "Dehumanizer" wäre sicher nicht der erste Song, an den man bei einer Dio-Tribute-Wahl denkt, aber wenn man das Original mal wieder hervorkramt und die Umsetzung analysiert, dann kann man Joensen und seinen Mannen ein erstklassiges Ergebnis attestieren, vor allem, weil alle hier mal herrlich unaufgeregt musizieren und das Ergebnis eine simple, aber großartige Hymne darstellt. Zweiter Song ist Rainbows "Stargazer", ein großer Klassiker aus der Blackmore-Dio-Schmiede (wobei letztgenannter in den Credits witzigerweise mit seinem bürgerlichen Namen Ronald Padavona benannt wird), und hier gibt es wieder den Mix aus "viel gekonnt" und "zuviel gewollt" zu konstatieren: Solange das Original die Marschrichtung bleibt, gelingt eine richtig starke Umsetzung - sobald das Tempo angezogen wird, wird alles hektisch und nervös, hier in noch stärkerem Maße als in der genannten Tad Morose-Bearbeitung von "Gates Of Babylon". Das ist sehr schade: Man weiß, Tyr können viel, aber sie wissen es auf diesem Album nicht in die richtigen Bahnen zu lenken, und da nützen auch engagierte Texte wie die Absage an die Rechtsaußenfront in "Shadow Of The Swastika" nichts. Zum Kopfschütteln ist auch das Cover: In einer perspektivisch völlig unmöglichen Landschaft steht ein alter Mann, der einhändig (!) mit einem Kriegshammer gerade eine Art Goliathkopf zertrümmert hat und in der anderen Hand an der Leine (!!) zwei Kampfsteinböcke (!!!) mit geschliffenen Hornspitzen (!!!!) führt. Der Rezensent (wohlgemerkt durchaus ein Liebhaber auch kompliziert strukturierter progressiver Speed Metal-Klänge) entnimmt das Album entnervt dem CD-Schacht, stellt es ins Regal und nimmt sich vor, demnächst mal wieder "How Far To Asgaard" und "Eric The Red" einzuwerfen. War früher alles besser? Nicht immer, aber in diesem Falle schon. Ist weniger mehr? Nicht immer, aber in diesem Falle schon.
Kontakt: www.tyr.net, www.napalmrecords.com

Tracklist:
Flames Of The Free
Shadow Of The Swastika
Take Your Tyrant
Evening Star
Hall Of Freedom
Fields Of The Fallen
Konning Hans
Ellindur Bóndi Á Jadri
Nine Worlds Of Lore
The Lay Of Thrym
I
Stargazer
 




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