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TYR: Eric The Red
von rls
(Tutl)
Die Zeitspanne, die zwischen dem Vorgänger "How Far To Asgaard" und dem neuen Album "Eric The Red" liegt, war nicht übermäßig lang - und doch hat sie einige Veränderungen bei den Färöer-Metallern Tyr hervorgerufen. Zum einen ist Sänger Pól Arni Holm nicht mehr dabei, seinen Part hat Bandkopf/Gitarrist Heri Joensen (der bereits vorher in Union mit den anderen Bandmitgliedern die chorischen Parts eingesungen hatte) übernommen. Man kann beim Nacheinanderhören beider CDs den Unterschied zwischen den beiden Sängern deutlich ausmachen, aber man kann keine Rangfolge erzeugen, welcher nun besser sei - beide ähneln sich dafür wiederum stark genug, und beide passen zum epischen Metal Tyrs wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge. Wie bereits im Review zu "How Far ..." statuiert, basiert der Sound Tyrs aber eindeutig auf zwei Gitarren, und somit kann die Band den Zugang von Terji Skibenaes vermelden, der aber offensichtlich erst kurz vor den Aufnahmen einstieg und demzufolge nur ein paar Leads übernommen hat; wie sich sein weiterer Input gestalten wird, bleibt zukünftigen Platten vorbehalten zu ergründen. Einfluß auf die nicht stilverändernde, aber doch deutlich wahrnehmbare musikalische Veränderung im Tyr-Sound hatte er offenbar noch nicht. Selbige Veränderung läßt sich an zwei Komponenten veranschaulichen.
Zum einen liegt das Durchschnittstempo auf "Eric The Red" ein gutes Stück höher als auf "How Far ..." - reine Doompassagen lassen sich kaum noch ausmachen, dagegen erreichen gleich die beiden Opener "The Edge" und "Regin Smidur" Geschwindigkeiten, welche auf dem Albumvorgänger allenfalls mal in "Sand In The Wind" oder im Finale des Titeltracks erreicht wurden. Trotzdem bleibt der episch-majestätische Einfluß über die gesamte Laufzeit von rund einer Stunde dominant, niemand muß Angst haben, Tyr würden plötzlich in reine Speed Metal-Gefilde abdriften. Man nehme einfach einen Song wie "Stýrisvolurin" als manifestes Gegenbeispiel - mit Naturgeräuschen beginnend erklingt die Strophe nur über einem wellenartige Bewegungen vollziehenden Gitarrenbackground, während ein großer hymnischer Refrainpart zum Feuerzeugschwenken animiert und der Soloteil das Tempo noch einmal auf treibendes Midtempo erhöht, bevor der Schlußrefrain kurz vor Minute sieben wieder das hymnische Moment aufnimmt.
Der zweite Faktor der Veränderungen kann ansatzweise schon aus dem bisher Geschriebenen erschlossen werden: Der Folkanteil in den Kompositionen ist manifest angestiegen, jedenfalls der ausgewiesene. Stand auf "How Far ..." mit "Ormurin Langi" nur eine Komplettbearbeitung eines Folksongs (wiewohl auch in vielen anderen Songs folklastige Melodiestrukturen nachweisbar waren), so beinhaltet "Eric The Red" unter seinen zehn Songs gleich fünf Arrangements nordeuropäischer Folklore, die allerdings etwas differenzierter ausfallen, da Heri Joensen in den meisten dieser Tracks noch Teile der Musik nachkomponiert und/oder die Bestandteile eben neu arrangiert hat. "Ramund Hin Unge" stammt aus Dänemark, der offensichtlichen Wahlheimat der Tyr-Bandmitglieder, und besticht durch seinen nach der einleitenden Akustikstrophe einsetzenden fröhlichen Grundrhythmus (wenn ich mich nicht verhört habe, spielt Kári Streymoy seine Doublebass außer in den Finalteilen sogar in Triolen), der völlig im Widerspruch zum recht brutalen Text steht, während drei weitere Tracks direkt färöesischen Ursprungs sind: die bereits genanten "Regin Smidur" und "Stýrisvolurin" sowie das zu den absoluten Highlights des Albums zählende "Ólavur Riddararós", das zwischenzeitlich fast speedmetallische Züge in einem furiosen Solo trägt und insgesamt betrachtet beispielsweise die benachbarte Eigenkomposition "Rainbow Warrior" (die vom Stil her am ehesten an das "How Far ..."-Material erinnert) zu überstrahlen in der Lage ist, wiewohl auch dieser Track keineswegs schlecht ist. Das fünfte Traditional schließlich stammt aus Irland, und man muß sich beim Hören schon arg beherrschen, um im Refrain nicht plötzlich ein breites "An der Noooordseeeeeküste" mitzugrölen. Erstaunlicherweise hat die Band darauf verzichtet, "The Wild Rover" (so die englische Bezeichnung des auch von Klaus&Klaus adaptierten Schunklers) zu einem reinen Partysong umzugestalten, statt dessen finden sich ungeahnte Rhythmuswechsel, Breaks und Stops sowie ein (allerdings irgendwie etwas fremdkörperig wirkendes) Solo, welche das Stück zwar interessanter, aber für eventuelles feierlustiges Publikum auch schwerer nachvollziehbar machen. Ich bin sehr gespannt, wie das deutsche Publikum reagieren wird, wenn Tyr diesen Song eines Tages mal auf deutschen Bühnen spielen. Den Einbau fast progressiv wirkender Elemente hatte die Band ja schon auf "How Far ..." an einigen Stellen praktiziert, und auch "Eric The Red" wartet mit solchen Passagen auf. Man achte beispielsweise mal genau auf das anfangs völlig arhythmisch wirkende Gitarrensolo in "Alive" kurz nach Minute 4. Der mächtige und abwechslungsreiche Titeltrack, wiewohl etwas zu schwerfällig beginnend, aber vor Minute 5 wieder ein solches Progsolo auffahrend, krönt dieses erneut sehr starke Album, das sich kein Freund epischen Metals entgehen lassen sollte, zumal es bei Jacob Hansen auch erstklassig produziert worden ist.
Kontakt: www.tyr.net, www.tutl.com
Tracklist:
The Edge
Regin Smidur
Dreams
The Wild Rover
Stýrisvolurin
Ólavur Riddararós
Rainbow Warrior
Ramund Hin Unge
Alive
Eric The Red
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