www.Crossover-agm.de
TSA: Metal Box - Rock'n'Roll/1981
von rls

TSA: Metal Box - Rock'n'Roll/1981   (Metal Mind Records)

TSA zählen zu den dienstältesten polnischen Rockbands im härteren Bereich, und dank etlicher Wiederveröffentlichungen ist ihr Werk auch dem jüngeren Hörer problemlos zugänglich. Die vorliegende Pappbox enthält die Alben "Rock'n'Roll" und "1981" in ihren (Wieder-)Veröffentlichungsfassungen von 2004, die beide auch als einzelne CD erhältlich sind.
Beginnen wir die Betrachtung mit "Rock'n'Roll", wie es die Reihenfolge auf dem Cover und dem Backcover nahelegt, so müssen wir in Kauf nehmen, daß wir nicht chronologisch vorgehen, was die Entstehungszeit angeht - allerdings war "Rock'n'Roll" schon in den Achtzigern offiziell veröffentlicht worden, "1981" aber nicht. Also bleiben wir doch bei dieser Variante: "Rock'n'Roll" wurde 1986 eingespielt und sollte das vierte Album TSAs (bzw. das dritte Studioalbum - das Debüt war eine Liveplatte) werden, allerdings bekam die Band Streß mit den Zensurbehörden und löste sich daraufhin vorübergehend auf. Zwei Jahre später erschien "Rock'n'Roll" dann doch noch, und zwar als Neun-Song-LP ohne "Mechaniczny Pies" und "51", die es nicht durch die Zensur schafften. Warum, das wird sich nur dem Kenner der polnischen Sprache erschließen - der Text von "Mechaniczny Pies" ist in ebenjener Sprache gehalten und wie fast alle anderen Lyrics im Booklet abgedruckt (wo man dann auch feststellt, daß "Roller Coaster" trotz seines englischen Titels gleichfalls in Polnisch gesungen wird). Die Zensur von "51" wiederum bleibt ein Rätsel, denn dessen Text findet sich im Booklet nicht, und musikalisch handelt es sich um ein balladeskes Stück (mit wunderbarer Baßarbeit von Janusz Niekrasz und einem Gastsolo von Gründungsgitarrist Andrzej Nowak, der die Band 1983 verlassen hatte), das eigentlich kaum geeignet wäre, Anstoß zu erregen. Zudem handelt es sich um ein altes Stück, das bereits 1982 anstandslos auf der B-Seite der Single "Zwierzenia Kontestatora" und auch auf der Debüt-Livescheibe enthalten gewesen war. Wie auch immer: Beide Songs erschienen dann auf einer 1989er Kassettenversion von "Rock'n'Roll" (der dafür aber "Pierwszy Karabin", der originale Closer, fehlte) doch noch, und sie sind dem vorliegenden Re-Release als Boni beigefügt, zusammen mit einer bisher unveröffentlichten Zweitfassung des flotten "Francuskie Ciasteczka", dessen Erstfassung auf der LP die B-Seite eröffnet und ohne die merkwürdigen "Ulala"-Backings im Intro auskommt. Stilistisch wurden TSA in dieser Phase immer mit AC/DC verglichen, und gewisse Ähnlichkeiten vor allem im Gitarrensound und bisweilen auch im Gekreisch von Marek Piekarczyk lassen sich in der Tat nicht leugnen. Aber Kopisten sind die Polen nun auch wieder nicht: Einen flotten Doublebassknaller wie eben "Roller Coaster" kennt man aus der Young-Schmiede bisher nicht, zumal Piekarczyk hier gelegentlich auch noch diabolisch lacht, wie es sonst in dieser Manier nur King Diamond tut. Das stampfende "Pierwszy Karabin" wiederum tendiert leicht in Richtung Accept, während Songs wie der Opener "Jestem Glodny" oder "Nie Mow Tak, Nie Mow" tatsächlich auch aus der Feder der Gebrüder Young stammen könnten und auch auf deren Alben eine durchaus nicht schlechte Figur machen, wenngleich aufgrund des Gesangs in Polnisch dort sehr wohl aus dem Rahmen fallen würden. Aber gerade der letztgenannte besteht intern doch aus mehr Zutaten, was einige Wendungen hervorruft, die bei AC/DC in geringerer Zahl aufzutreten pflegen - und außerdem haben weder Dave Evans noch Bon Scott oder Brian Johnson jemals eine Leadmelodie gepfiffen, wie es Piekarczyk hier tut. Eigenständigster und zugleich bester Song des Albums ist aber "Wyciagam Swoja Dlon", original Closer der A-Seite. Zwar kennt man auch das schon von AC/DC: Die wenigen episch-langsamen Tracks gehören zu den verkannten Highlights (man erinnere sich an "Night Prowler"!). Aber "Wyciagam Swoja Dlon" liegt vom Tempo her noch einmal darunter und erzeugt eine ganz eigentümliche düstere Stimmung, ohne natürlich im Doom-Areal zu wildern - TSA haben ganz einfach den Blues auf einen Kriechgang heruntergenommen und erzeugen damit interessante Wirkungen. Die drei Bonustracks, die die Gesamtspielzeit auf eine knappe Dreiviertelstunde hieven, passen sich dem Normalteil gut ein (kein Wunder - sie waren ja sowieso als seine integralen Bestandteile gedacht), wobei "Mechaniczny Pies" zur flotten und metalangehauchten Sorte zählt und besonders durch sein enthusiastisches Solo punktet. Interessanterweise taucht hier die Trennung der beiden Gitarren von Stefan Machel und Antoni Degutis in die linke und rechte Box viel deutlicher auf als auf den neun Songs des Originalalbums, aber noch nicht so deutlich wie auf "1981".
Besagtes "1981" weist im Titel auf seine originale Entstehungszeit hin - es handelt sich um zwei Konzertmitschnitte aus besagtem Jahr, die dann mehr als zwei Dekaden lang in den Archiven des Polnischen Rundfunks lagerten, bevor sie wieder ans Tageslicht kamen und nun auf einer knapp 80minütigen CD vorliegen. Die ersten elf Songs plus die Ansage von Jacek Sylwin (der alle fünf Bandmitglieder einzeln ankündigt) wurden am 28.10.1981 beim Rockin' Jamboree in Warschau mitgeschnitten, die anderen zehn Songs am 29.11.1981 beim Rockowisko in Lodz. Dieser Mitschnitt entstand also, noch bevor TSA überhaupt einen Tonträger veröffentlicht hatten, und die frenetischen Reaktionen schon bei der Ansage in Warschau (mit "TSA"-Sprechchören) machen deutlich, daß sich die Band bis dahin offensichtlich schon einen exzellenten Ruf als Liveact erspielt hatte. Dabei ging 1981 als ein bedeutendes Umbruchsjahr in die Geschichte von TSA ein: Gegründet hatte Andrzej Nowak die Band nämlich bereits 1979, allerdings als Instrumentalquartett mit zwei Gitarren, Baß und Drums, und damals spielte man noch Bluesrock. Der ist auch 1981 noch deutlich diagnostizierbar, allerdings hat sich zum einen der musikalische Schwerpunkt schon ein wenig in Richtung Hardrock verlagert, und zum anderen stieß in ebenjenem Jahr Marek Piekarczyk als Sänger zur Band, der sich nicht nur als erstklassiger Sänger erwies, sondern auch Songwritingqualitäten mitbrachte, so daß ein guter Teil der Setlisten im Herbst 1981 bereits aus neuem Material bestand, das Piekarczyk mitkomponiert hatte. Mit "Blues Lintera" und "Chlopak Z Gor" finden sich nur noch zwei Instrumentalstücke im Set, wobei Piekarczyk das erstere (zugleich Setopener) noch mit kurzen "TSA"-Vokaleinwürfen ergänzt und sich das von Bassist Niekrasz komponierte "Chlopak Z Gor" als klassischer Bluesrock, wie er klassischer nicht sein kann, entpuppt. Diese beiden Songs schafften es auf kein späteres TSA-Album, ebenso wie das treibende und schon deutlich weniger bluesige "Dorosly Swiat", während der Rest den Grundstock für das abermals live entstandene Debütalbum oder dessen Nachfolger, das erste "richtige" Studioalbum "TSA", bildete, wobei "Nocny Sabat" noch einmal einer Überarbeitung unterzogen wurde. Die Lodz-Setlist überschneidet sich naturgemäß stark mit der von Warschau (innerhalb eines Monats das Programm komplett zu ändern wäre auch höchst merkwürdig gewesen ...), aber es gibt mit dem flotten "Zwierzenia Kontestatora" zumindest einen Song, der in Lodz, nicht aber in Warschau gespielt wurde. Der Lodz-Sound ist einen Tick distanzierter als der aus Warschau, auch das Publikum wirkt da nicht so, als ob es gleich auf die Bühne springen wolle, aber in beiden Fällen wird die Liveenergie und -stimmung sehr gut eingefangen (man erinnere sich an die Sache mit den beiden Gitarren aus der linken bzw. rechten Box, die schon in Warschau recht ausgeprägt ist, in Lodz aber noch stärker). Mit "Trzy Zapalki" taucht eine langsame Bluesballade in beiden Sets auf, ansonsten macht das Quintett mächtig Druck, und ein Song wie "TSA Rock" wurzelt zwar harmonisch noch deutlich im Blues, holt die Inspirationen für die doppelläufigen Leadgitarren aber von Wishbone Ash und addiert dazu die forsche Herangehensweise der jungen Metalszene. Dazu kommt Piekarczyks Gesang, der hier interessanterweise noch wenig mit den AC/DC-Frontleuten zu tun hat, sondern, wenn man einen großen Namen der westlichen Welt heranziehen will, viel mehr mit Robert Plant, wenngleich der Pole die teils ins Extreme gesteigerte Expressivität des Briten nicht reproduziert. Und manche Komposition läßt den Hörer rein vom Stil her eben an Led Zeppelins "Rock And Roll" denken. Das war im Westen zur besagten Zeit natürlich schon anachronistisch, aber jenseits des Eisernen Vorhangs (und generell bei allen Liebhabern zeitlos guter Musik!) immer noch en vogue - und AC/DC erfreuen sich ja kontinuierlich großer Beliebtheit, ohne je irgend etwas Fortschrittliches zur Musikgeschichte beigetragen zu haben. Fanatiker können die doppelt vorhandenen Songs zudem noch auf Veränderungen abklopfen, aber daß bei "Wpadka" zwei komplett verschiedene Komponistenangaben in der Tracklist stehen, dürfte trotzdem "nur" ein Fehler des Layouters sein. Das Booklet enthält neben polnischsprachigen Liner Notes des Bandmanagers und vielen Statements der Bandmitglieder noch eine erkleckliche Anzahl Livefotos, die die Bühnenenergie der Band bereits erahnen lassen. So entsteht ein interessanter Einblick in die Frühzeit einer Formation, die im Polen der 1980er eine zentrale Rolle spielte und deren Tonzeugnisse auch heute noch hörenswert sind - gerade Fans von Bands wie Nashville Pussy sollten hier mal ein Ohr riskieren.
Kontakt: www.tsa.fan.pl, www.metalmind.com.pl

Tracklist:
CD 1:
Jestem Glodny
Wielki Cud
Ciagle Walcz
Wyciagam Swoja Dlon
Francuskie Ciasteczka
Wielka Fiesta
Roller Coaster
Nie Mow Tak, Nie Mow
Pierwszy Karabin
Mechaniczny Pies
Francuskie Ciasteczka
51

CD 2:
Zapowiedz - Jacek Sylwin
Blues Lintera
Spolka
Nocny Sabat
Chlopak Z Gór
Plan Zycia
Trzy Zapalki
Mass Media
Dorosly Swiat
Wpadka
TSA Rock
BIS - Mass Media
Blues Lintera
Spolka
Nocny Sabat
Plan Zycia
Wyprzedaz
Trzy Zapalki
Wpadka
Zwierzenia Kontestatora
Mass Media
TSA Rock
 



www.Crossover-agm.de
© by CrossOver