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STRYKEN: First Strike
von rls

STRYKEN: First Strike   (Girder Records)

Die texanische Band Stryker hatte 1983 das Pech, daß in Kalifornien die Band Roxx Regime auf die Idee kam, sich in Stryper umzubenennen, und in den Folgejahren eine immense Popularität als Signaturband des christlichen Metals gewinnen konnte. Obwohl Stryker die Namensidee früher gekommen war und sie 1983 unter diesem Bandnamen (den sie sich zudem schützen lassen hatten) auch schon ein 9-Track-Demo veröffentlicht hatten, beschlossen sie, dem Verwechslungsproblem mit ihrer Umbenennung in Stryken wenigstens ansatzweise zu entgehen. Geholfen hat es allerdings wenig: So richtig in die Gänge kamen weder Stryker noch Stryken, und so war bereits Ende der 80er der Ofen wieder aus, nachdem 1987 das erste und letztlich auch einzige Album "First Strike" das Licht der Welt erblickte.
Ebenjenes Album liegt nun via Girder Records in einer Neuauflage vor, die zusätzlich das 83er Demo (das den Titel "Blitzkrieg" trug - ein früher Ideenvorläufer von Strypers kontrovers diskutiertem "Soldiers Under Command"-Coverartwork?) enthält und damit fast das Komplettwerk der Band um die Brüder Streiker vorstellt - "fast" deshalb, weil die Encyclopedia Metallum" noch ein (wenn auch inoffizielles) Livealbum von 1987 nennt und auch studioseitig mindestens ein Song fehlt. "Rock On" existiert nämlich in mindestens zwei Fassungen, derjenigen vom "First Strike"-Album und einer zweiten, die auf dem "Righteous Metal"-Sampler zu hören war und außerdem wahrscheinlich der Fassung entspricht, die als Single zum "First Strike"-Album ausgekoppelt wurde. Diese Single nun wieder gab es in mindestens zwei Fassungen: Die Liner Notes von Doug van Pelt, Herausgeber des "Heavens Metal"-Magazins (der wohl wichtigsten Informationsquelle über die gottesfürchtige Metalszene ab Mitte der 80er), nennen eine 12''-Fassung mit "Surprise" auf der B-Seite, während Arno Hofmann für seine inkomplette Bandgeschichte im Buch "US Metal Vol. 1" zwar weder das Demo noch das Album, dafür aber einen auch in der Encyclopedia Metallum aufgeführten, kurios bestückten Viertracker in der Hand hatte, der auf der A-Seite "Rock On" und "Surprise" enthielt und auf der B-Seite die gleichen Stücke in vertauschter Reihenfolge. Besagtes "Surprise" stand weiland nicht auf dem Album, ist dem vorliegenden Re-Release aber als neunter Track angefügt. Apropos Reihenfolge: Auf dem vorliegenden Re-Release sind die Stücke nicht chronologisch angeordnet, so daß, wer die Entwicklung der Band verfolgen will, mit Song 10 beginnen und die Songs 1 bis 9 dann nach Song 18 hören muß. Die Vertauschung hat zwar editorisch nachvollziehbare Gründe (denn das Ganze gilt ja als Re-Release von "First Strike" mit den Demotracks als Boni), aber wer sich die erwähnte Mühe macht, wird doch erstaunliche Dinge feststellen. Das Demo klingt nämlich schon erstaunlich reif und hatte durchaus Album-Format, wobei Van Pelt in seinen Liner Notes auch von einem Album spricht; die Encyclopedia Metallum ist in dieser Hinsicht zum Reviewzeitpunkt noch lückenhaft. Vor allem merkt man in dieser Hinsicht durchaus positiv, daß die aufnahmetechnische Entwicklung 1983 noch nicht so weit fortgeschritten war wie 1986: "First Strike" hat vor allem bei den Drums oftmals diesen eigentümlichen künstlichen Touch, wie er in den Achtzigern en vogue zu werden begann und bei dem sich heute manch Nackenhaar nicht gerade vor Freude sträubt, vor allem dann, wenn ein Raumeffekt angewendet wurde, der das Drumming bombastischer und voluminöser machen sollte, aber aus heutiger Sicht eher eine Verschlimmbesserung darstellt. Klassische Beispiele dafür findet man gleich im Opener "Crush The Head Of Satan" oder auch im erwähnten "Rock On". Interessanterweise stellt man bei "Blitzkrieg", dem einleitenden Instrumental des 1983er Demos, fest, daß dort schon eine Frühform dieses Effektes auftritt - aber die ist noch deutlich organischer ins Gesamtbild eingepaßt. Selbiges Gesamtbild orientiert sich damals noch eindeutig am AOR, weist aber schon in eine deutlich härtere Richtung, wie das knackige Riffing etwa in "I'm Alright" zeigt. Schon das besagte "Blitzkrieg"-Instrumental würde durchaus als Metalversion eines Journey- oder Boston-Stückes durchgehen, und Boston sind es denn auch, die einen maßgeblichen Einfluß auf das restliche frühe Material ausgeübt haben; außerdem wären noch Kansas zu nennen, die ihre Spuren z.B. in "Need Your Love" hinterlassen haben, ohne Geige allerdings. Stephen Streiker vertauscht dafür die Gitarre ab und zu mal mit dem Keyboard, was er auch zu Stryken-Zeiten gelegentlich noch tun sollte, und die Backing Vocals haben in einigen Songs sogar einen leichten Beatles-Touch. Letzteres Stilmittel rettete die Band übrigens in "Surprise", die erwähnte B-Seite von "Rock On", hinüber, es dort in eine traditionelle Metalballade einbauend. Der Härtegrad auf dem "First Strike"-Album lag dann vergleichsweise etwas höher, die Band irgendwo an der Grenze zwischen Hardrock und Melodic Metal positionierend, wobei Drummer Joey Knight kaum über Midtempolagen hinausgeht und der Musik damit einen massiven Touch verpaßt, der aus heutiger Sicht nur eben durch die beschriebenen Soundverhältnisse etwas torpediert wird. Leider nicht wie bis zu Ende gedacht wirkt das Instrumental "First Strike", das einen eher ungeordneten Eindruck hinterläßt, wohingegen andere Songs wie die Ballade "The Answer" oder das knapp sechsminütige schleppende "Riot" einen deutlich stärkeren Eindruck hinterlassen. Allerdings hatten Stryker/Stryken zeit ihrer Existenz ein Problem: Sie waren einfach keine großartigen Songwriter und auch keine großartigen Instrumentalisten - sie musizierten durchaus solide vor sich hin, aber Bäume ausreißen konnten sie nicht, und so blieben sie, wie auch Van Pelt in seinen Liner Notes feststellt, eine Fußnote in der Geschichte des Metal, im Gegensatz zu Stryper, die ihren Erfolg auch mit erstklassigen musikalischen Leistungen rechtfertigen konnten. 1983 waren Stryker in der christlichen Metalszene zwar weit vorn mit dabei, aber die Auswahl war damals ja auch noch sehr übersichtlich, und den "Pionierbonus" weiter zu nutzen gelang Stryken nicht, so daß sie zu Recht in der zweiten Reihe verblieben, obwohl sie zumindest einige hörenswerte Songs am Start hatten. Wer sich diese in seine Sammlung stellen will, schaue mal, ob www.karthagorecords.de oder andere gut sortierte Importhändler noch ein Exemplar des Re-Releases (Digipack mit Liner Notes, aber ohne Lyrics) auf Lager haben.
Kontakt: www.stryken.net, www.girdermusic.com

Tracklist:
Crush The Head Of Satan
One Way
The Answer
State Of Emergency
First Strike
Rock On
The Young Men Have A Vision
Riot
Surprise
Blitzkrieg
Look Away
I'm Alright
Need Your Love
Circus Man
Right Of Way
Cross The Line
Played
It's Over
 




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