www.Crossover-agm.de STRANGER: Pretty Angels
von rls

STRANGER: Pretty Angels   (Battle Cry Records)

Die Bandgeschichte von Stranger gehört in der Tat zu den fremdartigsten überhaupt. Lagerte das Debütalbum "The Bell" noch im Melodic Metal mit gewisser Neigung zum Speed, so ist auf dem fünf Jahre später erschienenen "Pretty Angels" davon rein gar nichts mehr zu hören. Allerdings hatte auch die Besetzung fast komplett gewechselt: Vom Debüt-Quintett war nur noch Gitarrist Wolfgang "Rikki" Rieger übriggeblieben, und das neue Quintett zerfiel dann bald nach dem grandiosen Mißerfolg von "Pretty Angels" wieder, zumal mit Rieger das letzte Altmitglied das Weite gesucht hatte und bei Chroming Rose eingestiegen war, wo sein alter Bandkumpel Gerd Salewski, der "The Bell" eingesungen hatte, mittlerweile am Mikrofon stand. Wenn überhaupt noch etwas auf "Pretty Angels" an die alten Stranger erinnert, dann ist es das atmosphärische Intro von "Now You've Gone", ansonsten hatte die Band komplett das Lager gewechselt und spielte nun amerikanisch geprägten Hardrock irgendwo in der Nähe von Bon Jovi, der seine metallische Credibility allein schon durch die in jedem Song auftretende Bläsersektion verlor und die alten Fans daher eher zum schreienden Davonlaufen animiert haben dürfte - wir befinden uns wohlgemerkt im Jahr 1990, als man im Metal noch nicht ungestraft so aussehen durfte wie der New-Wave-Typ auf dem Bandfoto ganz rechts. Neue Fans zu gewinnen gelang Stranger aber auch nicht, obwohl sie im Fahrwasser etwa von Vice durchaus eine Chance hätten haben können. Denn wenn man mal alle Erinnerungen an "The Bell" ausblendet und "Pretty Angels" vor ganz neutralem Hintergrund betrachtet, ist die Scheibe gar nicht mal so schlecht, wenn man denn auf den neuen Stil steht. Der neue Frontmann Steve Hirschbeck konnte durchaus singen, spieltechnisch war auch der Rest der Band fit, und die Keyboards und Bläser (deren Urheber im Booklet nicht genannt wird) gehen im neuen stilistischen Kontext durchaus als eine Bereicherung durch, beispielsweise die fanfarenartigen Einwürfe in "I Surrender". Hinter genanntem Songtitel verbirgt sich übrigens kein Rainbow-Cover, und auch "Now You've Gone" und "Is This Love" sind keine Umsetzungen der sehr ähnlich bzw. identisch betitelten Whitesnake-Songs, sondern Stranger-Eigenkompositionen, was vielleicht bei Leuten, die nur die Tracklist vorgesetzt bekamen, zu weiteren Irritationen geführt hat. Wenn man bei der genannten Einzelbetrachtung dem Material auf "Pretty Angels" etwas vorwerfen möchte, dann ist es eine gewisse Gleichförmigkeit vieler Songs, die im Midtempo vor sich hin stampfen und nur selten mal aus dem scheinbaren Korsett ausbrechen. "I Surrender" zieht das Tempo dann doch ein wenig an, traut sich auch im Hauptsolo etwas mehr - und schon ist da ein kleines Highlight (im Kontext dieses Albums, wohlgemerkt!) entstanden. Das düstere "Now You've Gone" schlägt temposeitig in die andere Richtung aus und traut sich zwar nicht, die atmosphärische Linie des bereits gelobten Intros weiter fortzusetzen, fällt aber allein schon aufgrund der Ausrichtung ebenfalls aus dem gewohnten Gleichmaß heraus. "Is This Love" versucht sich dann noch am Genre der Powerballade und schneidet dort auch gar nicht so schlecht ab, hätte aber allein aufgrund seiner Betitelung keinerlei kommerzielle Chance gegen den gleichnamigen Whitesnake-Hit gehabt. Somit hatten Stranger in gewisser Weise Pech: Man zieh sie der Trendreiterei, zumal sie interessanterweise ihr Logo beibehalten hatten und das Fantasy-Cover eigentlich eher Musik im Stile des Debütalbums versprochen hatte. Hot Blood Records wiederum hatten nicht die Möglichkeit, Stranger wie ein Majorthema zu verkaufen, und um sich allein aufgrund der Musik durchzusetzen, war "Pretty Angels" schlicht und einfach nicht gut genug. Trotzdem bleibt es ein solider Genrebeitrag im "Kommerzrock", und wer seine Sammlung komplettieren will, hat nunmehr die Gelegenheit dazu. Da keine Bonustracks enthalten sind und die Scheibe nur remastert wurde, haben alle, die die Scheibe damals gekauft und nicht gleich wieder in den Müll geworfen haben, keine Veranlassung zu einem Neuerwerb, den man beispielsweise via www.karthagorecords.de tätigen kann. Vergeben wurde leider die Chance, die 39 Minuten Musik noch um die drei Stranger-Tracks vom "Heavy Hell & Metal"-Sampler zu ergänzen, was nicht nur die versilberte Diskographie vervollständigt hätte ("She Was", "Angel Of Love" und "Wet Dream" stehen auf keinem der beiden Alben), sondern auch von der Bandentwicklung her interessant gewesen wäre, denn die datieren von 1988, also drei Jahre nach "The Bell" und zwei Jahre vor "Pretty Angels". Aber vielleicht gräbt irgendwann ein Fanatiker mal noch den ganzen Sampler (u.a. mit den Belgiern Crossfire und den Polen Kat!) aus und versilbert ihn ...
Kontakt: www.battlecryrecords.de

Tracklist:
Don't Give Up
Heartbeat
Pretty Angels
Now You've Gone
I Surrender
Child Of Violence
Fighting For Your Love
Is This Love
How Will I Know



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