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SERPENTA: Civilización Perdida
von rls

SERPENTA: Civilización Perdida   (Moon Records)

Mit der Einschätzung, die Zivilisation sei perdü, stehen Serpenta keineswegs allein da, weder im metallischen noch im gesamtgesellschaftlichen Maßstab. Ein wenig verwundert daher die Wahl ihres Substils innerhalb des Metal: Die Mexikaner spielen grundsätzlich positiv gestimmten, zugänglichen, spielfreudigen und tendenziell optimistisch anmutenden melodischen Speed Metal der neoklassisch angehauchten Sorte, dem auch der punktuelle Einsatz harschen Gesangs in "Hacia La Nueva Era" und "Ultimo Katun" kein entscheidend nihilistisches Moment mitgeben kann. Vielleicht meinen sie den Albumtitel also ironisch? Das wiederum kann nur der Kenner der spanischen Sprache beurteilen, denn in ebenjener halten Serpenta ihre Texte. Das Cover wiederum zeigt eine Art ritueller Selbstverbrennung vor der Kulisse einer an einer Küste gelegenen und durch zahlreiche Hochhäuser gekennzeichneten Metropole, wobei das im Halo über der Stadt schwebende Gesicht nicht eindeutig zuzuordnen ist, und in ihre Bandmailadresse haben Serpenta noch die Zahl des Tiers eingeschmuggelt. Irgendwas scheinen Serpenta also doch relativ kritisch zu sehen, zumal auf dem Backcover, das die Rückseite des Halos zeigt, so eine Art Eiswüste ausgebreitet liegt.
Für die Nicht-Spanischkundigen bleibt die Musik als Beurteilungskriterium, und die weiß prinzipiell hoch zu punkten. Prinzipiell würde man die Herkunft Serpentas aus musikalischen Kriterien am ehesten in Italien vermuten, aber diese typische Art des melodischen Speed Metals erfreut sich ja auch schon seit längerer Zeit in Lateinamerika großer Beliebtheit, insofern reihen sich die sechs Mexikaner da gut ein. Die Anzahl der Bandmitglieder läßt eine Besetzung mit zwei Gitarristen und einem Keyboarder vermuten, und diese Vermutung bewahrheitet sich auch, wobei Tastendrücker Juan Pablo Moreno eine durchaus markante Rolle im Bandsound spielt, und das keineswegs nur in den Momenten, wo der neoklassische Faktor etwas stärker durchdringt, als das bei den meisten italienischen Bands in der Instrumentalarbeit auftritt. In den meisten Fällen kann man Morenos Wahl der Tastensounds auch durchaus beipflichten, lediglich in "Hacia La Nueva Era" erzeugt er stellenweise eine Art von Geräuschen, die an völlig übersteuerte Beckenschläge erinnert und den Hörer besorgt überlegen läßt, ob seine Stereoanlage möglicherweise defekt sei. Die Soloarbeit teilen sich Moreno und die beiden Gitarristen Rodolfo Flores und Carlos Almaraz, die melodische Themenarbeit in den Hauptteilen der Songs übernimmt allerdings häufig Moreno oder ist zumindest klanglich so weit in den Vordergrund gemischt, daß dieser Eindruck entsteht. Das wird nicht jedem Hörer gefallen, und mancher wird dadurch den metallischen Faktor in markanter Weise aufgeweicht empfinden, den Rezensenten stört das freilich nicht. Das Material bedarf allerdings sowieso einiger Durchläufe zur Erschließung, denn obwohl mancherlei geradlinige Parts eingebaut wurden, so findet sich auch einiges an überraschenden Tempo-, Rhythmus und/oder Themenwechseln, so daß man geneigt sein könnte, Serpenta noch das Wort "progressiv" anzuhängen, zumal sich auch einige der harmonischen Gestaltungen etwas vom tradierten abendländischen Ideal der Kunstmusik wegbewegen. Interessanterweise fungiert Drummer Franz García als Hauptsongwriter der Band - sieben der acht regulären Songs stammen von ihm, lediglich "Almas Perdidas" hat Flores geschrieben, aber es fügt sich nahtlos ins restliche Material ein. Für die Gesangsmelodien und die Texte wiederum zeichnet Sänger Adrian Vanegas verantwortlich, dessen Stimme irgendwo in der Nähe von Edguys Tobias Sammet, Michael Kiske zu seinen späten Helloween-Zeiten und einem gemäßigten André Matos der Post-Angra-Zeit anzusiedeln ist. Mit den acht Songs, darunter zwei kurze Instrumentalstücke (unter denen sich wiederum der Titeltrack befindet, so daß er nicht als Ausgangspunkt für die Erkundung der Grundaussage der Band dienen kann), kämen Serpenta auf ihrem zweiten Album allerdings nur auf 34 Minuten Spielzeit, und das empfanden sie offenbar als zu kurz, so daß sie noch zwei Bonustracks angefügt haben. Zum einen spielten sie "La Sombra De Fuego" von ihrem Debütalbum "Del Silencio A La Verdad" nochmal neu ein - der Rezensent kennt das Original nicht, aber die Neueinspielung fällt absolut nicht aus dem stilistischen Korsett und bildet nach dem phasenweise etwas hymnischeren "Ultimo Katun" einen andersartigen zweiten Rahmen um das Album. Etwas merkwürdig mutet schließlich Track 10 an, die Coverversion "Ninfantropia", die original für einen 2007 erschienenen Tributesampler für die Mexiko-Metal-Legende Luzbel bestimmt war. Auch hier kennt der Rezensent das Original allerdings nicht und kann nicht entscheiden, ob die merkwürdig zerrissen-distanzierte Wirkung schon so angelegt war oder erst in der Serpenta-Umsetzung zustandegekommen ist. Mehr Hörspaß bereiten da jedenfalls die meisten der Eigenkompositionen, besonders das am stärksten nach Italien schielende und mit reichlich sechs Minuten längste Stück "Quinto Sol" und die flitzende Neueinspielung von "La Sombra De Fuego", und wären da nicht die erwähnten komischen Keyboardsounds, man müßte auch "Hacia La Nueva Era" mit seinen lateinischen Choreinwürfen noch zu den Highlights rechnen. Aber generell werden viele Genrefans mit den 42 Minuten von "Civilización Perdida" etwas anzufangen wissen und sollten daher bei Rainer Krukenberg von www.metaleros.de mal nachfragen, ob er noch Bestand auf Lager hat.
Kontakt: www.myspace.com/serpentanet, www.jmoonrecords.com

Tracklist:
Civilización Perdida
Hacia La Nueva Era
Herencia Sagrada
Quinto Sol
Almas Perdidas
Equinoccio
Pleglaria
Ultimo Katun
La Sombra De Fuego
Ninfantropia
 



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