www.Crossover-agm.de SEA OF NECTAR: Paramounts
von rls

SEA OF NECTAR: Paramounts   (Ad Astra Records)

Ein fast kreisrunder Gletschersee mit einigen Bäumen am Ufer, dazu ein hübscher Felsgipfel, teils verschneit und mit einem niedlichen Hängegletscher verziert, das Ganze bei düsterem Wetter - woher kommt eine Band mit einem solchen Coverartwork? Wer jetzt "Venezuela" ruft, gewinnt überraschenderweise - das Coverfoto stammt aus einem Buch über die venezolanischen Anden (ganz im Westen hat Venezuela Anteil an diesem Gebirge, und da steht sogar ein Fünftausender rum), und der Rezensent ist sich sicher, es schon einmal in einem anderen Kontext gesehen zu haben. Was aber spielt eine Band mit so einem Coverartwork und dazu dem eher poetisch anmutenden Namen Sea Of Nectar für Musik? Die Antwort fällt schwer und leicht zugleich: Generell sind Sea Of Nectar in die große Schublade einzuordnen, welche man eines Tages in den Neunzigern mit "Dark Metal" beschriftet hatte, allerdings haben sie sich ein recht originelles Plätzchen in dieser Schublade gesichert - zumindest fällt dem Rezensenten spontan keine Vergleichsband ein. Daran sind nicht zuletzt die progressiven Anwandlungen des venezolanischen Quintetts schuld, die sich aber auch nicht so stark ausbreiten, daß man die Schublade "Progmetal" öffnen müßte. Soll heißen: Riverside, Votum und die frühen Evergrey winken zwar von drüben, aber die Hand reicht nicht bis herüber. Für das Etikett "Dark Metal" leicht störend ist allerdings der recht grelle Drumsound, der die angestrebte eingedüsterte Atmosphäre immer wieder leicht torpediert, wobei ohrenscheinlich kein Computer trommelt. Die Besetzungsangabe weist gleich zwei Schlagzeuger aus, wobei diese (wie auch die restlichen Mitglieder) multifunktional tätig sind, nämlich beide auch noch Gitarren einspielten und Santiago Pineda zusätzlich noch ein Green Baygon bediente. Das macht das Livespiel natürlich einfach - wenn einer mal nicht kann, findet sich garantiert mindestens ein anderer, der das betreffende Instrument auch spielen kann. Schwieriger wird's allenfalls beim Gesang, denn der ist genau aufgeteilt: Gitarrist/Keyboarder Antonio Narcíso übernimmt die "harsh voices" (also Gebrüll und Gekreisch, beides allerdings noch im eher gemäßigten Gestus), Gitarrist Carlos Santamaria die Backings und Bassist/Gitarrist/Keyboarder Tadeo A. Díaz die klagenden, allerdings wenig markanten und durchaus noch ausdrucksstärker interpretierbaren Cleanvocals. Dazu kommt dann eine musikalische Vielfalt, die vom sanften Akustikpart mit wunderbarer Wärme (hier stören dann auch die grellen Drums nicht, denn die pflegen in diesen Passagen zu pausieren) bis hin zum mäßig aggressiven Blastgeknüppel reichen - wer das komplette Spektrum am schnellsten erschließen will, widme sich am besten "Endless Lair Delirium (Inner Paintings Part-1)", denn hier bekommt er es in wenigen, trotzdem nicht unlogisch wirkenden Minuten zusammengefaßt, ergänzt noch um einen der wenigen Parts mit Anflügen aus der spanischen Folklore. Nur wenige Parts wirken etwas gestelzt (etwa die unmotivierte Generalpause im Intro von "No More Dreams" - und auch über den bisweilen fast psychedelisch anmutenden "Humor" im langen Akustikteil von "In The Fire Of A Circumstance [Inner Paintings Part-2] kann man geteilter Meinung sein), das meiste läßt sich gut erschließen, wenngleich man dafür einiges an Hörarbeit aufwenden muß (der Übergang bei Minute 4 in "Nowhere Else To Be" etwa sperrt sich sehr lange, aber irgendwann hat man ihn dann doch mal gepackt, im Gegensatz zur unmotivierten Ausblendung dieses Songs kurze Zeit später, nachdem der neue Spannungsbogen noch nicht mal ansatzweise ausgereizt wurde) und auch nicht mit ganz großen Songs, wie sie manche Progmetalscheibe erst nach und nach preisgibt, belohnt wird. Wer Amorphis mag und damit zurechtkommt, daß Sea Of Nectar sich von Siebziger-Einflüssen konsequent fernhalten (und statt dessen Progeinflüsse einbauen), der sollte den Venezolanern durchaus eine Hörchance geben, auch wenn sich partout kein "Hit" finden lassen will, zumal Sea Of Nectar auf so etwas wie Refrains weitgehend verzichten und sich statt dessen lieber dem durchkomponierten Songprinzip hingeben. Daß die Caracaser ihr Material auch auf der Bühne umsetzen können, beweist der Livemitschnitt von "Remembrance" als Hidden Track, der logischerweise ein wenig roher als das Studiomaterial rüberkommt, aber die Feinheiten keineswegs alle verschluckt und von den Drums her auch gar nicht so grell klingt. Summa summarum ergibt das 45 interessante Minuten, die allerdings einiges an Erschließungsarbeit verlangen, aber gerade dadurch für bestimmte Hörerkreise besonders interessant sein dürften, während das Gros weiterhin normalen Dark Metal oder normalen Progmetal hören wird.
Kontakt: melancolo@hotmail.com, www.myspace.com/seaofnectar

Tracklist:
Traveling...
Paramounts (Of Self-Dark Infinity)
The Embrace Of Autumn
Winter In The South
Remembrance
Endless Lair Delirium (Inner Paintings Part-1)
No More Dreams
Nowhere Else To Be
In The Fire Of A Circumstance (Inner Paintings Part-2)
 




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