www.Crossover-agm.de RAROG: Wsoidi Solnze
von rls

RAROG: Wsoidi Solnze   (SoundAge Productions)

J.B.O.-Hannes steht im Wald und wird von der Sonne beschienen, denkt der mitteleuropäische Metaller, wenn er das Cover dieser Scheibe zu Gesicht bekommt, aber beim Betrachten des Booklets wird deutlich, daß es offensichtlich doch dasjenige der drei männlichen Bandmitglieder Rarogs sein soll, das kein Haupthaar zeigt. Drei Bands werden in der Danksagung explizit genannt, nämlich Arkona, Kalewala und Beer Bear, dazu tritt eine Legion an Gastmusikern mit Flöten, Akkordeons, einer Balalaika, einer Leier und noch diversen anderen Instrumenten, und diese lassen bereits erahnen, daß es sich auch bei Rarog um eine Folk-Metal-Band handeln könnte. Diese Vermutung trifft dann tatsächlich auch ein, wobei man die Moskowiter, die ihren Bandnamen noch mit einem Härtezeichen am Ende versehen haben, nicht mit einer gleichnamigen und ebenfalls aus Moskau stammenden Black-Metal-Band verwechseln sollte, der ebenjenes nicht in die lateinische Umschrift eingehendes Zeichen fehlt. "Wsoidi Solnze" ist das zweite Album der Folk-Rarog, die in der seit seinem Release vergangenen Zeit noch zwei weitere Tonträger (ein Album und eine EP) herausgebracht haben, welche dem Rezensenten aber beide unbekannt sind, und schlußendlich auch bereits auf dem Bandfriedhof gelandet sind. Die Exhumierung ihrer Tonträger lohnt allerdings zumindest im Falle von "Wsoidi Solnze" durchaus, sofern man auf die extremere Form des Folk Metal, bisweilen mehr oder weniger zutreffend auch als Pagan Metal betitelt, steht. Im Gegensatz zu Beer Bear fehlt Rarog der humoristische Aspekt, auch wenn einige der Bookletbilder auf den mitteleuropäischen und mit der slawischen Folklore nur bedingt vertrauten Betrachter unfreiwillig etwas komisch wirken könnten - wären einige der Linien etwas klarer gezeichnet, manches der Bilder hätte auch in den "Wachturm" gepaßt, womit Rarog im slawischen Folkmetal freilich nicht alleine dastehen (man erinnere sich etwa an Natural Spirit). Wie bei Beer Bears "Mjod"-Scheibe, die auf dem gleichen Label erschienen ist, muß man allerdings lobend herausstellen, daß sich die Russen solche Mühe mit ihren Releases geben - ein Vierfarbbooklet mit 28 Seiten auf relativ starkem Papier für eine eher kleine Band muß man in der Krise der Tonträgerindustrie erstmal finanzieren.
Die Frage ist natürlich, ob sich der Aufwand auch musikalisch gelohnt hat. Fest steht, daß die 51 Minuten von "Wsoidi Solnze" überwiegend alles andere als leichte Kost darstellen. Zunächst liegt der Grundhärtegrad für Pagan-Metal-Verhältnisse nicht gerade am unteren Ende, und trotz umfangreicher Präsenz der Folkinstrumente befindet sich die Basis des Bandsounds auch ganz klar im Metal, zudem im nicht gerade langsamen, wie die immer wieder hervorschießenden Speedparts demonstrieren (interessanterweise hat Bandkopf/Alleinkomponist Alexander Schwiljow mit Stonehenge auch schon am anderen Ende der metallischen Geschwindigkeitsskala gearbeitet). Mit der Tanzbarkeit des Materials ist es nicht weit her, was zum einen an besagten Hochgeschwindigkeitsattacken (die allenfalls eine Art Veitstanz zulassen würden), zum anderen aber auch am enorm komplex arrangierten und wendungsreichen Material liegt, das dem Tänzer ein ständiges Wechseln des Grundrhythmus abverlangen würde. Also sind die Songs vermutlich nicht dazu gedacht, eine flotte Sohle aufs Parkett zu legen, selbst wenn in "Perunow Djen" am Ende mal kurz anfeuernde "Heyhey"-Rufe eingeflochten werden. Statt dessen haben wir hier sowas wie die progmetallische Variante des Pagan Metal vor uns, und der ist dann eher zum Zuhören und Analysieren daheim geeignet. Da kann man dann auch erstmal die Liste der sechs Gastmusiker studieren und stellt fest, daß der von Arkona bekannte Wladimir Reschetnikow gleich fünf verschiedene Instrumente spielt, während Anja Jerilina von Beer Bear für "Skripka" angegeben ist, und zwar in allen Songs außer "Ljubo Bratzy". Das könnte dafür sprechen, daß sie es ist, die den typischen Folkgesang beisteuert, was dann allerdings die Frage aufruft, wo die etatmäßige Sängerin Alexandra Sidorowa eigentlich zu hören ist. In der Bandhymne "Rarog" wird's klar, denn hier kommen zwei Frauenstimmen vor, eine fast klassische und eine folkige - aber diese klassische Stimme findet sich in den anderen Songs eher selten. So bleibt die Deutungsvariante, daß Alexandra für zumindest einen Teil der harschen Gesänge (die ein breites Spektrum von Grunz bis Kreisch abdecken) verantwortlich zeichnet, während Alexander definitiv den Heldenbariton beisteuert, den man gleich in "Bojanow Gimn" hört und der beispielsweise den hymnischen Titeltrack stark prägt, noch stärker freilich dessen Akustikversion, die den elf Tracks noch als Hidden Track angefügt ist. Dieser Song, in dem Nikita Andrjanow von Kalewala die Balalaika zupft, ist der mit Abstand geradlinigste des Albums und daher als Anspieltip für alle diejenigen, die sich erstmal vorsichtig in den Klangkosmos von Rarog vortasten wollen, geeignet. Wer sich mit russischer Folklore auskennt, kann auch den regulären Closer "Ljubo Bratzy" antesten, denn das ist die Rarog-Fassung des gleichnamigen Volksliedes, und hier kann man dann tatsächlich problemlos das Tanzbein schwingen, selbst wenn Trommler Nikita Poleschajew auch hier mal kurz das Tempo nach oben schraubt. Ergänzt noch um die erwähnte Akustikversion des Titeltracks bietet das hintere Viertel des Albums also ein doch deutlich anderes Bild als die ersten neun Songs, was einerseits merkwürdig anmutet, andererseits Rarog auch Selbstbewußtsein und Ehrlichkeit attestiert, eben nicht die eingängigen Tracks an den Anfang zu stellen. Trotzdem bleiben die vorderen drei Viertel eine harte Erschließungsnuß, die der Folk-Metal-Gelegenheitshörer möglicherweise nicht zu knacken vermögen wird. Dagegen könnten Rarog mit ihrem progressiven Ansatz für all diejenigen Progmetalanhänger interessant sein, die den gewöhnlichen Folk Metal als zu simpel gestrickt empfinden. Somit besteht aber auch die Gefahr, daß die Moskowiter zwischen allen Stühlen landen, und genau das scheint ja auch passiert zu sein. Wer das angesichts der Beschreibung bedauert, schaue mal im Weltweitnetz, ob er noch irgendwo an das Material herankommt.
Kontakt: www.myspace.com/rarog, www.soundage.org

Tracklist:
Bojanow Gimn
Beda
Po Weleniju Roda
Guljai
Pawschim W Boju
Perunow Djen
Pod Swaroschim Snamenijem
Wo Branom Wo Chmelju
Rarog
Wsoidi Solnze
Ljubo Bratzy
Wsoidi Solnze (Acoustic Version)



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