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BEER BEAR: Mjod
von rls

BEER BEAR: Mjod   (Sound Age Records)

Auf so einen Bandnamen können wahrscheinlich nur Russen kommen, wenngleich die Bierherstellung dort im Gegensatz zur Kunst der Wodkadestillation nicht als originäre Getränkeproduktion zu werten ist. (Wen's interessiert: Bier gibt es heutzutage in Rußland und anderen postsowjetischen Staaten u.a. in Plasteflaschen mit 1,5 Liter, 2 Liter oder 2,2 Liter Inhalt - und das ist jeweils Starkbier ...) Aber der Bär ist natürlich ein russisches Nationalsymbol, und das Wortspiel Wodka Bear wäre nicht halb so schön :-) Jedenfalls verbirgt sich hinter diesem Bandnamen eine russische Folk Metal-Band, die mit "Mjod" ihr Debütalbum vorlegt, das auch alle fünf Songs des 2009er Demos enthält, wobei nicht eindeutig zu ermitteln ist, ob es sich um die gleichen Fassungen oder um Neueinspielungen handelt (vergleiche, wer beide Tonträger besitzt). Die zwischenzeitlich wieder etwas verkleinerte Band bestand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von "Mjod" jedenfalls aus sechs Leuten, nämlich einer vierköpfigen Rockbesetzung und dazu noch einer Flötistin und einer Violinistin. Allein letztgenannte Komponente in Verbindung mit metallischer Härte sorgt schon für mancherlei Parallelen zu frühen Skyclad, aber die Flöte verhindert grundlegende Gleichsetzungen, und der Gesang tut sein Übriges dazu, denn an den rauhen Sprechgesang Martin Walkyiers erinnert in Alexander "Wagabur" Wagabows Gesang nun ganz und gar nichts. Statt dessen gibt der Russe entweder Kreischlaute mäßiger Extremgrade, leicht thrashlastiges Shouting oder epischen Kosakengesang von sich, letztgenannter häufig in mitgrölkompatible Chorgesänge mündend, sofern der Mitgrölinteressent denn der russischen Sprache mächtig ist, in der alle zehn mit Gesang versehenen Stücke gehalten sind (dazu kommen ein kurzes Intro, dessen Witz man viel stärker hätte ausbauen können, und zwei weitere Instrumentalstücke). Zwar wird man beim Hören das Gefühl nicht los, daß arrangementseitig noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht ist - neben besagtem Intro, das viel Witz enthält, aber noch viel witziger ins Geschehen hätte eingebunden werden können, kann hierfür "Marsch Medwedjei" als Beispiel dienen, ein eigentlich durch seinen originellen Marschrhythmus interessanter Song, der aber durch eine etwas einfallsreichere Einbindung des hier zusätzlich eingesetzten Krummhorns, das zumeist nur Parallellinien zur Flöte zu spielen hat, noch reizvoller hätte gestaltet werden können und dessen einleitendes Arrangement wie einige andere im Rahmen dieser reichlich 51 Minuten einen noch etwas holprigen und nicht zwingend organisch wirkenden Eindruck hinterläßt. Aber das Gros der Stücke überzeugt prinzipiell, und da die etwas holprigen Passagen zumeist in den alten Demosongs auftreten, kann man davon ausgehen, daß der von der russischen Band beschrittene Entwicklungsweg zweifellos der richtige ist und uns in Zukunft noch das eine oder andere Highlight des vielschichtigen Folk Metals bescheren wird. Apropos Vielschichtigkeit: Schon die bandinterne Instrumentenvielfalt ist ja für den Metal relativ hoch, aber es ist auch noch eine Handvoll Gastmusiker am Werke, die dann u.a. Cello oder das erwähnte Krummhorn spielt. Auch die Stimmungsvielfalt des Albums ist beachtlich: Vom knochentrockenen folkmetallischen Feger, der das Tanzbein automatisch in Bewegung versetzt (Beispiel: der Closer "Matj Trollei", auf meiner CD übrigens als Bonustrack gekennzeichnet), bis hin zu einer gefühlvollen, immer bombastischer werdenden und fast an der Grenze zum Kitsch rangierenden Ballade ("Sow Sewernowo Wetra") finden sich sämtliche Schattierungen einer modernen Folk Metal-Band, wobei letztgenannte Komposition (die beste der schon auf dem Demo vertreten gewesenen) durchaus auch ins Schaffen einer Band wie Within Temptation passen würde. Und abgesehen vom teilweise harschen Gesang sind Beer Bear sogar als durchaus massenkompatibel einzustufen, wenngleich sich ihr Erfolg außerhalb der eigenen Landesgrenzen rein sprachbedingt vermutlich in Grenzen halten wird. Aber Bands wie Arkona haben ja durchaus bewiesen, daß man trotzdem in Mitteleuropa Erfolge einfahren kann, und überhaupt sollte deren Fanschicht Beer Bear mal ein oder zwei Ohren leihen, wenn sie sich vorstellen kann, eine Band zu mögen, die ihren Favoriten etwas ähnelt, aber eine Hälfte Traditionsmetal im Gesamtmix durch die erwähnte folkmetallische Vielschichtigkeit ersetzt. Auch andere russische Bands wie Nomans Land oder Sewernije Wrata eignen sich zumindest als grobe Anhaltspunkte, welche Fanschicht sich den Honig (das heißt der Albumtitel nämlich übersetzt) mal auf der Zunge zergehen lassen sollte - und für Skyclad-Anhänger, denen die frühen und mittelfrühen Alben bis einschließlich "Irrational Anthems" am meisten zusagen, die aber auch nichts gegen eine noch weiter erhöhte Klangvielfalt einzuwenden haben, ist "Mjod" sogar als Pflichterwerb einzustufen. "Medwedniza" erinnert dann sogar an eine folkige Version von Nightwish - hier singt mit Alexandra "Gvenvivar" Sirokowa eine Sopranistin im frühen Tarja-Stil (die auch als Backingsängerin in drei anderen Tracks zu hören ist), und den Schlußakkord höre man sich mal genau an und mache sich dann auf die Suche, an welcher markanten Stelle im Nightwish-Schaffen man ihn schon mal gehört hat. Wer also vom gängigen Folk Metal-Einheitsbrei die Nase voll hat und eine originelle Ausprägung hören möchte, der liegt mit dem Erwerb dieses Albums goldrichtig und darf sich zudem über eine äußerst witzige, aber auch etliche Ernsthaftigkeiten versteckt haltende Bookletgestaltung mit Bären, Luchsen, Füchsen, Trollen und auch Menschen freuen, bei der nur die Frage offenbleibt, ob der Berg im Hintergrund des Backcovers eine reale Erhebung zum Vorbild hat - der sieht nämlich äußerst besteigungswürdig aus ... Wieso allerdings schon auf dem Cover auch noch ein Pandabär Balalaika spielt, das finde der Interessent selbst heraus.
Kontakt: www.myspace.com/beerbearmusic, soundage@online.ru

Tracklist:
Kosolapoje Utro
Beer Bear
Mjod
Kulatschnije Woi
Marsch Medwedjei
Weter Lesnoi
Sumerki
Sow Sewernowo Wetra
Metsch Kusneza
Medwedniza
Son-Trawa
Braga Sari
Matj Trollei



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