www.Crossover-agm.de QUO VADIS: Babel
von rls

QUO VADIS: Babel   (Jimmy Jazz Records)

Henryk Sienkiewicz' großer Historienroman oder aber das zugrundeliegende Jesuswort hat nicht nur einer kanadischen Band als Namensinspiration gedient, sondern auch Landsleuten Sienkiewicz', wobei die polnischen Quo Vadis trotz mittlerweile über einem Vierteljahrhundert Bandexistenz und acht Studioalben erstaunlicherweise westlich der Oder-Neiße-Friedensgrenze nur einem kleinen Häuflein von Spezialisten bekannt geworden sind. "Babel" ist das siebente der Alben, vom Rezensenten vor geraumer Zeit in einem Plattenladen in Jelenia Gora erstanden und jetzt endlich mal noch aufgearbeitet, wobei das neueste Album "Infernal Chaos" wie auch die sechs Vorgänger bisher allesamt nicht im heimischen Player gelandet sind. "Babel" wurde irritierenderweise auf einem Label namens Jimmy Jazz Records veröffentlicht, obwohl die 48 Minuten Musik wenig bis nichts mit dem im Labelnamen vorkommenden Genre zu tun haben. Aber Fragezeichen bilden sich auf der Stirn des Hörers sowieso einige, und es bedarf schon etlicher Durchläufe, um hier durchzusehen. Da wäre zunächst schon mal das Grundkonzept des Albums - es geht nicht etwa ausschließlich um den Turmbau zu Babel, der auch das Coverartwork dominiert, sondern die Songs befassen sich einzeln stehend mit bestimmten Geschehnissen und Figuren aus der Bibel, aber nicht nur daraus. Auch die konkrete religiöse Prägung bleibt unklar, trotz der Zahl des Tiers in der Bandmailadresse - sie kann auch ein Zeichen des Protests gegen die Verquickung von Staat und Kirche in der heutigen polnischen Gesellschaft sein, so wie sich Quo Vadis in ihren frühen Jahren gegen die herrschende kommunistische Ideologie wandten (als nächsten Schritt entdeckt man dann allerdings das Protestpentagramm als Homepageeingangssymbol der Band ...). Um die Texte entschlüsseln zu können, muß man außer dem Englischen auch noch dem Polnischen und dem Lateinischen mächtig sein, denn all diese Sprachen verarbeitet das Quintett in seinen Songs. Und diese Vielfalt setzt sich auch in der musikalischen Komponente fort. Quo Vadis sollen mal als Thrashband begonnen haben, und Thrash Metal bildet auch heute noch einen wichtigen Grundpfeiler ihrer Musik, aber er findet zahlreiche Ergänzungen aus benachbarten oder auch nicht benachbarten Genres. So verarbeitet die Band als Intro ein klassisches Chorstück, nämlich das "Veni Creator" aus der "Kantata O Duchu" ihres Landsmannes Piotr Klimek, das sie mit einem Percussionsarrangement erweitern, bevor nach reichlich zwei Minuten "Judasz" losdonnert und einen Hang zum melodischen Death oder sogar melodischen Black Metal nicht verbergen kann (und das wohl auch gar nicht will). Aber schon hier sorgt ein ausgedehntes Ambient-Break für einen Kontrapunkt, und mit solcher Vielfalt geht es denn auch in den noch folgenden zehn Songs weiter, wobei der Anteil harten Metals schrittweise immer weiter abnimmt. "Ishrael" etwa siedelt instrumental im klassischen Power Metal mit orchestralem Anstrich (der allerdings nicht von "echten" Instrumenten, sondern aus Marcin Bals Keyboards kommt) und bekommt nur durch Tomasz Skuzas rauhen Gesang einen etwas härteren Touch (wobei es auch sein könnte, daß man hier gar nicht Skuza hört, sondern Gastsänger Piotrus Szeremeta). Selbst das nur zweieinhalbminütige "God", das mit wildem Geprügel anhebt, beruhigt sich bald, wobei "beruhigen" im Kontext des Albums vielleicht nicht den richtigen Begriff darstellt, denn auch die weniger wilden Metalparts beinhalten noch genügend musikalische Abgründe, wie das eher in Richtung Gothic Metal Marke Virgin Black tendierende "Satine" zeigt. Die Encyclopedia Metallum nennt als eine von drei Stilrichtungen für die Band Progressive Metal, und wenn man darunter nicht das Heer der Dream-Theater-Nacheiferer versteht, dann ist an dieser Kategorisierung durchaus was dran. Freilich schließt der Gebrauch des Terminus "fortschrittlich" in diesem Kontext selbst motörheadkompatibles Gepolter nicht aus, wie es Teile von "Mia" prägt, kombiniert allerdings einerseits mit fiesem Midtempo-Riffgeschiebe, andererseits mit wilden Soundcollagen und schließlich auch noch mit Space Metal, alles zusammengefaßt in nur knapp über vier Minuten. Hat man das überstanden, überfällt einen "Pax" mit hardcore- und metallastigem Punk-Geschrote Marke The Exploited zu "Beat The Bastards"-Zeiten, kombiniert allerdings mit einem klassischen Metalgitarrenheldensolo und einem kunstorchesterunterlegten Break, und der Stilschubladensucher beginnt endgültig die weiße Flagge zu schwenken, so daß "Babel" vermutlich wirklich nur für Progressive-Metal-Hörer, die Musik abseits der gängigen Schemata suchen, ohne deshalb gleich sämtliche Tugenden der Kompositionskunst des Abendlandes über Bord zu werfen, geeignet ist. Diese bekommen außer der Musik einen schnieken Digipack mit den Lyrics und einem Cover, das auch in den "Wachturm" gepaßt hätte. Daß Quo Vadis für so ein ambitioniertes, aber schwer verdauliches Werk eine Förderung ihrer Heimatstadt Szczecin an Land ziehen konnten (und zwar von der Fremdenverkehrsorganisation, die auch Touren unter der Stadt anbietet, nämlich durch die dortigen Katakomben aus dem Zweiten Weltkrieg und dem Kalten Krieg), mutet merkwürdig an, aber es kann dem Hörer ja eigentlich auch egal sein, wie das zustandegekommen ist. "Infernal Chaos", das Folgealbum, wurde übrigens ohne Keyboarder Marcin Bal aufgenommen, und ein Gastkeyboarder soll nur in drei der elf Songs zu hören sein, so daß es durchaus möglich erscheint, daß dieses Album wieder komplett anders klingt als "Babel". Teste an, wer mag - das von der hervorragenden, fast sechsminütigen halbballadesken Hymne "Feniks" abgeschlossene "Babel" jedenfalls ist für Metalfans, die vom üblichen Einheitsbrei gelangweilt sind, sicherlich einen Probelauf wert.
Kontakt: www.quovadis.metal.pl, www.jimmyjazz.pl

Tracklist:
1. 21:37
2. Judasz
3. Dominus
4. I'm The Man
5. Ishrael
6. God
7. Satine
8. Mia
9. Pax
10. Bojownik 2
11. Babel
12. Feniks
 




www.Crossover-agm.de
© by CrossOver