www.Crossover-agm.de THE PROVENANCE: Still At Arms Length
von rls

THE PROVENANCE: Still At Arms Length   (Scarlet Records)

Leichter Kurswechsel bei The Provenance: Zunächst fällt das äußere Zeichen auf, daß auf dem Vorgängeralbum "25th Hour; Bleeding" nur zwei Songs über 4:59 Minuten im Player verweilten, während von den acht neuen Tracks nur einer bereits vor dieser Marke endet (und auch der gerade mal dreizehn Sekunden eher). Die daraus hervorgehende Vermutung bestätigt sich beim Durchhören: The Provenance haben den Progressive-Anteil ihres Gothic Metal ausgebaut. Das äußert sich allerdings nicht wie in anderen Fällen mittels einer ins Unermeßliche geschraubten Breakquote oder dem Beharren auf möglichst krummen Taktarten, sondern einerseits in der grundsätzlich etwas ausladenderen Songanlage und andererseits im verstärkten Einsatz halbakustischer Elemente, die durchaus bis zu frühen Genesis zurückverweisen. Das medidative Instrumental "The Ardbeg Experience" kommt gar ohne jeglichen Metal aus und langweilt über seine 5:24 Minuten hinweg trotzdem ganz und gar nicht, benötigt keinerlei laute Übertönung etwaiger schwächelnder Substanz. Emma Hellstrom hat selbstverständlich auch ihre Flöte nicht eingemottet, und so bleibt der bereits von "25th Hour; Bleeding" liebgewonnene Höreindruck mancher Passagen als "Jethro Tull spielen Gothic Metal" erfreulicherweise erhalten, wobei die Flöte aber auch entscheidend an der Prägung diverser halbakustischer Teile mitwirkt (etwa im Mittelteil von "Carousel Of Descent"). "Avant Gothic Metal" gibt das Label als Schubladenmotto aus, und damit liegt man alles andere als verkehrt, auch wenn der avantgardistische Aspekt von The Provenance nicht unbedingt im Erfinden neuer Stile liegt, sondern eher in der bei anderen Bands nur selten zu hörenden Zusammenfassung der Elemente verschiedener musikalischer Spielarten. Der erhöhte Prog-Aspekt rückt das Quintett automatisch etwas in die Nähe von Opeth (auch wenn ich mit deren Schaffen, speziell dem aktuelleren, nur bedingt vertraut bin, wage ich diese Einschätzung), und auch die Covergestaltung hätte irgendwie genauso zu den Herren Akerfeldt & C. gepaßt, auch wenn allein schon durch Emmas Gesang eine eindeutige Unterscheidbarkeit beider Bands gewährleistet bleibt. Festzuhalten wäre allerdings auch, daß Emma ihre gesangliche Variationsbreite etwas eingeschränkt hat und stärker als auf dem Vorgängeralbum in die Richtung von Anneke van Gatheringsbergen tendiert (die kurze halbverzerrte Passage am Anfang von "World Of Hurt" weist dagegen, auch musikalisch, auf das Frühwerk von The 3rd And The Mortal hin). Dafür ist die Vielseitigkeit zumindest bei Tobias Martinsson erhalten geblieben, denn der brüllt mal wie Orphanage-George, kann aber auch clean singen (eine weniger pathetische Version von Ex-Falconer-Sänger Mathias Blad mag als Anhaltspunkt genügen), wird manchmal verzerrt in den Mittelgrund gemischt und hat auch noch diverse Abstufungen der genannten Ausdrücke im Repertoire. Das angesprochene "World Of Hurt" geht als "typischste" The Provenance-Komposition dieses Albums durch, da es die Stärken der schwedischen Formation bündelt und fast alle Facetten des vielseitigen Sounds beinhaltet. Sonderlich eingängig sind die insgesamt 50 Minuten nicht (vom fast hymischen Closer "At Arms Length" mal abgesehen), aber das dürfte auch niemand ernstlich erwartet haben, weshalb eine intensive Kontemplation beim Anhören empfohlen sei. Dann kann man allerdings auch den Spruch des Promozettels, dieses Album sei eines der "darkest, saddest, and most decadent ... albums recorded in a very long time", getrost ad acta legen (wobei mir allerdings keine Lyrics vorliegen, die eine solche Einschätzung eventuell stringenter machen könnten). Kurioserweise negiert auch das Infoblatt selbst einen Satz später diese Aussage wieder: "The vast variety of emotional expressions within The Provenance music comes to show the darker sides of man as well as our possibilities in changing to the better ...". Guter Schlußsatz.
 




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