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The Third And The Mortal, Autumnblaze, Ewigheim, The Loveless   04.10.2002    Zwickau, Alarm!
von rls

Ich machte mir einen Spaß daraus, zu diesem Event im weißen CrossOver-Shirt mit dem knallbunten Frontaufdruck des Covers von Nr. 16 zu erscheinen. Erwartungsgemäß konnte man die restlichen unschwarz gekleideten Anwesenden an den Fingern einer Hand abzählen. Und das, obwohl es musikalisch zwar zweifellos düster, aber keineswegs völlig finster zugehen sollte.
Da waren schon die eröffnenden The Loveless vor. Die spielten zwar so 'ne Art von Gothic Rock, bewiesen aber Humor, indem sie an letzter Position ihres Sets "Eye Of The Tiger" von Survivor (!!!) anstimmten, bevor sie doch wieder in eine Eigenkomposition übergingen. Die eine oder andere HIM-Parallele ließ sich schon aufgrund der schmachtenden Vocals von Bassist Brian ziehen, ansonsten gingen The Loveless aber mit einem deutlich rauheren Triosound zu Werke, wobei Gitarrist Kim mit einfallsreichem Spiel und gekonnten Wechseln von Lead- zu Riffarbeit und wieder zurück auffiel. Der extrem doomige Opener "Deceiver" kam schwer in Fahrt, aber danach variierten The Loveless die Geschwindigkeit geschickt und ließen somit Langeweile außen vor. Leider durften die Dänen nur fünf Songs spielen - ich hätte ihnen gerne noch eine Weile zugehört.
Es hätte generell wohl niemand im gut ge-, aber nicht überfüllten Saale was Entscheidendes dagegen gehabt, wenn man die Spielzeit von Ewigheim noch paritätisch unter den drei anderen Acts aufgeteilt hätte. Das Zweieinhalb-Personen-Projekt unterbot meine geringen Erwartungen noch ein gutes Stück und paßte stilistisch zudem absolut nicht ins Package. Ein Sänger/Gitarrist, der wie eine Kreuzung aus Till Lindemann und Udo Dirkschneider aussah und sich höflich für das Sudel-Image seiner "Band" entschuldigte, zum Glück aber soundmäßig selten zu hören und noch seltener zu verstehen war, ein Gitarrist, der bedeutend öfter das Publikum beschimpfte, als er sich mal ein vernünftiges Riff aus dem Kreuze leierte, und eine Frau, deren Beschäftigung sich darauf beschränkte, hinter ihrem Pult die DAT-Recorder an- und auszuknipsen (was sie nicht immer in Synchronität zu den wohl Düsterrock darstellen sollenden, aber in der Realität eher wie Rammstein für ganz Arme anmutenden Klängen ihrer Mitmusiker fertigbrachte) und zu zwei Songs Violine zu spielen (was dann streckenweise so schräg geschah, daß sich einem die Fußnägel hochkrempelten). Der komplett vom Band kommende Hinterbau trug nicht entscheidend zur Lebendigkeit bei, und erst gegen Setende packten Ewigheim eine gewisse Metalkeule aus, die einige Schwächen überdecken half, den Gig aber auch nicht mehr rettete.
Da waren Autumnblaze aus ganz anderem Holz geschnitzt, auch wenn sie mich aus anderen Gründen wenig beglücken konnten. Ihr samtweicher, melancholischer Düsterrock, über weite Strecken auch noch mit halbakustischer Gitarre intoniert, dürfte der ideale Soundtrack zur Untermalung einer gemütlichen Stunde zu zweit in der heimischen Gammel-träum-lese-kuller-kuschel-mittagsschlaf-gemütlich-Ecke (Copyright: Janet) sein, entfaltet live aber eine beeindruckende einschläfernde Wirkung, zu deren Negierung lediglich die vielleicht 20 oder 25 Prozent der Gesamtdauer ausmachenden heftigeren Gothic Metal-Passagen beitrugen, die auch noch relativ ungleichmäßig im Set verteilt waren und sich gegen Ende häuften, wobei die Zugabe dann fast reinrassigen Metal darstellte. Der Sänger durchlitt seine Lyrics sehr plakativ und meist in cleaner Ausdrucksform, wußte aber mit zahlreichen Stimmlagenwechseln zu überzeugen, und auch seine Mitmusiker, allen voran der Gitarrist, spielten recht variabel, ohne aber den träumerischen Grundgestus entscheidend zu verändern. Musikalisch insgesamt also durchaus interessant, aber wie gesagt - die Livewirkung ... chrrr ... chhhrrrrrr ...
The Third And The Mortal versuchten Einschlaferscheinungen von Beginn an vorzubeugen, indem sie ihren überlangen Epen permanent eine gewisse Grundspannung injizierten, bei der man auch nach der 15. Wiederholung der gleichen Instrumentalpassage noch neugierig auf das Folgende blieb. Leider gelang auch ihnen dies nicht durchgängig - mich störte speziell die vor sich hin zischelnde Elektronik, die streckenweise eher an einen auf einer CD umherspringenden Laserstrahl erinnerte. Dagegen unterstrich die Einbeziehung eines festen Scratchers (!) die Ausnahmestellung der Norweger im experimentellen Düster(rock)bereich, die manchmal schon fast elitäre Züge anzunehmen beginnt. Anfangs mit fünf Musikern auf der Bühne stehend (Gitarrist, Bassist, Keyboarder, Scratcher und Drummer), entwickelte sich die Formation schließlich zum Achter mit einem zweiten Gitarristen, einer Sängerin (die bedarfsweise die wunderbare Kari Rueslatten aus den Anfangstagen imitieren, aber auch eigenständig in eher mittleren Tonlagen singen konnte) und einem Sänger (kann es sein, daß ich den letztes Jahr schon bei Tristania gesehen habe???). The Third And The Mortal bauten gigantische Soundwälle auf, die nur in den angesprochenen Elektronikpassagen zu bröckeln begannen, die durch ebendiese Elektronik aber auch etwas von der romantisch-eskapistischen Atmosphäre eines Meisteralbums wie "Tears Laid In Earth" (das man im Set netterweise nicht vergessen hatte, obwohl es schon acht Jahre alt ist) einbüßten. Zudem krankte die Multimedia-Abteilung unter der niedrigen Hallendecke, denn die Filmsequenzen landeten nur zum Teil auf der Leinwand hinter der Bühne, zum anderen Teil aber auf den Rücken der Anwesenden. Die angesprochene Grundspannung wurde offenbar nicht von allen Anwesenden rekognosziert, denn der hintere Teil des Auditoriums leerte sich während des Gigs doch beträchtlich. Unter Berücksichtigung der angesprochenen Wermutstropfen bleibt aber immer noch ein recht beeindruckender Gig der Norweger übrig, die die Zugabe in einen völligen Lärmwall überleiteten (der Sänger und die Violinistin von Ewigheim hätten trotzdem nicht nochmal auf die Bühne kommen müssen - dankenswerterweise hörte man sie so gut wie nicht heraus) und nur vergaßen, daß so etwas über mehrere Minuten hinweg und zudem bei immer weiter zunehmender Lautstärke (welche die ohne Ohrstöpsel angetretene Fraktion größtenteils in die Flucht schlug) nachts um 1.00 Uhr irgendwann nur noch nervt. Das haben Anathema anno 1994 in Chemnitz nach dem finalen "Welcome To Hell" sauberer hinbekommen. Avantgarde hin oder her - man muß nicht alles ausreizen, was physikalisch geht. Somit waren völlig unerwartet The Loveless denkbar knapp vor The Third And The Mortal die Sieger dieses Abends.



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