www.Crossover-agm.de THE PROVENANCE: 25th Hour; Bleeding
von rls

THE PROVENANCE: 25th Hour; Bleeding   (Scarlet Records)

Sollte irgend jemand unter der Leserschaft auf die deutsche Band Solar Spine stehen, dann braucht er nicht weiterzulesen, sondern kann sich direkt in den nächsten Plattenladen begeben und "25th Hour; Bleeding" erwerben - er wird den Kauf nicht bereuen, sofern er mit dem bedeutend abwechslungsreicheren Gesang bei The Provenance kein Problem hat. Nicht nur, daß The Provenance mit Emma Hellstrom weibliche Unterstützung am Mikro haben, auch Tobias Martinsson geht nur selten so gothic-dunkel-klar zu Werke wie sein Kollege bei Solar Spine, sondern brüllt oder kreischt auch mal heftig los, ohne damit allerdings die Stimmung der Songs niederzuschreien. Den Vergleich mit Solar Spine fordert indes an allererster Stelle die Leadgitarrenarbeit heraus. Man höre einfach mal den zweiten Track vorliegender CD, "For Whom I Bleed", und Solar Spines "They Are Forever" nacheinander. Gemeinsam ist den Schweden und den Deutschen auch das Beharren auf bisweilen leicht verdrehten, aber trotzdem ohne größere Probleme nachzuvollziehenden Songgerüsten, womit im Infotext prompt der beliebte Begriff "progressiv" ausgerufen wird. Und irgendwie sind The Provenance auch "fortschrittlich", denn außer den besagten Solar Spine (von denen ich allerdings auch nicht das komplette Schaffen kenne und es deshalb auch nur partiell zum Vergleich heranziehen kann) fällt mir keine Band ein, mit der man The Provenance von der ersten bis zur letzten Minute in einen Topf werfen könnte. Ein paar wenige Querverbindungen lassen sich nach Holland ziehen, speziell zum aktuellen Schaffen von Orphanage (das allerdings noch gar nicht veröffentlicht war, als diese CD hier eingespielt wurde) in den wenigen heftigeren Passagen. Emma Hellstrom kann außerdem durchaus so singen wie Anneke van Gatheringsbergen, aber sie ist auch zu Sopranlagen im Stile von Vibeke Stene oder zu entrückt wirkendem Fragilgeflüster (höre die ersten Zeilen des Titeltracks) fähig. Zur völlig exotischen Zutat wird Emmas Flötenspiel, das beispielsweise "Shut Down" in Verbindung mit dem rhythmisch exklusiven Unterbau zu einer Art "Jethro Tull spielen Gothic Metal" macht. Wenn Jethro Tull aber Gothic Metal spielen, dann können Deep Purple da nicht nachstehen - also liehen sie den Schweden (und den Norwegern Valhall, von denen ich aber schon länger kein Lebenszeichen mehr zu hören bekommen habe) einen Satz Hammondgeorgel, aus dem sich Emma im Titeltrack reichlich bedient hat. Tobias Martinsson (voc, g), Joakim Rosén (g), Jonnie Tall (b) und Joel Lindell (dr) sorgen allerdings mit Vehemenz dafür, daß hier keine Progrockcombo werkelt, sondern eine Band, deren Stilbeschreibung mit Progressive Gothic Metal in ebensolchem Grade zutreffend (das angesprochene Stilkonglomerat) wie unzutreffend (die damit einhergehende Limitierung des Schaffens von The Provenance auf ebendiese beiden metallischen Subgenres) ist. Songtitel wie "Frequencynic" lassen auch in den Lyrics das Vermeiden oberflächlicher Klischees vermuten (was angesichts des nicht vorliegenden Textblattes im unsicheren Stadium haften bleiben muß) - der zugehörige Song darf als Anspieltip für die CD gelten, da er mehr oder weniger alle Elemente des Schaffens von The Provenance beinhaltet. Ich könnte aber auch problemlos an seine Stelle andere der insgesamt neun Titel setzen - keiner bricht entscheidend aus dem Rahmen aus, was ob des hohen Abwechslungsreichtums innerhalb der Tracks selbst und des eigenen progressiven Anspruchs aber auch alles andere als ein Muß darstellt. The Provenance übertreiben den progressiven Anspruch wiederum nicht so, daß sie in Proggiekreisen sehr beliebte überlange Songmonster erschaffen - nur zweimal überschreiten sie die Marke von 4:59 min nach oben. "25th Hour; Bleeding" ist eine CD, die einem nach spätestens zwei Durchläufen wie ein alter Freund vorkommt, bei der man aber auch nach dem 20. Durchlauf noch Bauklötze staunt, welche Detailfülle in diesem Werk enthalten ist. Wer der von vielen Seiten vorgebrachten und partiell auch zutreffenden Klage über die fortschreitende Einförmigkeit des Gothic Metal entgehen will, wer Evergrey die deutlich in Richtung Dream Theater ausgerichtete Entwicklung etwas übelnimmt oder wer einfach nur eine erstklassige Progressive Gothic Metal-CD besitzen möchte, der greife bei dem Klassewerk "25th Hour; Bleeding" schleunigst ins Regal des nächsten gutsortierten Tonträgerfachgeschäftes.
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