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POWERSURGE: Eye Of The Storm
von rls

POWERSURGE: Eye Of The Storm   (Battle Cry Records)

Die Traditionsmetaller Powersurge legten in der reichlichen halben Dekade ihres Bestehens eine äußerst eigenartige Produktivität an den Tag. Sie mieteten sich immer dann im Morrisound Studio (in ihrer floridanischen Heimat gelegen und damals noch keineswegs als Death Metal-Mekka bekannt) ein, wenn gerade keine andere Band zugegen war, und zimmerten über die Jahre hinweg (um genau zu sein: 1986 und 1989) insgesamt 37 Songs ein, von denen in dieser Form aber lediglich vier das Licht der Welt erblicken sollten, nämlich auf dem 1986er Demo "Elements Of Metal", von dem es außer 3000 Tapes auch eine limitierte CD-Auflage gegeben haben soll. Diese vier Songs ("Eye Of The Storm", "Busted", das Instrumental "The Stalk" und "Wholesome Americans") müssen also folglich aus der 1986er Session entsprungen sein. Zwei Songs dieser Session wurden im gleichen Jahr noch einmal auf 24 Spuren neu eingespielt, nämlich "Wall Of Power" und "Tear Up The Pavement"; sie ergänzten das Demo zu seiner endgültigen Sechstrack-Form. Von den bis 1989 vorliegenden 37 Songs fanden insgesamt 10 eine weitere Neueinspielung und landeten auf dem 1991er selbstbetitelten Debütalbum der Band, das auch das einzige offizielle Lebenszeichen Powersurges bleiben sollte und immerhin von Roadrunner herausgebracht wurde, also einem nicht gerade kleinen Label. Die Platte verkaufte sich eher mäßig (immerhin war gerade der Grunge am Explodieren, und da standen die Zeichen für traditionellen Metal in Amerika eher schlecht, auch in Europa geriet diese Sorte Musik etwas ins Abseits, blieb aber immer noch halbwegs präsent, auch wenn konsequente Modernisten das nicht so richtig wahrhaben wollten), und Powersurge stellten einige Zeit darauf ihre Aktivität en. Das könnte das Ende dieses Kapitels bedeuten, wenn es da nicht diesen konservierten Songfundus in den Archiven von Bassist Todd Dyer gegeben hätte, auf den der Eintrag im US-Metal-Lexikon Vol. 3 explizit hinwies und der eines Tages, als die Zeiten für traditionellen Metal wieder rosiger aussahen, auch wieder in den Fokus geraten sollte und nun zum größten Teil auf zwei CDs aus dem Hause Battle Cry Records vorliegt - also immerhin schon mal doppelt so viele Tonträger, als die Band während ihrer Aktivität labelgestützt herausbrachte (über O.P.M. Records ist außerdem noch weiteres Material erhältlich). Battle Cry stehen ja nun nicht unbedingt in dem Ruf, die größten Geldschneider der Szene zu sein, nichtsdestotrotz taucht natürlich sofort die Frage auf, warum man hier keine Doppel-CD herausbrachte, sondern zwei einzelne, zumal das Material erstens explizit zusammengehört und zweitens nicht mal nach den Sessions 1986 und 1989 unterschieden worden zu sein scheint, denn die 1986er ergab 18 Songs, auf der mit der Entstehungszeit "1986" gekennzeichneten "Eye Of The Storm"-CD stehen aber 19 Songs. Auch das Booklet hilft hier nicht weiter, und so ist man auf strukturelle Mutmaßungen angewiesen. Die oben genannten vier nicht neu eingespielten Demotracks stehen an den Positionen 13 bis 16 (mit einem leichten, aber wahrnehmbaren Soundbreak zwischen Track 12 und 13, das vielleicht auf eine unterschiedlich gut erhaltene Archivquelle verweist), danach folgen abermals mit einem leichten, aber wahrnehmbaren Soundbreak "Tear Up The Pavement" und "Wall Of Power", so daß zu vermuten ist, daß diese beiden Songs nicht in ihrer Urfassung, sondern den 24-Spur-Neueinspielungen hier verewigt wurden. Das hieße, daß die Tracks 13 bis 18 das komplette "Elements Of Metal"-Demo enthalten. "Burning Revenge" an Position 19 wiederum unterscheidet sich soundlich abermals ein klein wenig von "Wall Of Power", so daß hier möglicherweise der Beginn der 1989er Session zu suchen ist, deren Rest dann auf der zweiten CD "Aftermath" zu stehen kam, wobei deren Quasi-Titeltrack "Club Aftermath" paradoxerweise aber schon auf "Eye Of The Storm" zu finden ist. So ganz durchsichtig ist die Lage also nicht - die Erörterung soll im bei einem der nächsten Updates folgenden "Aftermath"-Review fortgesetzt werden (Trommelexperten können ihre Erkundung auch schon aus stilistischer Hinsicht fortführen, denn 1986 trommelte noch Hal Loo, ab 1989 aber Rudy Goryance). Eine nach dem Niederschreiben dieser Vermutung gestartete Nachfrage bei Todd (noch gespeist durch das Faktum, daß zum Reviewzeitpunkt auf der Powersurge-Homepage von der vor mir liegenden CD abweichende Tracklisten zu finden waren) brachte allerdings Klarheit in die Lage - und sie ist tatsächlich genau wie in der Vermutung beschrieben, während die Homepage-Tracklisten noch einen Entwurf aus der Planungszeit der beiden Battle Cry-CDs darstellen. Widmet man sich dagegen der Musik, so kann man gleich deutlichere Erkenntnisse gewinnen. Powersurge erwiesen sich als getreue Kinder ihrer Entstehungszeit 1985 und ihrer amerikanischen Heimat, spielten also typischen US-Metal, der einerseits auf europäische Klassiker zurückgriff (man höre sich nur mal das Intro von "Push You" an - hier wartet man förmlich darauf, daß Paul Di'Anno zu singen beginnt und Steve Harris einen Baßlauf einbringt), andererseits aber durchaus seine eigenen Stilmittel einbrachte, also beispielsweise den phasenweise sehr hohen, aber trotzdem noch powervollen Gesang (im Falle Powersurges stand mit James Marra ein absoluter Könner am Mikro, der Vergleiche mit James Rivera nicht scheuen mußte, später als Bassist noch in diversen Death Metal-Bands agierte und bei dem es ein großes Rätsel bleibt, warum der quasi in der floridanischen Nachbarschaft lebende Jon Schaffer nicht ihn rekrutierte, als er Anfang der 90er Jahre zweimal den Posten am Iced Earth-Mikro umbesetzen und beim zweiten Mal gar auf die Verlegenheitslösung Matthew Barlow zurückgreifen mußte, von dem anfangs noch keiner ahnen konnte, zu was für einer Bandstütze er sich in den 90ern entwickeln sollte) und auch das bisweilen recht breaklastige Agieren, was etwa einen Song wie "The Spins" durchaus in die Helstar-Nähe rückt. Wenn 19 Songs auf 74 Minuten passen, spricht das für eine eher basische Arrangementstruktur ohne Neigung zu ausladenden Epen, was Powersurge beispielsweise von Iced Earth unterscheidet, obwohl es in der musikalischen Gestaltung durchaus Parallelen gibt - man höre sich nur mal den Mittelteil von "Eye Of The Storm" an. Deutlich weniger Spuren hinterlassen haben dagegen die floridanischen Power Metal-Urväter Savatage, obwohl Powersurge etliche Male mit ihnen die Bühne teilten - Powersurge arbeiteten durchgängig mit zwei Gitarren und ließen die Keyboards komplett außen vor, ebenso die klassischen Einflüsse. So entstand ein etwas rauheres Soundgewand (das in der Savatage-Geschichte wenn, dann allenfalls Parallelen zu den Frühwerken wie "Power Of The Night" zuläßt), resultierend auch aus dem Umstand, daß die Sessions in den Morrisound-Studios immer komplett live mitgeschnitten wurden, hier also keine großartigen Overdubs, Spurergänzungen etc. mehr stattgefunden haben. Das liebt der Wert auf Echtheit legende Traditionsmetalfreund natürlich, und Powersurge bescheren ihm mit dieser Veröffentlichung sicherlich die eine oder andere Freudenträne, wenngleich festzuhalten bleibt, daß zwar kein Song einen hohen Qualitätsstandard unterschreitet, aber andererseits absolute Übersongs auch abwesend bleiben. So hakt sich beim Hören paradoxerweise das Instrumental "The Stalk" am ehesten im Langzeitgedächtnis fest, eben weil es sich durch den fehlenden Gesang am stärksten vom Rest des Materials unterscheidet (aber auch weil es in der Tat ein sehr starkes Stück Musik ist, bei dem Todd Boese und Eddie Rice phantasievolle Leads in die Menge schleudern). Das sollte aber niemanden davon abhalten, sich "Eye Of The Storm" (dessen Booklet ein Interview mit Todd Dyer sowie alle Texte enthält) ins Regal zu stellen, sofern er typisch amerikanischen Traditionsmetal liebt, und wer das 1991er Album schon besitzt und liebt, kommt um einen Erwerb sowieso nicht herum.
Kontakt: www.battlecryrecords.de, www.powersurgemusic.com

Tracklist:
Targeted For Termination
The Bus
Death
Club Aftermath
The Spins
Rat Racing
Drunk And Disorderly
Who Is Lord
Wrecking Crew
Push You
Lightening
Life's A Bitch
Eye Of The Storm
Busted
The Stalk
Wholesome Americans
Tear Up The Pavement
Wall Of Power
Burning Revenge



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