www.Crossover-agm.de POWER UNIT: Time-Chaser
von rls

POWER UNIT: Time-Chaser   (Karthago Records)

Bums Records (oder auch Büms Records geschrieben) hatten in den Achtzigern durchaus ein feines Näschen für interessante Metalbands, auch wenn man das bei ihrem Namen nicht zwingend vermuten würde. So sicherten sie sich auch die Dienste von Power Unit, einer 1988 an der schwedischen Westküste gegründeten Band, die im Folgejahr bei einem schwedischen Rockwettbewerb siegte und eben dadurch die Aufmerksamkeit von Bums-Chef Kim Meinert erregte. Dieser schickte das Quintett in ein dänisches Studio, um zehn Songs für das Debütalbum "Time-Chaser" einzuspielen, und veröffentlichte ebenjenes mit einem allerdings etwas arg merkwürdigen Coverartwork. In Verbindung mit den Faktoren, daß erstens die Zeiten für traditionell orientierten melodischen Metal um die Jahrzehntwende schon arg schwierig zu werden begannen, zweitens Power Unit zwar solide bis gutklassig werkelten, aber der geniale Aspekt etwas zu kurz kam und drittens auch innerhalb der Band Unstimmigkeiten über den einzuschlagenden Weg aufkamen, ergab sich die Situation, daß Power Unit auf Dauer nichts reißen konnten; sie spielten noch zwei Demotracks ein und verschwanden dann auf dem Bandfriedhof, von dem sie aktuell temporär durch die Wiederveröffentlichung von "Time-Chaser" im Rahmen der "Heavy Metal Classics"-Serie des Karthago-Labels exhumiert wurden; der Rezensent besitzt witzigerweise genau Exemplar Nr. 250 der 500er Auflage.
Bevor Schweden-Metal-Kenner erst fragen: Die Truppe hat weder etwas mit den Stockholmer Hardrockern Power noch mit den Landsleuten und Progmetallern U.N.IT, deren Einzling "Dreamdance" schon im letzten Jahrtausend beim CrossOver rezensiert worden war, zu tun. Beim Blick in die Besetzungsliste auf dem im Booklet abgebildeten Backcover der Original-LP fällt einem aber der Name des Gitarristen Johannes Losbeck ins Ausge - und siehe da, es ist in der Tat der gleiche Mensch, der später bei Wolf spielen sollte und außerdem gemeinsam mit Drummer Jonny Edvardsson bei Seventh One werkelte. Hier, anno 1990, ist Losbeck noch blutjung und "nur" für die Rhythmusgitarrenarbeit zuständig, mit Ausnahme von "Lost Paradise", wo er das zweite Solo spielen darf. Selbiger Song fällt noch durch einen anderen Aspekt auf: Es handelt sich nicht um eine Eigenkomposition, sondern um eine Coverversion eines gewissen Peo Björk, während ansonsten Leadgitarrist Hendrik Andersson als Hauptsongwriter von Power Unit agierte, bisweilen auch im Verein mit Losbeck oder mit Sänger Yngve Edvardsson, sicherlich der Bruder des Drummers. Selbiger Sänger macht seine Sache mit einer im besten Sinne als normal zu bezeichnenden Stimme durchaus nicht schlecht, aber für dauerhaftes größeres Echo dürfte er schlicht und einfach zu normal gewesen sein, und auch die anderen Komponenten rissen durchaus keine Bäume aus, obwohl alles wie erwähnt als solide bis gutklassig einzustufen war. Interessanterweise besaßen Power Unit keinen Keyboarder, eiferten also nicht den Landsleuten Europe nach, sondern spielten relativ geradlinigen Melodic Metal an der Grenze zum Hardrock, die in einigen Momenten, etwa bei "Love At First Sight", durchaus auch überschritten wird, so daß sich als klassisch zu bezeichnender Melodic Rock ergibt. Daß das Intro des eröffnenden Titeltracks einen kurzen Moment nach Kiss klingt, dürfte zwar Zufall sein, aber Kiss-Anhänger dürfen durchaus mal in die Scheibe reinhören - sie werden möglicherweise daran Gefallen finden. Die in den Liner Notes angesprochenen Parallelen zu Heavy Load bleiben hingegen eher marginal - der Epic-Faktor ist bei Power Unit deutlich schwächer ausgeprägt und selbst ein knapper Sechsminüter wie "What The Future Will Bring" relativ geradlinig inszeniert. Dafür überrascht "Tonight's The Night" mit kurzen Drumverschiebungen, die dem Rhythmus an diesen Stellen etwas Tangoartiges verleihen, und einer ähnlich kurzen zweistimmigen Gitarrenpassage, wie sie ein halbes Jahrzehnt später umfangreichen Einsatz bei schwedischen Metalbands der extremeren Sorte finden sollte, von denen auffälligerweise viele aus der Göteborger Ecke kamen, wo auch die zu diesem Zeitpunkt schon so gut wie verblichenen Power Unit ihre Zelte aufgeschlagen hatten. Und auch besagter Johannes Losbeck gründete bald mit seinem Bruder Alex (Gesang, Baß) eine Melodic-Death-Band, nämlich Decameron, deren Zweitgitarrist Johan Norman wiederum später zu Dissection wechseln sollte. So zeigte sich auch hier wieder der hohe Vernetzungsgrad der schwedischen Metalszene, wobei allerdings gerade die beiden Hauptfiguren Power Units, nämlich Sänger Edvardsson und Gitarrist Andersson, mit dem Ende der Band in der musikalischen Versenkung verschwinden sollten. Zumindest bei letzterem ist das durchaus schade, denn der beste Song der Scheibe, das ruhige Instrumentalstück "Broken Dreams", zeigt ihn sowohl kompositorisch als auch spielerisch in großer Form, und es ist schade, daß das Stück nach Minute vier etwas lieblos ausgeblendet wird. Am anderen Ende des Tempospektrums steht übrigens "Holy War", einer der beiden von Losbeck mitgeschriebenen Songs, aber auch er verbleibt in eher gemäßigten Gefilden, deutet allerdings schon leicht in die progressivere Richtung, die auch das folgende "Killer In Disguise" (der andere von ihm mitgeschriebene Track) einschlägt und in Verbindung mit den bereits erwähnten "Broken Dreams" und "Tonight's The Night" (das sind die hinteren vier Songs der B-Seite) das originale Album doch etwas anders enden läßt, als man nach dem Anhören der A-Seite und auch noch des B-Seiten-Openers "Avelone" (mal eine originelle Schreibweise ...) vermutet hätte. Möglicherweise machen sich hier die bereits eingangs erwähnten unterschiedlichen Interessenlagen der Bandmitglieder bemerkbar, was dann in den beiden Bonustracks noch einen stärkeren Ausdruck findet - als solche dienen die beiden ebenfalls bereits erwähnten letzten Demotracks "Mercenaries Parade" und das knapp siebenminütige "Worlds Requiem", und in diesen Songs ist die Tempo- und Rhythmuswechseldichte nochmal ein gutes Stück angestiegen, so daß Power Unit auf dem Weg zum Progmetal gewesen wären, hätten sie in dieser Richtung weitergemacht, wozu es dann aber nicht mehr kommen sollte. In welcher Besetzung diese beiden Songs aufgenommen worden sind, verrät das Booklet (das mit eher knappen Liner Notes, Songtexten und diversen historischen Fotos ausgestattet ist) nicht - aber wer das Schaffen von Seventh One kennt, der sollte den logischen Weg von Power Unit zu ebenjenen durchaus zu erkennen imstande sein, während die NWoBHM-Einflüsse, die man später bei Wolf findet, hier noch nicht zutagetreten. Schweden-Traditions-Sammler greifen bei den 56 Minuten des Re-Releases bedenkenlos zu, alle anderen hören je nach Vorliebe in die ersten oder die letzten sechs Songs rein.
Kontakt: www.karthagorecords.de

Tracklist:
Time-Chaser
Mystery
Love At First Sight
Lost Paradise
What The Future Will Bring
Avelone
Tonight's The Night
Holy War
Killer In Disguise
Broken Dreams
Mercenaries Parade
Worlds Requiem



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