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von rls

POLTERGEIST: Back To Haunt   (Pure Steel Records)

Nachdem Metallica mit "Master Of Puppets" den Weg zu einer deutlich komplexeren Variante des Thrash Metal gewiesen hatten (auch wenn sie ihn selbst dann nicht weiterverfolgten), machten sich zahlreiche Bands auf, diesen Weg zu beschreiten, was dann in den Spätachtzigern zur Benennung der spieltechnisch besonders anspruchsvoll und kompliziert zu Werke gehenden als Techno Thrash führte - die Ungunst dieser Bezeichnung erwies sich kurze Zeit später, als in der elektronischen Tanzmusik das Techno-Genre nach oben gespült wurde. Das Gros der Techno-Thrash-Bands verschwand allerdings spätestens in den frühen Neunzigern wieder von der Bildfläche, was auch auf die Schweizer Poltergeist zutraf, die sich aus einer Band namens Carrion entwickelt hatten und unter ihrem neuen Namen bei Century Media unterkamen, dem Label von Robert Kampf, der vordem selbst am Mikrofon einer bedeutenden Techno-Thrash-Band, nämlich Despair, gestanden hatte. Das selbstbetitelte Poltergeist-Debüt und der Zweitling "Behind My Mask" erschienen bei diesem Label, der ungewollt programmatisch betitelte Drittling "Nothing Lasts Forever" bei einer Schweizer Mini-Firma, und danach wurde sein Titel zum zweiten Mal Wirklichkeit. Das erste Mal betraf den Stil der Band, die sich auf besagter Scheibe vom Thrash weg und zum Power Metal hin bewegte, und das zweite Mal läßt sich auf die Bandkarriere beziehen: Chefdenker/Gitarrist V.O. Pulver löste Poltergeist nach dem dritten Album auf und wechselte wie viele andere Musiker zu dieser Zeit ins moderne Groove-Thrash-Lager, wofür er allerdings nicht den alten Bandnamen weiterbenutzte, sondern unter dem Namen Gurd noch einmal von neuem begann. Auch Gurd aber kamen langfristig nie richtig auf einen grünen Zweig, und so wurde der Titel des Drittlings ein weiteres Mal Wirklichkeit: Die Poltergeist-lose Zeit dauerte ebenfalls nicht ewig, sondern "nur" von 1994 bis 2013, denn in jenem Jahr tat sich eine neue Poltergeist-Besetzung zusammen, die nun den abermals programmatisch, aber diesmal wohl planmäßig so betitelten Viertling "Back To Haunt" vorlegt.
Drei Fünftel der alten Besetzung waren zunächst an der Reunion beteiligt, aber Bassist Marek Felis ist zwischenzeitlich durch Ralf Winzer Garcia (dem Schweizer Szenekenner u.a. von den Death Metallern Requiem ein Begriff) ersetzt worden, so daß von den Alten noch Sänger André Grieder und natürlich V.O. Pulver übrig sind. Letzterer hat mit Chasper Wanner einen Jungspund als Zweitgitarrist an seiner Seite, der in seiner Danksagung im Booklet Pulver als großen musikalischen Einfluß würdigt, so daß es nicht verwundert, daß die vier von ihm komponierten Songs des neuen Albums stilistisch absolut nicht von den sechs Beiträgen Pulvers zu unterscheiden sind, sich ergo ein sehr homogenes Gesamtbild ergibt. Selbiges liegt in einer imaginären Schnittmenge zwischen den ersten beiden und dem dritten Album, allerdings näher an den Frühwerken: Zwar reproduzieren Poltergeist die Komplexität nicht ganz in diesem Grad, aber sie machen deutlich mehr Tempo als auf dem Drittling, auch wenn sie durchaus um den Variabilitätsfaktor eingestreuter Midtempoparts in sonst relativ schnellen Kompositionen wissen und dieses Stilmittel durchaus oft und gern anwenden. Am Drumkit finden wir übrigens noch einen alten Bekannten, nämlich Sven Vormann, der einstmals bei Destruction aktiv war, zu denen Poltergeist bekanntlich ein ganz spezielles Verhältnis pflegten, das bis zu dem Fakt reichte, daß Grieder als Gast das ungewöhnlichste (und beste, klischeefreieste) Destruction-Album "Cracked Brain" einsang, nachdem diese ihren eigentlichen Kopf Marcel "Schmier" Schirmer rausgeworfen hatten. Im Vergleich zur damaligen Zeit singt Grieder mittlerweile viel tiefer - die spitzen Schreie gehören komplett der Vergangenheit an, und selbst die größten Höhenlagen, die ihm auf dem Album Wanner in "Faith Is Gone" abverlangt, liegen weit unter dem, was man auf früheren Poltergeist-Alben zu hören bekam. Wer die Band früher nur deshalb nicht mochte, weil er mit dem Gesang nicht klarkam, der könnte "Back To Haunt" daher durchaus in sein Herz schließen und darf sich noch aussuchen, ob er als Anspieltip lieber eine powermetallischere Nummer wie "The Pillars Of Creation" oder etwas Flotteres wie "Gone And Forgotten" hören möchte. Man kann natürlich auch vorn mit dem Titeltrack beginnen und wird entdecken, daß dessen Refrainstruktur einen kleinen Anklang an Destructions "The Butcher Strikes Back" beinhaltet. Zufall? Vermutlich nicht. Freilich macht dieses Detail den Titeltrack auch zum markantesten der insgesamt zehn Songs, denn genreimmanent hatten schon die früheren Techno-Thrash-Bands eher wenig markante Einzelsongs auf ihre Alben gepackt, sondern sich entweder auf die Detailarbeit oder aber auf die Wirkung des Albums als Gesamtwerk konzentriert, und das ist in den knapp 53 Minuten von "Back To Haunt" auch nicht wesentlich anders. Das etwas schwerfällige "Flee From Today", das dann freilich doch noch in einem Speedsolo kulminiert (dadurch aber auch ein Stück seiner Eigenständigkeit einbüßt), das sehr vielschichtige "Shell Beach" und das siebenminütige Abschlußepos "Beyond The Realms Of Time" fallen strukturell noch am stärksten auf, wobei letzteres die einzige Albumnummer ist, die mit Akustikgitarren arbeitet, und im Hauptteil doppelläufige Gitarren einbaut, die ganz entfernt an Iron Maiden erinnern. Stellt es einen Zufall dar, daß diese Stücke die drei letzten des Albums sind? Schwer zu sagen. Spiel- wie soundtechnisch erfüllt die Band natürlich alle Erwartungen, auch Grieder singt in seinem neuen Bereich sicher und zugleich ausdrucksstark, und so können sich Poltergeist ein zweifellos gelungenes Comebackwerk zuguteschreiben, das für alle Altfans ein gefundenes Fressen darstellt (es sei denn, sie sind ausschließlich auf Grieders Sirenengesang fixiert gewesen, denn den gibt es wie beschrieben hier nicht), für Folgewerke allerdings durchaus noch Luft nach oben läßt, was auch für das eher mäßige Coverartwork zutrifft.
Kontakt: www.poltergeistmetal.com, www.puresteel-records.com

Tracklist:
Back To Haunt
Gone And Forgotten
Patterns In The Sky
And So It Has Begun
When The Ships Arrive
The Pillars Of Creation
Faith Is Gone
Flee From Today
Shell Beach
Beyond The Realms Of Time
 




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