www.Crossover-agm.de PHENIX: Immortal Flame
von rls

PHENIX: Immortal Flame   (Brennus)

Frankreich verfügt, wie der Kenner weiß, über eine lange Tradition im Feld des anspruchsvollen melodischen Power Metals, und deren Vertreter waren zwar nie besonders zahlreich, aber dafür fast ausnahmslos von hoher Qualität. Das Erbe von Achtziger-Veteranen wie Sortilege oder ADX retteten Bands wie Dyslesia oder die völlig unterschätzten Dream Child durch die Neunziger, und Phenix erweisen sich als ein würdiger Vertreter dieser Stilistik in der Gegenwart. Dabei bedient sich Alleintexter/Sänger Bertrand Gramond allerdings ausschließlich der englischen Sprache (das hatten manche der Vorgänger anders gehandhabt und auch auf ihr heimatliches Idiom zurückgegriffen), wobei ein gewisser Akzent in der Aussprache unverkennbar ist. Als stimmliches Vorbild für ihn ist Bruce Dickinson unverkennbar, allerdings auch deutlich unterscheidbar, um nicht als Kopist benannt werden zu müssen; Brian Rich (Narita) taugt ebenfalls als Vergleich, wenn sich denn noch jemand an deren Debütalbum erinnern sollte, und von dort ist es natürlich auch nicht weit bis zu Jackal, bei denen dieser Mann ebenfalls sang. Daß sich dann auch in der instrumentalen Komponente der eine oder andere Vergleich zu Iron Maiden herauskristallisiert, sollte nicht weiter verwundern - man nehme als Exempel mal den Mittelteil von "Mother" her oder höre genau auf die Baßarbeit von Anthony Phelippeau, die Kuba Popiela und Szymon Piotrowski im Krakauer Psychosound Studio, die für die komplette audiotechnische Seite verantwortlich waren, allerdings überwiegend so weit in den Hintergrund gestellt haben, wie es Steve Harris niemals zugelassen hätte. Die polnisch-französische Freundschaft trug auch noch auf optischer Seite Früchte, denn Jowita Kaminska war diesbezüglich beteiligt. Labelseitig wiederum ist das französische Quintett im eigenen Lande verblieben, und Brennus haben hier durchaus einen guten Fang gemacht: "Immortal Flame" ist kein Klassikeralbum, aber ein sehr guter Vertreter seiner Sparte. Strukturell wie qualitativ sticht die zentrale Tetralogie "The Third Crusade" mit knapp 17 Minuten Spielzeit heraus, die eigenartigerweise in der Tracklist außen auf dem Inlay nicht mal gesondert gekennzeichnet, sondern erst im Booklet als solche ausgewiesen ist (das Inlay nennt die Namen der einzelnen Teile so, als wären es Einzelsongs). Und hier findet sich mit dem balladesken ersten Teil "Duty And Regrets" dann ein heraushebenswertes Meisterstück, wozu neben der entrückten Gitarrenarbeit vor allem der berührende Gesang Gramonds beiträgt. Die anderen Teile, die wieder in den gewohnten powernden Gestus zurückfallen, stehen diesem nicht nach - in "Rising..." etwa hört man das Heer der Kreuzfahrer förmlich durch die Lande marschieren, und das abschließende "Fading To Grey" fällt wieder in den halbballadesken Gestus zurück, ihn diesmal aber noch mit leicht orientalisch anmutender Melodik und ebensolchen Percussioneinwürfen anreichernd. Und wen die zweistimmige Vokalpassage um Minute 2 nicht an Maiden mit Dickinson erinnert, der hat offenbar noch nie Maiden mit Dickinson gehört - ein typischeres gesangliches Gestaltungsmittel für Maiden mit Dickinson dürfte kaum denkbar sein. Diese Tetralogie hätte sich stilistisch wie qualitativ auf "Powerslave" nicht verstecken müssen und dort neben "Rime Of The Ancient Mariner" eine exzellente Figur abgegeben. Geschrieben hat sie Sebastien Treve, einer der beiden Gitarristen, die sich die komplette Kompositionsarbeit aufgeteilt haben, wobei Treve den größeren Anteil übernommen hat und auch qualitativ meist überzeugender agiert als sein Kollege Laurent Obermeyer. Man nehme als Beispiel mal "The Prophecy" des letzteren her, das irgendwie unentschlossen beginnt und auf alle Fälle Markanz und Wiedererkennungswert des Aufbaus entbehrt, wenngleich wiederum das Hauptsolo zu den besten der ganzen CD gehört. "End Of The Road", eine weitere Obermeyer-Komposition, offenbart ein weiteres Vorbild, das man bisher noch nicht explizit heraushören konnte: Man wäre nicht überrascht, wenn sich aus dem Eröffnungspart "No One Like You" der Scorpions entwickeln würde - man ist dann freilich überrascht, was wirklich kommt: entspannter Akustikrock in den Strophen, ein geschickt verschleppter Powerrefrain, dazu fast sleazige Gitarreneinwürfe im ersten Hauptsolo, und im zweiten Hauptsolo sind die klassischen Frühachtziger-Scorpions dann auch wieder da. Gerade aufgrund seiner stilistischen Andersartigkeit sticht dieser Song hervor und beweist, daß auch Obermeyer exzellente Songwritingeinfälle hat, und sein gitarristisches Können ist eh unbestritten - was die beiden hier abliefern, genügt auch verwöhnten Ansprüchen. Man höre nur mal, wie die Gitarren im Intro des eröffnenden Titelsongs den Hörer förmlich in die Platte hineinzuziehen versuchen! Dabei bewegen sich Phenix über die gesamten 68,5 Minuten des Albums (zwei Minuten Stille und Schlußhumor wurden bereits subtrahiert) hinweg in einem eher überschaubaren Spektrum: Sie agieren in der klassischen Besetzung mit zwei Gitarren, Baß und Schlagzeug, also ohne Keyboards (nur aus der Geräuschekammer wurde ein wenig nachgeholfen, etwa mit den Regensounds für "After The Rain"), und sie bleiben auch temposeitig eher eng gefaßt. Der langsamste Song (die Akustikballade "After The Rain") und der schnellste ("Play My Game") stehen direkt hintereinander, wobei letzterer im Kontext des heutigen Power Metals noch eher gemächlich im oberen Midtempo verbleibt und mit seinem skurrilen Beat am Ende auch noch eines der wenigen ungewöhnlichen Elemente des Albums enthält. Ansonsten gestalten Phenix ausschließlich Altbekanntes, aber das mit einem goldenen Händchen. Neben der Tetralogie wurden übrigens auch andere Songs akustisch verbunden, bei denen man auf den ersten Blick keinen strukturellen Zusammenhang identifizieren kann, etwa "End Of The Road" und "After The Rain" (dort kommt der erwähnte Regen als akustische Verbindung vor) oder gleich zu Albumbeginn "Mother" und das Instrumental "I8U", die durch eine Minute Gitarreneffekte (die sogar als eigenständiger Song fungieren, nämlich mit dem griffigen Titel "BBP180800X", dem im Booklet sogar noch der Untertitel "(wiecej kurwy!)" verliehen wurde) aneinandergefügt wurden. Vielleicht geben die Liner Notes hierzu Auskunft, aber die sind in Französisch abgefaßt, und diese Sprache versteht der Rezensent nach wie vor nicht. Mit dem spannenden epischen Achtminüter "The Never-Ending Journey", den auch Arija hätten schreiben können und in dem Gramond auch mal kurz ein wenig rauher singt, endet ein starkes Album, das den Rezensenten bewogen hat, gleich mal noch auf die Suche nach den der Sammlung bisher noch fehlenden zwei Vorgängeralben zu gehen (eins hat er mittlerweile auch gefunden, nämlich "Wings Of Fire"), wobei der Running Gag auffällt, daß bis auf das "Face The Fate"-Eintrack-Demo von 2001 jeder Titel irgendein feuriges Wort beinhaltete. Es lohnt sich also, immer mal bei www.karthagorecords.de oder anderen Importeuren Ausschau zu halten.
Kontakt: www.phenixmetal.fr.st, www.brennus-music.com

Tracklist:
Immortal Flame
Mother
BBP180800X (wiecej kurwy!)
I8U
The Prophecy
Duty And Regrets (The Third Crusade, Chapter I)
Rising ... (The Third Crusade, Chapter II)
... And Falling (The Third Crusade, Chapter III)
Fading To Grey (The Third Crusade, Chapter IV)
End Of The Road
After The Rain
Play My Game
Any Time
Burning Desire
The Never-Ending Journey
 




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