www.Crossover-agm.de PARANOISE: Private Power
von rls

PARANOISE: Private Power   (Ancient Records)

Mensch, Markus! Da hast Du es aber wirklich geschafft, den schwächsten Track dieser CD auf dem dritten DURP-Sampler zu plazieren. In "Tarana" nämlich wollen der rockige Unterbau und die orientalische Melodieführung so gar nicht miteinander symbiotisch harmonieren, ja, die Melodie wirkt irgendwie aufgesetzt, wie ein Fremdkörper, als sei hier zusammengewachsen, was nicht zusammengehört. Beide Songbestandteile für sich betrachtet sind alles andere als schlecht, aber sie passen ungefähr so gut zusammen wie Sauerkraut und Mon Chéri. Erstaunlicherweise funktionieren die zuhauf vertretenen ähnlichen Kombinationen auf dieser CD aber völlig problemlos. Jim Matus und seine Mitstreiter in der festen Bandbesetzung legen ein rockiges Fundament aus, das allerdings auch schon jenseits der üblichen Konventionen angesiedelt ist und wohl nicht ganz zu Unrecht von einigen Kollegen mit King Crimson verglichen worden ist, auch wenn man genausogut andere Siebziger-Proggies wie Kansas (auch, aber keinesfalls nur wegen dem festen Violinisten Rohan Gregory) oder songdienlich agierende Emerson, Lake & Palmer heranziehen könnte. Dieses Fundament wird dann mit weiträumig angesiedelten Samples angereichert, die zumeist dem orientalisch-arabischen Kulturkreis entstammen, aber auch Elemente, die man nicht ganz so weit im Norden Afrikas anzusiedeln hat, beinhalten. Die beteiligten Künstler tragen Namen wie The Gnoua Brotherhood of Marrakesh, Doudou Ndaiye Rose, Huun-Huur-Tu (dürfte weltweit so ziemlich der einzige Name sein, der als Vokale lediglich fünf Us aufweist) oder Ali Akbar Khan. Ich weiß nicht, ob sie das Songmaterial vorher kannten oder ob Jim Matus (nicht zu verwechseln übrigens mit Jim Matheos von Fates Warning) lediglich passendes Samplematerial für die vorliegenden Kompositionen ausgesucht hat - jedenfalls klingt das entstandene Konglomerat ("Tarana" ausgenommen) wie ein organisch gewachsenes Gesamtkunstwerk, das sozusagen the best of both worlds in einem Korpus vereinigt. Straighte Rockdrums werden plötzlich von nordafrikanischen Trommlern verdrängt, anstelle des mittelhohen Gesanges von Thorne Palmer erklingen auf einmal chantartige Chöre der Master Musicians of Jajouka, und Rohan Gregory sieht sich urplötzlich von einem Didgeridoo in die zweite Reihe gedrängt, darf dafür aber den drei nicht versampelten Songs "Not There", "Constant Fear" und "Mechanical World" seinen Stempel umso intensiver aufdrücken (erstgenannter weist paradoxerweise einen kleinen Touch gen Subway To Sally auf). "Private Power" gerät trotz aller verschiedenartigen Elemente nicht zur selbstgefälligen Übung, sondern bietet einen harmonisch ausbalancierten Arab-Rock-Crossover, von dem sich selbst Avalon, die das auf "Eurasia" (allerdings mit mehr Metal-Schlagseite) beileibe auch nicht schlecht hinbekommen haben, noch 'ne Scheibe abschneiden können. Und das "No Quarter"-Projekt von Jimmy Page und Robert Plant Mitte der 90er könnte zwar als Inspirationsquelle gedient haben (ich kenne die beiden ersten Paranoise-Longplayer "Constant Fear" von 1988 und "Start A New Race" von 1992 nicht), aber Paranoise brauchen auch diesen Vergleich nicht zu scheuen. Sie erheben die Monotonie mitunter zum Stilmittel (so in "Tetrahedral Metaphor"), lassen ihrem übersprudelnden Born der Kreativität aber auch gern in hoher Frequenz seinen Lauf - und bleiben über alledem stets songdienlich. Schlußendlich garnieren sie das 12songige Menü noch mit im politischen Sinne engagierten Lyrics. Da ruft etwa Noah Chomsky im Titeltrack auf, die Macht des Kapitals stärker unter Kontrolle zu nehmen (auch im Booklet abgedruckt, dieses Statement - Michael Parenti geht soziologisch an die gleiche Fragestellung heran). Ob Zivilcourage oder globales Entwicklungshilfeproblem - Engagement und Denkvermögen sind vonnöten, und Paranoise setzen viel daran, eben diese Fähigkeiten beim Zuhörer zu aktivieren. Dies verleiht "Private Power" den Status "Lyrisch wertvoll", und daß das Urteil über den musikalischen Part nicht anders ausfällt, sollte hoffentlich deutlich geworden sein. Wer wenigstens ein ganz kleines bißchen Weltverbessererfeeling in sich trägt, sollte 14,99 $ an Jim Matus, 555 Asylum Avenue, Studio 402, Hartford, CT 06105, USA, auf den Weg bringen oder sich vorher mal auf www.paranoise.com umschauen.




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