www.Crossover-agm.de OSSIAN: A Szabadság Fantomja
von rls

OSSIAN: A Szabadság Fantomja   (Hammer Records)

Folgen Ossian auch diesmal wieder ihrer "Regel", den stärksten Track zum Titelsong ihres jeweils neuen Albums zu machen? Der Höreindruck bestätigt: Sie haben es wieder einmal geschafft, wenngleich unter leicht veränderten Vorzeichen. Beim großartigen Intro "Múlt És Jovö Határán", diesmal von Gitarrist Richard Rubcsics geschrieben, ist noch alles beim alten, aber dann springt einen der Titelsong an wie das offensichtlich seinen Namen verliehen habende Phantom, und das in doppelter Hinsicht. Erstens haben Ossian mit diesem Song einen ihrer schnellsten überhaupt geschrieben (wenn wir uns an das Vorgängeralbum "Tüzkeresztség" erinnern: Dort gingen sie nicht über treibendes, unter der Speedgrenze liegendes Material hinaus), und damit das auch gleich jeder merkt, ist der Song mit einem sehr weit im Vordergrund stehenden Schlagzeug produziert worden. Letztgenannter Fakt soll im wesentlichen über die gesamte Laufzeit des Albums erhalten bleiben - nicht daß er irgendwie stören würde, aber die deutliche Indenvordergrundstellung fällt vor allem im Direktvergleich mit dem Vorgängeralbum (dort waren die Drums erstens relativ weit im Hintergrund angesiedelt und zweitens auch noch etwas zu steril in Szene gesetzt) doch auf, und sie findet zumindest für den Nichtungarischkenner keine explizite Begründung. Mit dem nächsten Song "Számvetés" begeben sich Ossian aber wieder in die von ihnen gewohnten Power Metal-Gefilde mittlerer Tempolagen zurück (dafür weist hier die Soloarbeit einen kleinen orientalischen Einfluß auf), "Fortuna Csókja" an nächster Setposition beweist, daß sie auch den geschickten Einbau von Akustikgitarrenpassagen nicht verlernt haben, "Az Újrakezdés Súlya" setzt den Reigen mit einer Halbballade fort, deren Einleitung ein wenig an Grave Digger-Balladen der Neuzeit erinnert (auch stimmliche Parallelen zwischen Endre Paksi und dem clean singenden Chris Boltendahl lassen sich nicht ganz von der Hand weisen) - aber auch der Speed soll im weiteren Verlaufe des Albums wieder zurückkehren, am augenfälligsten im furiosen Instrumentalstück "Sodrásban" und im gleich darauf folgenden "Botrány-Gyár", die das reguläre Album abschließen, aber auch in "Metal-Vihar", das nach der Halbballade einen wirkungsvollen energischen und zupackenden Kontrapunkt setzt, wenn man den irgendwie unentschlossen wirkenden Einleitungspart mal ausklammert. Das allgemeine Spektrum der 13 regulären Songs wird damit also ein wenig weiter außen begrenzt als auf dem Albumvorgänger, aber das macht "A Szabadság Fantomja" noch vielschichtiger und trotzdem nicht zerfaserter als "Tüzkeresztség", mit dem sie immerhin einen kleinen Power Metal-Klassiker der Neuzeit geschrieben haben, was in Mitteleuropa halt nur fast niemand mitbekommen hat, da Ossian-Alben hier nicht regulär veröffentlicht werden und die Sprachbarriere einen weiteren Hemmnisfaktor ins Gefecht führt (hier kann man sich nicht mal als Russischkenner auf die deutlich feststellbare Verwandschaft der slawischen Sprachen - das Review wird hier gerade in Bosnien-Herzegowina eingetippt, wo man mit Russisch ganz gut durchkommt - verlassen, denn Ungarisch ist bekanntlich keine slawische, sondern eine finno-ugrische Sprache und damit in Europa am nächsten mit dem für den gemeinen Mitteleuropäer auch kaum entschlüsselbaren Finnisch verwandt). Apropos Sprache: Hier stellt man den interessanten Fakt fest, daß Sänger Endre Paksi in "Véren Vett Ország" tatsächlich mal den Part des Lyrikers abgegeben und einen Fremdtext eingesungen hat, wobei die Herkunft und strukturelle Zuordnung von Albert Wass dem Rezensenten nicht bekannt ist. Wie auf dem Vorgängeralbum fällt allerdings auch hier auf, daß Ossian sich im Mittelteil der Platte eine kleine "Erholungspause" von den umliegenden Höchstleistungen gönnen und ein paar "nur" gute, aber nicht weltbewegende Power Metal-Songs eingeschoben haben, wenngleich auch diese noch ihre ganz speziellen Momente besitzen, etwa wenn "Az Igazság Pillanata" von einem unauffälligen Halbakustiker im Mittelteil plötzlich zu feistem Power Metal mit furiosem Solo umschlägt - und überhaupt rettet die famose Soloarbeit der Herren Rubcsics und Weber den einen oder anderen der durchschnittlicheren Songs noch auf ein gutes Level. Keyboards wurden übrigens fast gar nicht in die Nähe des Studios gelassen, nur einzelne atmosphärische Elemente stammen aus der Effekt- oder Orchesterdatenbank, etwa die Glocken, die "A Remény Harangjai" eine nette Anfangswirkung verleihen, bevor sich auch hieraus wieder Power Metal mittleren Tempos, allerdings etwas gemäßigteren Gestus entwickelt, der jedoch nicht so weit herunterschaltet wie das fast melodicrockige "Többet Ér Mindennél" vom Albumvorgänger - diesen Job übernimmt erst das bereits erwähnte folgende, mit Synthiestreichern untermalte "Véren Vett Ország", das man selbst im Tagesprogramm diverser 14-49-Radiosender laufen lassen könnte, ohne daß die Einschaltquoten der Trendkiddies und arbeitslosen Hausfrauen ins Bodenlose sinken, was keine negativen Schlußfolgerungen ob der Qualität des Songs assoziieren soll (ganz im Gegenteil!); lediglich sein Ende ist etwas komisch arrangiert, indem kurz vor Schluß noch ein großes Gitarrensolo angesetzt wird, das aber plötzlich einfach endet und mit ihm auch der Song. Aber für solche "Probleme" würden andere Bands sonstwas verkaufen, und wenn jemand die Harmoniefolge des Solos in "Szabadság A Vérünk" als zu bekannt und vorhersehbar brandmarkt, kann er das gerne tun - Hörspaß macht's trotzdem in rauhen Mengen. Die mir vorliegende Pressung enthält nach den dreizehn regulären Songs noch fünf Bonustracks, die anno 2004 in Budapest mitgeschnitten wurden und die Livequalitäten von Ossian eindrucksvoll unterstreichen. Den Auftakt bildet gleich das "Tüzkeresztség"-Songdoppel, wobei der erste Teil in dieser Fassung nicht ganz so begeisternd rüberkommt wie in der Studiofassung (eine rationale Begründung dafür kann nicht gegeben werden), während die bereits in der Studiofassung angelegte Mitsingpassage des zweiten Teils erwartungsgemäß live ihre volle Wirkung entfaltet, allerdings von den Chören in "Nincs Menekvés" noch an Lautstärke übertroffen wird. Wie dieser Song stammt auch das abschließende "Szerelmed Pokla" (jawohl, so, nicht etwa "Polka", auch wenn das relativ hohe Tempo zum Polkatanzen animieren könnte) vom 2001er Album "Titkos Ünnep"-Album, während sich nach die beiden "Tüzkeresztség"-Teile noch "Desdemona" vom 2003er "Hangerömü"-Werk (erneut Midtempo-Power Metal mit von der Tonlage her Deris-verdächtigem Schrei zu Beginn) in die Liste geschlichen hat. Wie Ossian in ihrer neuen Besetzung Jahr für Jahr hochklassige Alben herausbringen, erscheint dem Hörer fast unheimlich, aber es kann ihm eigentlich auch egal sein, wenngleich sein Geldbeutel dadurch nicht gerade unter Beschäftigungsmangel leidet. Jedenfalls gehört auch "A Szabadság Fantomja" in jede vernünftige Power Metal-Sammlung.
Kontakt: www.ossian.hu, http://shop.metalindex.hu

Tracklist:
Intro - Múlt És Jovö Határán
A Szabadság Fantomja
Számvétes
Fortuna Csókja
Az Újrakezdés Súlya
Metal-Vihar
Az Igazság Pillanata
Türéshatár
A Remény Harangjai
Véren Vett Ország
Szabadság A Vérünk
Sodrásban
Botrány-Gyár
Tüzkeresztség
Tüzkeresztség II
Desdemona
Nincs Menekvés
Szerelmed Pokla






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