www.Crossover-agm.de ORQUIDEA NEGRA: Blood Of The Gods
von rls

ORQUIDEA NEGRA: Blood Of The Gods   (Metal Soldiers Records)

Schwarze Orchideen gibt es unter den Myriaden von Gattungshybriden mittlerweile ja wirklich, haben die Spürnasen aus dem Garten-Pur-Forum herausgefunden. Die gleichnamige Metalband hat allerdings nicht etwa den besagten Hybriden als Symbol herangezogen, sondern eine Cattleya- oder Laelia-Art als Formvorlage genommen und dieser lediglich eine schwarze Färbung eingephotoshoppt. Dabei dient nicht etwa immer die gleiche Art als Vorlage, wie die besagten Spürnasen bereits auf den Coverartworks der ersten beiden Alben feststellen konnten. Jetzt liegt Album Nr. 3 vor und verzichtet auf dem Cover auf eine entsprechende Pflanzenabbildung, vom kleinen ins Bandlogo eingeflochtenen Symbol abgesehen, das sich dann allerdings im Booklet als Hinterlegung des Bandfotos wiederfindet - und auch hier haben wir offenbar wieder die Gattung Laelia als Vorbild. Die Bandhymne dieser brasilianischen Combo stammt aber interessanterweise gar nicht aus ihrer eigenen Feder, sondern ist eine Coverversion ihres Landsmanns Zé Ramalho, ebendort ein sehr populärer Singer/Songwriter, der sein 1983er Album "Orquídea Negra" nannte und dort ebenjenen Track als Titelsong plazierte, den die Metaller dann für ihre Band adaptierten und auf ihrem selbstbetitelten Albumzweitling als Coverversion einspielten, womit interessanterweise eine Art Doppelcover vorliegt, denn als einziger Song des besagten Zé-Ramalho-Albums wurde er nicht vom Chef himself komponiert, sondern von Jorge Mautner. Die Frühwerke von Orquídea Negra fand hauptsächlich in der Heimat der Band Beachtung, während in Europa nur einige Spezialisten von der Combo Notiz nahmen. Das soll mit "Blood Of The Gods" nun anders werden: Das portugiesische Label Metal Soldiers Records hat eine für den europäischen Markt bestimmte Fassung herausgebracht, und die wurde gegenüber der brasilianischen Pressung um gleich fünf Bonustracks erweitert, deren finaler die besagte Bandhymne darstellt.
Bis man jedoch zu jener vorgedrungen ist, darf man noch dreizehn andere Tracks hören, die sich bis auf "Flodoardo" (der vorletzte Bonustrack) ausschließlich der englischen Sprache bedienen, was im früheren Schaffen der Band anders war. Als letzter Song der brasilianischen Version fällt dabei "Rainbow In The Dark" auf - aber es handelt sich nicht um eine Dio-Coverversion, obwohl eine solche stilistisch durchaus nicht ganz abwegig gewesen wäre. Zwar gehen Orquídea Negra einen Tick kraftvoller zu Werke und halten ihren Traditionsmetal konsequent siebziger-frei, aber einige der Riffs von Vinícius Porto hätten auch zu Vivian Campbell gepaßt, und André Stoltes Gesang erinnert in einigen Passagen, etwa in "Idea 136", durchaus an den von Dio, wenngleich er selbst im landesinternen Vergleich gegen den Kollegen von Eterna "nur" auf dem zweiten Platz landet und international etwa Patrik Johansson deutlich näher an der Stimme des Meisters lagert. Dafür sucht Porto fürs Hauptsolo von "Idea 136" einen Gitarrensound aus, den auch Tony Iommi auf den Spätachtziger-Black-Sabbath-Alben in ähnlicher Weise zum Einsatz gebracht hat. Besagtes Hauptsolo zeigt zugleich, daß sich Orquídea Negra durchaus nicht starr an Kompositionsprinzipien halten, denn in den modern angehauchten Stampfer wird mit kurzer Vorbereitung ein mitreißendes Speedsolo eingeflochten, und weil ihnen dieses Stilmittel so gut gefalle hat, wenden sie es in "The Secret Of Life" gleich nochmal an. Auch anordnungstechnisch beweist das Quartett Mut: Als eigentlich nicht im Epic Metal beheimatete Band gleich an die zweite Stelle mit "True Soldier" ein siebenminütiges, nach Kriegsgeräuschen zunächst sehr zurückhaltend beginnendes Epos zu packen ist nicht gerade konventionell zu nennen und könnte manchen Gelegenheitsantester vielleicht vom Weiterhören abhalten. Zumindest Epic-Metal-Anflüge finden sich allerdings auch andernorts auf der Scheibe, so daß Orquídea Negra summiert irgendwo in einem Spannungsfeld von Traditionsmetal und besagter epischerer Herangehensweise landen. In "Anne's Song" dürfen auch Bassist Robson Anadon und Drummer Raphael Marini mal kurz solistisch hervortreten, wobei diese Nummer textlich sowieso etwas aus dem Rahmen fällt - aber vielleicht auch wieder nicht: Etliche Songs beschäftigen sich mit den Auswirkungen von Kriegen, und falls es sich gar um ein diesbezügliches Konzeptalbum handeln sollte, paßt ein Song über die Auswirkungen kriegerischer Unordnung auf den Markt für Prostitution durchaus auch ins Gesamtbild. Wenn wir gerade bei Besetzungsfragen sind: Orquídea Negra arbeiten auf "Blood Of The Gods" als Quartett mit nur einem Gitarristen und ohne Keyboarder - die Tastensounds steuerte Aufnahmetechniker Daniel Dante Finardi bei. Wie die Band das live löst, bleibt Kennern zu ergründen vorbehalten, denn beispielsweise in "The Darkness" spielt die Hammondorgel sogar den ersten Teil des Hauptsolos, und im langen ruhigen Mittelteil ist der Tastenteppich, dort sogar noch um eine Flöte unbekannter Provenienz ergänzt, für die Stimmungserzeugung strukturell alternativlos. Einer der vier Musiker trägt auf dem Bandfoto übrigens ein Dream-Theater-Shirt, aber die großen Prog-Amis haben eher wenig Spuren im Bandsound hinterlassen, einzig in den wilderen Passagen von "They Call Me Insane" denkt man mal etwas intensiver an sie, wohingegen die hymnischen und relativ geradlinigen Momente dieser Nummer (trotz des "progressiven" Flackereffekts auf Stoltes Gesang) allenfalls zu ganz frühen Zeiten, also in den Spätachtzigern, in den Kosmos von Petrucci & Co. gepaßt hätten. Da taugen Bands wie Pagan's Mind eher als Ankerpunkt, und mit etwas geradlinigerer Drumarbeit hätten die besagten wilden Parts auch dem Hirn von Steve Harris entspringen können. In "Rainbow In The Dark" wiederum trommelt nicht Marini, sondern Marcelo Menegotto, der bereits bis 2005 auf dem Drumhocker der Band saß, und er legt einen völlig geradlinigen Beat unter die Nummer, von einer markanten Rhythmusverschiebung abgesehen - aber auch so ergibt sich ein völlig anderes Bild als in weiten Teilen des Albumrestes, wenngleich im Gesamtkosmos des Orquídea-Negra-Schaffens auch diese Facette problemlos als integrierbar zu zählen ist.
Das galoppierende "Hunting Devil" eröffnet den Reigen der Bonustracks, wird seinerseits allerdings durch ein düsteres Intro mit Frauengesang eingeleitet, das ein wenig an Caskets "Way To Happiness" erinnert, was freilich purer Zufall sein dürfte. Wer hier singt, verrät das Booklet nicht (dafür nennt es Alexia Gomes, die in "Anne's Song" für die weiblichen Wortbeiträge zuständig war) und auch nicht, ob Porto die doppelläufigen Leads in der Einleitung von "Wonderful And Lost" im Alleingang eingespielt hat (und damit live vor einem Problem steht). Der marschartig untertrommelte und mit Horrorgeräuschen unterlegte Mittelteil hätte auch zu King Diamond oder, um in Brasilien zu bleiben, Dark Night gepaßt. In der Akustikversion des als Metal-Urversion das Debütalbum "Who's Dead?" eröffnenden "Surrender", die nicht gemeinsam mit dem Rest des Albummaterials aufgenommen wurde, sondern schon anno 2005 aufs Band fand und als Bonustrack des in ebenjenem Jahr veröffentlichten Livealbums "More Live Than Never" fungierte, singt der damalige Frontmann der Band, Jean Varela, mit eher tiefer und sanfter Baritonstimme, während Antonio Lugon die Violinlinien beisteuert. Da "Orquídea Negra" (in der Metalfassung eine schöne schleppende Hymne, die auch live mit den "Ahahah"-Chören sicher gut ankommt - den appellierenden Sprachteil mit den Kanonenschüssen können allerdings nur Portugiesischkundige einordnen) vom Klanggewand her deutlich vom Albumrest absticht, könnte es sein, daß es sich gleichfalls nicht um eine Einspielung aus der jüngsten Session handelt, und das den althergebrachten Bandsound mit Punk- und Folk-Elementen durchsetzende "Flodoardo" fällt sowieso völlig aus dem Rahmen, macht aber durchaus Hörspaß. So haben wir 70 Minuten abwechslungsreichen brasilianischen Metals vor uns, der eine Verbreitung außerhalb seines Urspungslandes durchaus wert wäre.
Kontakt: www.facebook.com/orquideanegraheavymetal, www.metalsoldiersrecords.com

Tracklist:
Intro/Blood Of The Gods
True Soldier
Idea 136
Understand
The Secret Of Life
Anne's Song
The Darkness
They Call Me Insane
Rainbow In The Dark
Hunting Devil
Wonderful And Lost
Surrender (Acoustic Version)
Flodoardo
Orquídea Negra
 




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