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von rls

ORDOG: Remorse   (Violent Journey Records)

Ein verregneter Maisonntag wie der heutige scheint eigentlich prädestiniert für das Schreiben der Rezension des Ordog-Albums "Remorse", auch wenn auf dem Cover der Schnitter seine Sense schwingt und man das Ganze durchaus auch in die Herbst-, also Erntezeit verlagern könnte. Aber der Grimme holt sich seine Opfer ja durchaus auch in anderen Jahreszeiten, und ganz so abgrundtief düster ist das Album unterm Strich dann doch nicht ausgefallen, wenngleich Ordog natürlich ohne jeden Zweifel auf der lichtarmen Seite des Metal musizieren. Sie spielen jedenfalls eine Art Doom/Death Metal, wie man sie in ähnlicher Form von der britischen Insel, aber durchaus auch aus Skandinavien kennt. Mit Jussi Harju steht jedenfalls ein fester Keyboarder in der nur dreiköpfigen Besetzung (die sich bis 2013 nur live mit einem Bassisten und einem Drummer zum Quintett erweiterte, während im Studio Gitarrist/Bandkopf Valtteri Isometsä diese beiden Jobs gleich mit erledigte - erst 2013 ist eine feste Rhythmusgruppe zur Band gestoßen), und der will natürlich auch beschäftigt werden - er ist jedenfalls der Hauptverantwortliche dafür, daß "Remorse" nicht im finsteren Funeral Doom landet, sondern bisweilen durchaus so etwas wie Lebens- oder zumindest Spielfreude aufkommt. Zwar gibt es auch im Funeral Doom Bands, die sich der Möglichkeiten eines Keyboards bedienen (man denke etwa an Colosseum und deren Signaturlied "Prosperity"!), aber Ordog setzen ihre Tastensounds bewußt ein, um das Material aufzulockern und etwas zugänglicher zu gestalten, auch wenn Harju keineswegs fröhliche Melodien spielt, sondern durchaus die landestypische Melancholie transportiert. "Landestypisch" bedeutet hier "finnisch", wie man anhand der Namen vielleicht schon geschlossen hat, und damit sind Ordog Landsleute der erwähnten Colosseum und könnten vielleicht als zugänglichere Version derselben beschrieben werden, was indes keineswegs einen Kopismusverdacht beinhalten soll, denn dazu sind Isometsä und seine Kollegen schon zu lange dabei: Auf 2005 datiert die Bandgründung, und neben drei Demos ist "Remorse" auch bereits das dritte Album der Finnen. Das zweite hörte übrigens auf den schönen Titel "Life Is Too Short For Learning To Live", und der macht deutlich, daß Ordog neben dem Hang, das Düstere in der Kunst darzustellen, durchaus auch eine philosophische Ader, etwas Humor und eben einen Hang zum Nichtnegativen haben, der sich dann auch in der Musik widerspiegelt. Nicht zu dieser Kategorie zu rechnen sind die Momente, in denen Aleksi Martikainen mal nicht brüllt oder kreischt - das Geflüster in "Shadowland" fällt alles andere als vertrauenerweckend aus, und auch die Andeutung von Klargesang in "Betrayed" sowie die dunkle Klarstimme, die in "Boneyard Horizon" das Gekreisch als Zweitstimme unterlegt, tun diesbezüglich eher nichts zur Sache. Wer übrigens nach dem durchgängig schleppenden Opener "Human Shell" den Bestandteil "Death" in der oben genannten Stilbeschreibung anzuzweifeln begonnen hat, wird in der ersten Minute von "Betrayed" mit flottem Geprügel eines Besseren belehrt, bevor sich dann aber wieder der schleichende Beat breitzumachen beginnt und, als man nach einer schier endlosen Wiederholung eines klavierunterlegten Motivs (die offenbar auf Johan Edlunds Theorie, man nehme diese Teile nach der x-ten Wiederholung dann gar nicht mehr bewußt, wohl aber unbewußt wahr, abzielt) schon gar nicht mehr damit gerechnet hatte, in Minute 4 tatsächlich noch Gesang hinzutritt. Aber Ordog nehmen sich sowieso stiltypisch enorm viel Zeit für ihre Songs: Das nicht mal dreiminütige Instrumental "Meant To Be An End", das tatsächlich am Ende des Albums angesiedelt ist, fällt ein wenig aus dem Rahmen, aber unter den anderen sechs Songs unterschreitet keiner die Siebenminutenmarke, und der Durchschnitt dieser sechs liegt sogar über zehn Minuten. Es ist also Geduld beim Hören gefragt, und selbst dann muß man sich auf die erwähnte intensive Wiederholungsstruktur, die sich keineswegs nur auf das besagte Motiv in "Betrayed" beschränkt, einlassen können und außerdem ein Ohr auch für geringe Variationen haben. Wenn "Shadowland" nämlich nach dreizehn Minuten endet, beginnt "Abuse" mit einem sehr ähnlichen Thema, und wäre da nicht ein doch vernehmbarer Schlußakkord in "Shadowland" mitsamt einer kurzen Pause im Anschluß, man könnte durchaus vermuten, daß die beiden Songs eine Einheit bilden. Das zudem stilbedingt etwas eingeschränkte Spektrum der musikalischen Elemente, die im Schaffen von Ordog sinnvoll aufgehoben sind, mag dem Nicht-Doom-Spezialisten gewöhnungsbedürftig erscheinen oder gar das Prädikat "langweilig" entlocken, aber er verpaßt dann auch große Momente wie das lange Gitarrensolo in "Abuse", das man weniger bei einer Doomband, sondern eher irgendwo im Epic Metal verorten würde. Der Titeltrack wiederum schlägt nach knapp dreizehn Minuten Schleichtempo plötzlich einen flotten tanzbaren Midtempogroove an und legt ein ausgedehntes Hammondorgelsolo drüber, so daß hier eine Art Disco-Doom entsteht, wie ihn Cathedral auf "Forest Of Equilibrium" zur Meisterschaft gebracht haben. Und wäre das Gitarrensolo, das bald hinzutritt, noch einen Tick dominanter abgemischt worden, man käme aus dem Staunen und dem Schmunzeln über die reichlich drei Schlußminuten dieses Songs gar nicht mehr heraus. "Boneyard Horizon" bleibt dann wieder im schleppenden Beat, mutet aber eher luftig an und wird mit mancherlei Leadgitarren ein weiteres Stück in Richtung Zugänglichkeit verschoben. Sein in die Unendlichkeit führender Ausklang hätte durchaus einen passenden Schluß für das ganze Album hergegeben, aber es folgt noch das bereits erwähnte Keyboardinstrumental "Meant To Be An End", das diese Aufgabe in gleicher Manier zu lösen imstande ist, vom seltsam abrupten Abbruch abgesehen. So endet ein Album, dem sich Freunde der rauheren Zeiten von My Dying Bride (ohne Geige!) oder von Draconian (ohne weiblichen Gesang!) mit Interesse nähern sollten. Kurz vor Fertigstellung dieses Reviews ist auch Album Numero 4, "Trail For The Broken", erschienen, das allerdings noch nicht beim Rezensenten gelandet ist - die Statistik in der Encyclopedia Metallum weist allerdings eine deutlich reduzierte Durchschnittslänge der Songs aus. Ob diese auch mit einem Stilwandel (vielleicht auch wegen der beiden neuen Bandmitglieder) verbunden ist? Selber hören!
Kontakt: www.violentjourneyrecords.com

Tracklist:
Human Shell
Betrayed
Shadowland
Abuse
Remorse
Boneyard Horizon
Meant To Be An End
 




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