www.Crossover-agm.de ANETTE OLZON: Shine
von rls

ANETTE OLZON: Shine   (Ear Music)

Daß Anette Olzon nach ihrer Trennung von Nightwish nicht in der musikalischen Versenkung verschwinden würde, war zu erwarten - schließlich hatte die Schwedin auch zuvor schon etliche musikalische Projekte am Laufen gehabt. Nun handelt es sich bei "Shine" aber mitnichten um ein neues Album. Zwar finden sich nirgendwo genaue Angaben über die Entstehungszeit, aber anhand der Thankslisten läßt sich erschließen, daß die zehn Songs bereits anno 2009 entstanden sein müssen, als Olzon bei Nightwish noch fest im Sattel saß. Keine Ahnung, wieso es fünf Jahre bis zur Veröffentlichung gedauert hat - allerdings läßt sich nach Durchhören der 38 Minuten konstatieren, daß der Musikwelt nicht viel gefehlt hätte, wäre das Material in den Archiven verblieben. Festzuhalten ist zunächst, daß "Shine" musikalisch genausowenig mit Nightwish zu tun hat wie Tuomas Holopainens "The Life And Times Of Scrooge"-Solowerk, so daß man in beiden Fällen vor einem Blindkauf äußerst vorsichtig sein sollte. Olzon kam bekanntermaßen aus dem Pop bzw. dem Melodic Rock, und in ersteren ist sie mit "Shine" auch wieder zurückgekehrt: Die zehn Songs stellen eine Art orchestral aufgehübschter Popmusik mit ganz leichten Rocktendenzen dar, aber sie haben für dieses Genre ein grundlegendes Problem: Es bleibt auch nach etlichen Durchläufen so gut wie nichts hängen, auch wenn der eine oder andere Refrain (z.B. "Lies") durchaus ein gewisses Merkpotential aufweist. Aber generell tun sich kuriose Parallelen zu "My WinterStorm", dem ersten Soloalbum von Olzons Nightwish-Vorgängerin Tarja Turunen, auf: Dieses war zwar in seiner Zerfaserung und Inhomogenität völlig überambitioniert, aber genau deshalb genauso unauffällig, harmlos und durchrauschend wie "Shine". Immerhin hatte Turunen mit "I Walk Alone" und dem Alice-Cooper-Cover "Poison" noch zwei Hits gebunkert, die auf "Shine" nun völlig abwesend sind - einzig das erwähnte "Lies" sowie "Falling" klopfen vorsichtig an höhere Weihen an, und "Hear Me" scheint eine Art kleiner Bruder von "The Escapist" sein zu wollen, gerät aber eben dadurch zu quasi einer Nightwish-C-Seite. Und obwohl Olzon durchaus nicht schlecht, hier und da sogar recht gefühlvoll singt ("Invincible"), bleibt das Material von einer grundsätzlichen Harmlosigkeit geprägt, die niemandem wehtun will, aber zugleich vergißt, daß in der Popmusik eben andere Maßstäbe gelten als im Metal. Da hatten Alyson Avenue doch deutlich mehr auf der Pfanne, von den Nightwish-Wundertüten ganz zu schweigen. Wer das Soloschaffen von Anneke van Giersbergen oder Kari Rueslatten oder auch Floor Jansens Quasi-Soloprojekt ReVamp schätzt, könnte "Shine" einen vorsichtigen Hördurchlauf gönnen, aber Wunderdinge erwarten sollte er nicht. Von einigen Gesangslinien Olzons abgesehen, ist hier so gut wie keine Emotion drin, alles wirkt wie am Reißbrett kalkuliert, und so kommen zumindest dem Rezensenten (der sowohl Olzons Nightwish-Werke als auch Alyson Avenue schätzt) die 38 Minuten viel länger vor, als sie eigentlich sind, was in diesem Falle nicht als Kompliment zu verstehen ist. Falls das Material tatsächlich schon seit 2009 fertig war, könnte es also durchaus Gründe gegeben haben, warum das bisher keiner veröffentlicht hat ... Gnadenlose Optimisten erhoffen nun eine abermalige Duplizität der Ereignisse und einen Quantensprung, wie ihn Tarja von "My WinterStorm" zu "What Lies Beneath" hingelegt hat. Mal schauen ...
Kontakt: www.ear-music.net

Tracklist:
Like A Show Inside My Head
Shine
Floating
Lies
Invincible
Hear Me
Falling
Moving Away
One Million Faces
Watching Me From Afar



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