(Stormspell Records)

Zu Sowjetzeiten eine Metalband mit christlichem Textgut zu gründen war gleich in doppelter Weise subversiv, selbst wenn man mit Nachnamen Gorbatschow hieß. Hier geht es freilich nicht um Michail, sondern um Wjatscheslaw, und dessen dergestalt ausgerichtete Band hieß Alexander Newski (das wiederum war eine zentrale Figur der russischen Geschichte, die auch zu Sowjetzeiten nicht getilgt worden war - in Leningrad etwa konnte man immer noch auf dem Newski-Prospekt wandeln, wenngleich nur aufgrund eines linguistischen Kunstgriffs, da "Newski" ja auch "am Fluß Newa gelegen" bedeutet). Nach dem Ende Alexander Newskis gründete Sänger Gorbatschow Nowy Sawjet (übersetzt "Neues Testament" - aha, Alexander Newski verkörperte dann also das Alte ...), mit denen er von 1991 bis 1993 im Jahrestakt Alben veröffentlichte, bevor auch diese Truppe vom Herrn heimgeholt wurde, allerdings in Insiderkreisen des gottesfürchtigen Metals nie in Vergessenheit geriet, wofür auch die weitere Präsenz von Gorbatschows Namen mitverantwortlich war - im neuen Jahrtausend kehrte er abermals mit einer neuen Band zurück, nämlich Sabotasch, die es bisher auf zwei Alben brachten. Die Platten von Nowy Sawjet waren eine Zeitlang so schwierig zu bekommen wie Mondstaub, obwohl 1997 zumindest die ersten beiden gemeinsam auf einer CD wiederveröffentlicht wurden. Erst 2008 schlug dann die Stunde für den Drittling "Apocalypse" - Stormspell Records deckten erstmal einen Grundbedarf mit einer limitierten 1000er Auflage ab. Dabei wurde das Frontcover geändert - das alte kann man auf der Bookletrückseite noch anschauen, und irgendwie hat die giftgrüne Zeichnung der Apokalyptischen Reiter mehr Charme als die gelbbraune, die nun auf dem neuen Cover prangt, wohingegen wiederum das Bandlogo in kyrillischen Lettern und mit einer steinreliefartigen Anmutung, das für das neue Cover verwendet wurde, den simplen Schriftzug auf dem alten um Längen schlägt. Aber lassen wir die Optik beiseite - es kommt ja auf die Musik an, und die ist auch anderthalb Dekaden nach ihrer Entstehung noch hochgradig hörenswert und zudem strukturell interessant: Die sieben Songs (plus ein eher unauffälliges Intro) stellen irgendwie das verlorene Bindeglied zwischen den Candlemass-Alben "Tales Of Creation" und "Chapter VI" dar, kommen also gewissermaßen auf halbem Weg zwischen klassischem epischen Doom Metal und schwedischem Power Metal zum Stehen, allerdings in unterschiedlichen Distanzen zu den jeweiligen Endpunkten der Strecke. Die Entwicklung hatte sich bei Candlemass ja schon auf "Tales ..." mit dem äußerst flotten "Through The Infinitive Halls Of Death" angekündigt, und der Sängerwechsel tat dann noch sein übriges dazu. Gorbatschow liegt stimmlich allerdings deutlich näher an Messiah Marcolin als an Thomas Vikström, wenngleich er bedarfsweise auch in dessen Richtung vordringen kann, das allerdings vergleichsweise selten tut. Vom Tempo her überbieten Nowy Sawjet Candlemass' "Chapter VI" an einigen Stellen noch (z.B. im Intro von "Decline Of Zarathustra"), aber das tat das erwähnte "Through ..." auch schon, und das Durchschnittstempo auf "Apocalypse" bleibt im allenfalls unteren Midtempobereich - die Reiter sprengen also nicht heran, sondern kommen eher mit dem Belagerungswagen gefahren. Im Gegensatz zu den beiden Vorgängeralben singt Gorbatschow diesmal in Englisch und entledigt sich dieser Aufgabe durchaus kompetent, allerdings klappte bekanntermaßen der Versuch, damit auf den internationalen Markt zu zielen, nicht, und so kehrte der Sänger, der auch nahezu alle Songs im Alleingang komponierte (lediglich beim Closer "Decline Of Zarathustra" half ihm Gitarrist Alexander Lwow), mit Sabotasch wieder zur russischen Sprache zurück. Zwei Verbeugungen vor westlichen Doomgrößen hat er allerdings untergebracht (will man die Candlemass-Anlehnungen nicht hinzuzählen): In "Werewolves" findet sich die Zeile "My music was born too late", was auf personaler Ebene auch Saint Vitus schon erkannt hatten, und das Intro des Titelsongs darf als Hommage an Black Sabbaths "War Pigs" gewertet werden, bevor es in alter Candlemass-Manier schleppend weitergeht, der Hauptteil des Songs aber dann eher die Kapitel-6-Candlemass ins Gedächtnis ruft. Zudem erinnert die Strophenmelodie von "Decline Of Zarathustra" den Rezensenten an irgendeinen Song, der ihm aber noch nicht eingefallen ist. Die Songs brauchen allerdings einige Durchläufe, bis sie im Gedächtnis hängenbleiben - die ganz großen Widerhaken-Refrains, von denen Leif Edling immer ein paar eingebaut hatte, fehlen bei Gorbatschow weitgehend. Mit zunehmender Durchlaufanzahl relativiert sich dieses Problem allerdings, und man bemerkt staunend, mit welcher Treffsicherheit Gastkeyboarder Alexander Dronow (richtig, der von Valkyria) in einigen Songs effektvolle Tupfer einfügt. Apropos personelle Verflechtungen - neben denen von Gorbatschow und Dronow gibt es auch noch andere zu vermelden: Gitarrist Lwow spielte auch noch bei den spaßigen Adolf Castle, und Drummer Alexander Medowkin machte Jahre später eine eher unsympathische Wandlung durch, indem er um die Jahrtausendwende, wenn auch nicht für lange Zeit, bei Korrosia Metalla anheuerte, die zu dieser Zeit schon lange ins Rechtsaußenlager gewechselt waren. Aber wir wollen natürlich auf Sippenhaft verzichten und stellen fest: "Apocalypse" sollte im Schrank keines Candlemass-Anhängers fehlen, und auch sonst könnte sich für jeden, der mit klassischem Doom und/oder skandinavischem Power Metal (letztgenannter allerdings mit sparsam dosierten Keyboards und ohne Einflüsse klassischer Musik) etwas anzufangen weiß, ein Erwerb via www.karthagorecords.de oder andere gutsortierte Händler lohnen. Wer freilich das Original schon besitzt, kann ob des Fehlens von Bonustracks auf den neuerlichen Erwerb verzichten, es sei denn, man will unbedingt das neue Cover sein eigen nennen ...
Kontakt: www.stormspell.com/label

Tracklist:
Intro
Legions Of Death
Night Of The Last Pain
The Number Of The Death
Men Of Fire
Werewolves
Apocalypse
Decline Of Zarathustra
 

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