www.Crossover-agm.de ADOLF CASTLE: Really Crazy Germans
von rls

ADOLF CASTLE: Really Crazy Germans   (Valiant Music Productions)

Meine Güte, die Russen haben aber einen Humor. Jedwede Band aus anderen Staaten wäre mit einem solchen Bandnamen sofort in eine gewisse politische Ecke gesteckt worden. Hier dagegen kommt man aus den Lachanfällen gar nicht mehr raus. Die Mitglieder der Band tragen Pseudonyme wie "Wolf Maria Hunter" oder "Frederick Attila", Songtitel wie "Oh' Grand Old Alaric!", "Russian Polizei", "Fat Mad Marta" oder "Fritz Und Hans (live in Dortmund)" sind auch nicht zu verachten, und beim Cover ist endgültig alles zu spät. Eine comichafte Zeichnung zeigt eine Ritterburg, wie man sie aus Monty Python-Filmen kennt, vor einem milkalila Hintergrund. Ein Wegweiser, auf dem ein nicht mehr ganz taufrisch aussehender Rabe sitzt, weist die Burg als "Adolf Castle" aus. Dessen Zugbrücke ist heruntergelassen, und drei Gestalten wanken heraus, in denen der Zeichner sämtliche Klischees des Deutschen untergebracht hat: bärtig, Fell- oder sonstige außermodische Hosen tragend, Körperumfang etwa den Wildecker Herzbuben entsprechend, mit Hörnerhelm oder Piratentuch, keuleschwingend und (das Wichtigste!) mit einem gefüllten Bierbembel in der Hand. Köstlich! Die große Überraschung folgt dann allerdings beim Lauschen, denn Adolf Castle limitieren sich nicht aufs parodistische Fach - die Hälfte der Tracks sind ganz normaler Metal mit vermutlich auch ganz normalen Lyrics (hab' kein Textblatt hier). Und Adolf Castle machen ihr Ding hier alles andere als schlecht. Balladeske Songs sind ja oftmals ein qualitatives Indiz, und "Heart Of The Spring" verdeutlicht die Möglichkeiten, die sich Adolf Castle auf diesem Areal erarbeiten. Sänger Dylan Troy kreischt nicht selten in ganz hohen Tonlagen rum und erinnert mich an eine Kreuzung aus Mötley Crüe-Vince Neil, etlichen 80er US-Metal-Shoutern, z.B. David Wayne von Metal Church, und David DeFeis von Virgin Steele (höre bezüglich letztgenanntem Menschen mal "Fall In Hate"). Größter Trumpf sind allerdings zweifellos die Gitarren von Cyril Thor und Wolf Maria Hunter (nee, diese Pseudonyme ... um das Grinsen noch abzurunden: der Drummer nennt sich St. Patrick). Die beiden können spielen, und das zeigen sie auch gerne, sowohl in der Riff- als auch in der Leadarbeit, selbst in den eher parodistisch angehauchten Tracks (das Doppelsolo in "Russian Polizei" ist erste Sahne). Angesprochene Parodien leben von der Einbeziehung mal mehr, mal weniger schiefer Chöre, die sich Adolf Castle entweder beim Sangriaoverkill auf Mallorca, auf dem Oktoberfest (Intro zu "Fat Mad Marta"!!!) oder aber in diversen Volksmusiksendungen abgeschaut haben müssen, parodieren aber auch mit Niveau, wenn man beispielsweise "echtes", also altehrwürdiges deutsches Volksliedgut zitiert - nicht mit der Übernahme von Melodien, sondern in der Umsetzung von Gestaltungselementen mit metallischen Mitteln. Hört sich eigenartig an? Dann lauscht mal "Fall In Hate" und "Vilissa", besonders den Introduktionen, da wird's vielleicht am deutlichsten. Und noch etwas haben Adolf Castle von den Deutschen übernommen, nämlich die Spielfreude melodischen Speed Metals, wie sie Helloween oder auch weniger bekannte Vertreter wie die weitgehend apocryphen Forced Entry kultiviert hatten. Kreuzt J.B.O. mit Forced Entry, und ihr erhaltet ungefähr Adolf Castle. Nur der Sound genügt nicht ganz internationalen Ansprüchen, zumal "Really Crazy Germans" in mehreren Sessions aufgenommen worden zu sein scheint, was einige markante Unterschiede im Sound der einzelnen Tracks erklären würde. Aber etwas lauter gedreht, erhält man schon ein annehmbares Ergebnis. Und das Baßsolo, das als Quasi-Vorspiel für "Fritz Und Hans (live in Dortmund)" dient, von Manowar zu unterscheiden, dürfte gar nicht so einfach sein (okay, Herr de Maio frickelt etwas mehr, aber sonst ...). Besagte Liveversion ist natürlich alles andere als echt, aber dennoch mit kultigen "Adolf Castle"-Sprechchören eines einzelnen Fans mit tiefer Warriorstimme ausgestattet und musikalisch absolut astrein ausgefallen. Abschließend gibt's mit "Brothers In Metal" noch was Ruhigeres ("the very first Dylan Troy's single taken from 'The Gates' album" steht drunter, aber da ich diese Platte nicht kenne, weiß ich auch nicht, wie ernst das gemeint ist), das diese erstaunlich starke Platte würdig beschließt. Falls es übrigens jemand bis hierher noch nicht mitbekommen haben sollte: Adolf Castle haben, zumindest wenn man "Really Crazy Germans" als Bemessungsgrundlage hernimmt, nichts mit nationalsozialistischem (Un-)Geist am Hut. Damit kann, ja sollte man sich, so man auf beschriebene Sounds steht, diese CD seiner Sammlung einzuverleiben suchen. Wenn das hierzulande nicht möglich ist (Morbid Records könnten ein Anlaufpunkt sein), kuckt mal auf www.valiantmusic.ru nach.
 




www.Crossover-agm.de
© by CrossOver