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NOISEHUNTER: Spell Of Noise
von rls

NOISEHUNTER: Spell Of Noise   (Karthago Records)

Nach dem noch relativ rauhen Debüt "Time To Fight" ging es Noisehunter wie zahllosen anderen Metalkapellen (nicht nur) in den Achtzigern: Man "entwickelte sich weiter". Das hieß in den meisten Fällen übersetzt soviel wie: Man wurde geschliffener, routinierter oder, um einen zum Kampfbegriff gewordenen Terminus einzusetzen, kommerzieller. Noisehunter brachten allerdings das Kunststück fertig, in ihrer Entwicklung über Album Nummer zwei und drei gleich alle drei genannten Attribute zu rechtfertigen. Den Rauheitscharakter des Debüts hatten sie bereits auf dem Zweitwerk "Spell Of Noise" abgelegt, wenngleich sie das Energielevel hier noch auf relativ hohen Touren fahren ließen (das Durchschnittstempo ist sogar noch höher als auf dem Debüt) und nur die US-Westcoast-Rock-artigen Backings, die sie auch auf ihrem Debüt schon hier und da eingebastelt hatten, noch etwas ausbauten. Und auch auf dieser Scheibe zeigten sich Noisehunter als relativ basisch veranlagt, was die Songstrukturen betrifft, konzentrierten sich weiter auf zwei Typen, nämlich den schnellen und den mittelschnellen, brachten aber ein bissel mehr Variabilität in die Songreihenfolge, anstatt wie auf dem Debüt schön einen schnellen und einen mittelschnellen aneinanderzureihen. Die relative Simplizität stand Noisehunter auch auf diesem Album mit am besten - das konnten sie damals halt, und da kam dann etwa ein richtig starker Speedie wie "Hot For Living" raus, wohingegen der ebenfalls schnelle Opener "On The Run" einen der Fäden aufnimmt, die schon auf dem Debüt in nicht positiver Weise auffielen: Manches Break, mancher Rhythmuswechsel wirkt einen Tick zu gestelzt, fügt sich nicht organisch ins Ganze ein - bei "On The Run" ist es beispielsweise der Übergang von der Strophe in den Refrain, der überhaupt nicht passen will, wobei diese beiden Komponenten allerdings auch schon relativ antagonistisch angelegt wurden und damit die Aufgabe keinesfalls erleichterten. Knappe 20 Jahre später sollte es reichlich Bands geben, die solche Dynamics besser ausbalancieren konnten, aber Noisehunter gehörten anno 1987 noch nicht zu dieser Kategorie. Dafür überzeugen sie beispielsweise mit der ersten Halbballade der Bandgeschichte, nämlich "I Would Die For You" - auch die ist nicht sonderlich kompliziert aufgebaut, aber sie wirkt ganz einfach. Zudem beweist Hanny, daß er auch etwas melodischer singen kann (wer die Backings eingesungen hat, verrät das Booklet nicht), wohingegen er sich sonst eher auf strukturiertes melodieähnliches Shouten beschränkt, was er dann im folgenden "Back To Rock" (müßte original der Opener der B-Seite gewesen sein) gleich wieder auffährt, wobei dieser geradlinige Speedie zu den besten Songs des Albums zu zählen ist, wenngleich die Leadgitarrenarbeit an manchen Stellen etwas unabhängig von der Unterlage zu arbeiten scheint, was an dieser Stelle aber nicht stört. Komischerweise versagen die Jungs aber erneut, wenn es um das Komponieren einer Hymne geht. Schon "Federal Republic Of Metal" vom Debüt war in der Studioversion alles andere als berauschend, "Metal Lover" hier geht es nun nicht anders, und die plötzliche Soundverschlechterung (im Sinne einer Verunklarung) vor diesem Song hilft da auch noch etwas mit. Auch hier werden also wohl die Livequalitäten höher zu bewerten gewesen sein, und diese konnten Noisehunter nach diesem Album erneut unter Beweis stellen, wobei man sogar in der DDR aufgetreten sein soll (genauere Auskunft über das Wann und Wie geben die Quellen leider nicht). Der Fanzustrom wuchs ebenfalls an, was ob der generell durchaus gutklassigen Qualität des Albums (wiewohl auch dieses nicht unbedingt einen großen Wurf darstellt und im Direktvergleich Gravestone die Nase vorn behielten) auch gerechtfertigt war, und so schauten sich Noisehunter nach einem größeren Label um, das sie in Gestalt von ZYX auch fanden, wo anno 1989 der Drittling "Too Young To Die" erschien. Dessen 10 Songs hat man kurzerhand komplett als Bonustracks auf den vorliegenden Re-Release von "Spell Of Noise" gepackt, so daß man den alten Spruch "value for money" bedenkenlos anwenden darf. Da gab es nur ein Problem: Noisehunter hatten schlicht und einfach vergessen, ein richtig starkes Album zu schreiben, wozu sie durchaus das Potential gehabt hätten. Sie waren - und jetzt kommt der dritte Terminus von oben ins Spiel - kommerzieller geworden: Hanny versuchte über weite Strecken richtig zu singen, ein paar Alibi-Speedsongs hatte man zwar noch an Bord, aber vergessen, diesen wenigstens etwas Durchschlagskraft mitzugeben, dafür war die US-Haarspray-Schlagseite überdeutlich geworden, die Anzahl der Breaks war erhöht worden, aber die saßen oftmals immer noch nicht richtig, und der Sound war eigenartigen Schwankungen unterworfen, was man selbst hier im Re-Release (der nochmal remastert wurde) noch nachhören kann, etwa in der Strophe von "In The City", wo das Riffing unvermittelt eine Lautstärkestufe nach hinten tritt. Gerade "In The City" hätte ein schönes Beispiel abgegeben, zu was die Band eigentlich fähig ist, denn hat man diesem Song erstmal mehrere Durchläufe gegönnt, stellt er sich als kleines Juwel im Noisehunter-Kontext heraus und hätte mit seinem ideenreichen Arrangement durchaus die Blaupause zu Höherem abgeben könnten, wechselt die Geschwindigkeit mehrmals, hat begeisternde Spielfreude intus und baut die Wendungen logisch auf. Leider mangelt es aber an Songs dieses Kalibers, und da zeigt sich der Grund, warum Gravestone einmal mehr die Nase vorn hatten, zumindest im künstlerischen Sinne: Die hatten ihren rapiden Stilwechsel mit einem neuen Bandnamen deutlich gemacht, und songwriterisch war auch die als 48 Crash erschienene Platte richtig klasse. Noisehunter dagegen verstörten ihre alten Fans mit dem kraftlos schleppenden und an dieser Stelle fürchterlich klingende süßliche Backings aufweisenden Opener "Bad Boys Done Dirty", der zwar nach zwei Minuten schneller wird, aber so weit werden viele Altfans vielleicht gar nicht gehört haben. Verkaufstechnisch auf die Nase gefallen sind beide Bands, woran vermutlich auch die fürchterlichen Cover mit schuld waren - war das von 48 Crash zwar nicht schlecht im eigentlichen Sinne, aber fürchterlich einfallslos und unauffällig, so konnte man über das uniformbehängte Kind auf "Too Young To Die", versehen noch mit einem Albumtitelschriftzug, der jedweder Veranstaltung der Volkssolidarität zur Ehre gereichen würde, nur noch den Kopf schütteln. Aber selbst das wäre nicht das entscheidende Problem gewesen, wenn Noisehunter nicht konzeptionell gescheitert wären, als sie versuchten, ihrem kantigen Metal ein gediegenes und buntes flatterhaftes Gewand umzuhängen. Das nämlich klappte erstaunlicherweise nur mit den Speedsongs (wofür neben "In The City" besonders das ähnlich abwechslungsreiche "Ruler Of The Dark" als Beispiel dienen kann, aber auch das Solo von "Restless", wo man bisweilen gar Mercyful Fate durchzuhören wähnt), wohingegen die Midtempotracks viel zuviel Energie verloren hatten, wofür man "Worlds Attack" oder den Titeltrack (trotz dessen einprägsamen Refrains) als Exempel hernehmen kann. Unter Livebedingungen sah auch das möglicherweise anders aus, und die Band spielte auch nach "Too Young To Die" fleißig Gigs, aber die Albumverkäufe sanken trotzdem in den Keller (und das, obwohl die Maueröffnung die Chance bedeutet hätte, alte Erinnerungen unter den musikalisch ausgehungerten DDR-Metalfans wieder wachzurufen), Noisehunter waren ihren ZYX-Deal schnell wieder los, und nachdem sich in den nächsten Jahren busineßseitig nichts mehr reißen ließ (zumal dann, wenn man den Ruf einer traditionellen Achtziger-Kapelle hatte und nicht gerade schon den Status von Blind Guardian oder Rage besaß), beendete die Band in den Mittneunzigern ihre Aktivitäten und grub 2005 lediglich noch einmal alte Aufnahmen aus der Zeit nach "Too Young To Die" aus, ohne dies aber mit einer Reunion zu koppeln (ein lobenswerter Verzicht). Mehr darüber demnächst - hier dagegen erstmal die Empfehlung, "Spell Of Noise" mit der Zugabe "Too Young To Die" eher als Geschichtsdokument zu begreifen, an dem der Zahn der Zeit schon etwas genagt hat, wenngleich viele der Songs durchaus als mindestens gut zu bezeichnen sind.
Kontakt: Stefan Riermaier, Feichtetstraße 41, 82343 Possenhofen, riermaier@aol.com, www.karthagorecords.de

Tracklist:
On The Run
Fever
The City's Gonna Burn
Hot For Livin'
I Would Die For You
Back To Rock
Metal Lover
Straight Shooter
I'm On Fire
Bad Boys Done Dirty
In The City
Too Young To Die
Looking Out For No One
Ruler Of The Dark
Worlds Attack
I Want Your Body
Restless
Girl Don't Mind
Dancing Fingers
 




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