www.Crossover-agm.de NILE: Those Whom The Gods Detest
von ta

NILE: Those Whom The Gods Detest   (Nuclear Blast)

Bei Nile sind es wirklich Nuancen, auf die es ankommt: Hat man das hohe Niveau, auf dem die Band musiziert, einmal durchdrungen und sich schließlich an dieses gewöhnt, fällt jede negative Komponente auf, und sei sie noch so marginal. So bin ich mit "Ityphallic", dem Vorgänger des neuen Albums "Those Whom ...", seinerzeit nicht richtig warm geworden. Zu unambitioniert, zu abgeklärt produziert - ich kann es bis heute nicht recht erklären, aber "Ityphallic" ist in meinen Augen/Ohren deutlich hinter seine drei Vorgänger zurückgefallen.
Und "Those Whom ..."? Ändert die Situation wieder zum Besseren. Abermals sind es Nuancen, die Nile wieder auf das schwindelerregende Niveau heben, das man an der Band so liebt: Die Produktion ist immer noch klar, hat aber wieder mehr Druck und klingt organischer. Ganz die dumpfe, aber effektive Soundwand von "In Their Darkened Shrines" werden und wollen Nile nicht wieder kreieren, aber "Those Whom ..." pendelt produktionstechnisch zwischen "Annihilation Of The Wicked" und "Ityphallic", was völlig ausreicht: Von dieser Scheibe kommt die Differenziertheit, von jener die Power. Die Songs sind gespickt mit kleinen Ideen, die dem Konzept nach nicht völlig neu sind, aber doch auch hörbar über das hinausgehen, was man von Nile kennt: Da wird hier die Akustikgitarre, die ein ägyptisches Thema spielt, nicht wie früher in ein Intro verbannt, sondern schlägt einen Akkord auch mal direkt über dem brachialen Death-Metal-Teppich an. Da singt ein Sänger ein orientalisches Thema, das früher noch von der Leadgitarre gekommen wäre. Ja, da gibt es einen ganzen Refrain, der näherungsweise wenn nicht gesungen, so zumindest gegröhlt wird. Da klingt das Gitarrensolo mal abwechslungsweise ganz nach Abend-, nicht Morgenland. Und das Ergebnis ist brillant und hält den Hörer durchweg bei Laune. Bei soviel Kreativität braucht es gar nicht die (augenzwinkernde?) "Annihilation ..."-Imitation in der ersten halben Minute des Rauswerfers "Iskander D'Hul Karnon".
Zu den Details addieren sich ein paar umfassendere Änderungen: Erstens, Karl Sanders bedient fast nur noch die Gitarre, weshalb das ganz tiefe Geröchel auch fast völlig von der Bildfläche verschwunden ist. Dallas Toller-Wade, der ohnehin die höhere Stimme hat, steigert den Änderungsaspekt noch, indem er in der ersten Albumhälfte deutlich höher als sonst grunzfaucht. Klingt sehr aggressiv und passt perfekt zur dezent thrashigen Note des Openingdoppels aus "Kafir!" und "Hittie Dung Incantation". Zweitens, der Mammutteil des Albums kommt weiterhin im ICE-Tempo daher, die Midtempo-Stellen haben jedoch etwas zugenommen, was besonders in der Albummitte auffällt. Diese Stellen sind aber nur selten minder brutal, weil die grollende Doppelfußmaschine von George Kollias jede Ausweichlücke maximal schnell zupflastert. Das Intensitätslevel des Albums bleibt deshalb - von den akustischen Interludes abgesehen - dauerhaft hoch. Die Midtempo-Stellen sind übrigens nicht mehr so doomig wie noch bis "Annihilation ...". Drittens, die genannten ägyptischen Interludes haben noch weiter abgenommen. Offenbar kann sich Karl Sanders in seinem Soloprojekt diesbezüglich genug austoben. Dass Nile nichtsdestotrotz immer noch einzigartig klingen, versteht sich von selbst. Zudem ist das Songwriting absolut superb. Mir fällt spontan keine andere Death-Metal-Band ein, die einen Song schreiben kann, der über sechs Minuten ausschließlich aus derbstem Geprügel besteht und dennoch zu keiner Sekunde auch nur den Hauch von Langeweile versprüht, einen Song wie "Kem Khefa Kheshef" also. Die Drums stimmen, die Riffs stimmen, die Breaks stimmen, die Gesangsrhythmen stimmen - Nile sind nach wie vor eine Band der Superlative.
Natürlich betrifft das auch das technische Niveau jedes beteiligten Musikers. Keine Minute vergeht, die man nicht mit offenem Mund vor den Boxen sitzt. Vor allem bei Toller-Wade ist es jedes Mal ein neues Kopfschütteln wert, sich vor Augen zu führen, dass der Mann live auch noch ins Mikro brüllen darf, während er diese abgefahrenen Licks spielt. Und nach wie vor haben Nile vor etlichen Tech-Death-Kollegen den Vorteil, dass sie ihr überragendes Können in Kompositionen packen, die furios, brutal und dabei erhaben und episch sind, die sich schlicht als echte Songs entpuppen, als sinnvoll auch für Nichtmusiker. Etwas Anspruch ist natürlich nach wie vor nötig, und für wen - sagen wir - Cannibal Corpse das obere Ende auf der erlaubten Komplexitätsskala markieren, für den ist dieses Album nicht gemacht. Jeder andere Todesblei-Jünger sollte jedoch schnellstens in den örtlichen CD-Schuppen gehen und "Those Whom The Gods Detest" zumindest antesten. Mit diesem Album haben Nile den Vorsprung, den Behemoth mit "The Apostasy" erlangt haben, wieder eingeholt und schließen an das Niveau von "Annihilation ..." an. Meine Hochachtung dafür.
Kontakt: www.nile-catacombs.net, www.nuclearblast.de

Tracklist:
1. Kafir!
2. Hittie Dung Incantation
3. Utterances Of The Crawling Dead
4. Those Whom The Gods Detest
5. 4th Arra Of Dagon
6. Permitting The Noble Dead To Descend To The Underworld
7. Yezd Desert Ghul Ritual In The Abandoned Towers Of Silence
8. Kem Khefa Kheshef
9. The Eye Of Ra
10. Iskander D'Hul Karnon
 




www.Crossover-agm.de
© by CrossOver