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von ta

NILE: Annihilation Of The Wicked   (Relapse Records)

The Nile is back! Wenn Amerikaner sich mal mit anderen Kulturkreisen auseinandersetzen, endet das schon mal (Achtung, Klischee!) in einem Speerfeuer. Bei Nile indes bleibt es ein musikalisches. Das Quartett hat sein Faible für die Mythenwelt der Ägypter nicht aufgegeben und auch im Vormarsch zu "Annihilation Of The Wicked" wieder Geschichtsbücher en masse gewälzt, die mit technischem, pfeilschnellem, hervorragend produziertem, brutalem Death Metal vertont werden. Vordergründig ist also alles beim Alten geblieben.
Das bestätigt auch die nach dem kurzen Intro abgeschossene Eröffnung "Cast Down The Heretic" ohne Wimpernzucken. Dieses Gemetzel hätte auch locker den Opener auf dem Vorgängerwerk "In Their Darkened Shrines" mimen können. Beinahe unerklimmbare Temporegionen, kellertiefe Growls, flinke Gitarrensoli und Breaks, die beinahe so stetig heruntergebolzt werden wie geradlinige Ballerparts.
In die gleiche Kerbe schlägt "Sacrifice Unto Sebek", mit drei Minuten der kürzeste Song des Albums. Spätestens hier hat selbst der völlig überrannte Hörer mitgekriegt, dass Neuzugang George Kollias, den ich beim letzten Nile-Gig in Glauchau noch mit seinem Vorgänger Tony Laureano verwechselt habe, die schnellste Doppelfußmaschine dieses Planeten spielt und alles in Grund und Boden knattert. Und trotzdem geht kein Lick der Gitarrenabteilung im Soundwall verloren (wie noch beim etwas dumpfer produzierten Vorgänger der Fall).
"User-Maat-Re" ist die traditionell an die dritte Stelle platzierte Doom-Walze. Im Albumkontext gehört das neunminütige Stück sicherlich zu den eingängigsten Nummern, aber auch hier werden Gitarrenspuren feilgeboten, die ebenso technisch hochanspruchsvoll wie nachvollziehbar und melodiös sind. Gelesen wurde richtig: Nile spielen manchmal auch richtige Melodien.
Den völligen Wimpout verhindert indes das steinharte "The Burning Pits Of The Duat", das mit 256 BPM wirklich alles umpflügt und Riffs über den Teich schreddern lässt, für die selbst eine Black Metal-Band ihr Ziegenstofftiermaskottchen versteigern würde (allein die zweite Minute ist unbeschreiblich). Zwei Dinge lassen sich hier inzwischen festmachen: 1. Nile haben ihre fiepsigen Thrash-Riffs zugunsten der Vermehrung von epischen Breitwandriffs eingemottet und klingen 2. nicht zuletzt deshalb wieder ein Stück eingängiger und intensiver als auf dem streckenweise etwas sperrigen (wenngleich unbestritten äußerst hochklassigen) "In Their Darkened Shrines"-Werk. Die Anzahl der Breaks ist etwas nach unten geschraubt worden, was auch "Chapter Of Obeisance ..." - der ganze Titel ist weiter unten nachzulesen - belegt, das zwischen purem Artillerie-Hagelsturm und den typischen monumentalen Gitarrenmelodien wechselt, die eben so klingen, wie sich der gemeine Bürger eine ägyptische Melodieführung vorstellt.
Das experimentellste Stück des Albums ist sicherlich "Lashed To The Slave Sticks" geworden. Druckvolle Uptempo-Drums vereinigen sich mit einem für Nile-Verhältnisse unspektakulären, aber enorm effektivem Leitriff. Die Rhythmusführung von Schlagzeuger Kollias in den doppelfußgepflasterten Strophen hat ebenso wie der zärtlich dahingegrunzte Gesang des Trios Karl Sanders/Dallas Toler-Wade/Jon Vesano (neuer Bassist) etwas beinahe meditatives, zurückhaltendes, was einen spannenden Kontrast abgibt, der erst durch brutale Blastbeats und von einem der vielen hochaufgetürmten Gitarrenberge auf- bzw. abgelöst wird.
Nachdem "Spawn Of Uamenti" als Intro für den Titeltrack herhält, mausert sich eben dieser anschließend zu einem der zehn Höhepunkte des Albums. Rasend schnelles Geblaste und enorm wuchtiges Midtempo treffen sich in einem geradlinigen, aber auch ausufernden Epos von neun Minuten. Allein für das hysterische Riff und das mörderische Drum-Geprassel in der Strophe des ersten Teils gebührt der Band ein Platz an der Spitze der DM-Szenenhierarchie und der zweite Teil zerrt mit drückendem Doom enorm im Nacken ... 10 Punkte außerdem - wieder einmal - für die Füße von Kollias (und ein heißes Entspannungsbad für dieselben).
Das abschließende "Von Unaussprechlichen Kulten" (frei nach Lovecraft) kommt ebenso lang und ebenso langsam daher, mit schleifenden Riffs und tiefer Brummelstimme, erinnert dabei manchmal an die Skandinavier Aeturnus zu "Ascension Of Terror"-Zeiten, ehe mit hymnischen Bläsersounds vor dem wieselflinken Gitarrensoloteil wieder ernst, d.h. ägyptologisch getan wird. Genial.
Der Rezensent strotzt vor Begeisterung und trieft vor Schweiß. Nile denken keinen Deut daran zu schwächeln. Eingängiger als noch zuletzt, direkter auf den Punkt als zuletzt, nichtsdestotrotz unverkennbar dieselbe, virtuos aufspielende und originelle Band mit derselben Filigranmähdreschermusik wie zuletzt. Auch textlich gibt man sich keine Blöße, was heißt, dass, wer mit der zugrundeliegenden Thematik nicht einigermaßen vertraut ist, nur Bahnhof verstehen würde, hätte sich Sanders nicht einmal mehr erbarmt, in den ausführlichen Linernotes offenzulegen, worum es in dem jeweiligen Song überhaupt geht. Diese Bemerkungen helfen dann zwar auch nicht, Verszeilen wie "Abata Ankh t Keth/Neba t Steb Tcha" ("Lashed To The Slavestick") zu verstehen, aber zumindest einzuordnen. Unabhängig davon jedoch bin ich ohnehin der Meinung, dass es nicht darum geht, dem Hörer das alte Ägypten inhaltlich näherzubringen (dafür sorgen dann doch eher einschlägige Lexika bzw. sonstige Fachliteratur), sondern durch eine einzigartige Gesamtatmosphäre zu fesseln und sich von anderen Bands elegant abzugrenzen. Beides ist vollauf gelungen. Gratulation dafür und allerhöchsten Respekt.
Kontakt: www.relapse.com

Tracklist:
1. Dusk Falls Upon The Temple Of The Serpent On The Mount Of Sunrise
2. Cast Down The Heretic
3. Sacrifice Unto Sebek
4. User-Maat-Re
5. The Burning Pits Of The Duat
6. Chapter Of Obeisance Before Giving Breath To The Inert On In The Presence Of The Cresent Shaped Horns
7. Lashed To The Slave Stick
8. Spawn Of Uamenti
9. Annihilation Of The Wicked
10. Von Unaussprechlichen Kulten
 




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