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NO MERCY mit Six Feet Under, Nile, Dark Funeral, Disbelief, Dying Fetus, Cataract, Wykked Wytch 18.03.2005 Glauchau, Alte Spinnerei
von ta
Kein Mitleid? Egal, es geht ja um Death Metal. Also ab nach Glauchau. Als ich halb acht die Spinnerei betrete, spielen Cataract gerade ihren letzten Song. Umstehende sagen mir, dass bereits seit einer Stunde gehäckselt wird. Wykked Wytch hätten wohl ein eher spärliches Publikum gehabt und Cataract seien zu hardcorelastig gewesen. Doch jetzt ist Death Metal angesagt, die Spinnerei ist gut gefüllt, ich auch. Doch Dying Fetus pusten flugs den Kopf wieder frei. Schneller, mit Grind-Versatzstücken durchzogener Death Metal zwischen Geschredder und Knatterwalze, Keifen und Gurgeln läuft bei den Anwesenden richtig gut rein und im Moshpit vor der Bühne geht die Post ab. Live wird mir überhaupt erst einmal durchsichtig, was die Band will. Auf Platte machen die Pfriemelriffs nämlich nicht so viel her, auf der Bühne dafür umso mehr. Härter gehts nimmer. Etwas nerven tun die extrem durch den Gurgelautomaten verfremdeten Vocals des glatzköpfigen Frontmanns, ansonsten: Daumen hoch. Auch dafür, dass die Texte nicht von sterbenden Föten handeln.
Disbelief liefern anschließend einen Auftritt, der gnadenlos in den Allerwertesten tritt. Zusammen mit dem neuen Langhaar an der zweiten Gitarre ist das Quintett inkl. Drummer Kai Bergerin ein Headbangerkommando sondersgleichen. Die Stageshow unterstützt perfekt die intensiven Kompositionen der Band, die allerdings einmal mehr durch einen schwachen Sound getrübt werden. Vermutlich ist es nicht ganz einfach, die enharmonischen Disbelief-Riffs live angemessen in einen gutes Klangbild zu überführen, denn alle anderen Bands hatten einen prallen Sound. Sei's drum, das Publikum freut sich nicht weniger als der Reviewer, vereinzelte Stagediver werden aber konsequent durch die ansässige Hallensecurity ins Publikum zurückgestoßen, kaum, dass sie die Bühne erklommen haben. Seltsames Manöver. Höhepunkte der Setlist: "Misery", "God? Master!" und der neue Stampfer "Rewind It All", der ein absoluter Live-Killer ist.
Dark Funeral, die einzige Black Metal-Band des Abends, sind als Einzige aus dem hohen Norden angereist. Schlagzeuger Matte Modin stakst in der Umbaupause mit Kapuze über die Bühne, damit niemand das kunstvoll gestaltete Pandagesicht beim Schlagzeugaufbauen sieht. Mit langem Deibelsfingerritual und der finsteren Ansage "God is not here today!" wird wieselflink losgesägt, aber Gott ist doch da, ist stinkig und lässt erstmal eine Gitarre ausfallen. Pech, wenn man auf der falschen Seite steht. Der Auftritt ist ebenso professionell wie durchschnittlich. Gepost wird gerne, Höhepunkte des Ganzen bleiben jedoch lediglich M.M.s affenschnelle Blastgewitter, die wirklich vom Feinsten sind, sowie die abartig schnellen Propellerbanger links vor der Bühne, die sich zu "Secrets Of The Black Art" (Hui) oder "When Angels Forever Die" (Doppelhui) beinahe den Kopf vom Rumpf schrauben.
Diese werden aber locker von einem Bassisten, der mir namentlich unbekannt ist, übertroffen. Bei Nile steht ein Kerl am Langholz, der fehlerfrei über sein Griffbrett rast und dabei ohne Pause die Matte kreisen lässt, obwohl die Hälfte der Songs aus Breaks besteht. Hammer! Die amerikanischen Ägyptologen sind mein persönlicher Sieger des Abends. Spieltechnisch allen anderen Bands um Längen voraus, songtechnisch ebenso anspruchsvoll wie abgefuckt, weil unbarmherzig schnell und höchst kompliziert, knüppelt sich das Quartett durch seinen Set, das neben bekannten Hymnen wie "The Blessed Death" (Opener), "Sarcophagus" und "Black Seeds Of Vengeance" (Rausschmeißer) auch gleich drei neue Songs vom im Mai erscheinenden neuen Album "Annihilation Of The Wicked" enthält, von denen besonders der doomige Titeltrack für ein Headbangermeer im Publikum sorgt, während sonst eher eine respektvolle als euphorische Haltung eingenommen wird. Dem etwas tapsigen, sehr sympathisch wirkenden Karl Sanders gefällt's trotzdem ebenso wie Leadsänger und Gitarrist Dallas Toler-Wade, der mit eindrucksvollem Haarkranz wie ein kleiner Death Metal-Opa wirkt, aber mit seinem perfekten Spiel für offene Mäuler sorgt, ebenso übrigens wie Schlagzeugtier Tony Laureano, bei dessen Geprassel einem Hören und Sehen vergeht. Strike!
Dagegen können Six Feet Under nicht anstinken. Die Kerls überraschen weder durch großartige Bühnenaction noch überragende Spieltechnik noch großartige Musik, aber schon beim Opener "Shadow Of The Reaper" bricht im Publikum ein Wirbelsturm aus und Diver fliegen im Akkord. Was für eine Stimmung! Und das bei einer Band, die bis auf Frontmann Chris Barnes eher unauffällig agiert. Der Genannte ist allerdings eine Ohrenweide. Was da dem Kehlkopf entspringt, kann nur vom Reißzweckengurgeln kommen - oder vom Kiffen, was philosophische Kostbarkeiten wie "Remember ... death ... is just a state of mind" nahelegen. Ansonsten tobt sich jetzt jeder aus, dem Nile zu komplex waren, und das sind viele. Nach "War Is Coming" wird bereits der erste Kollabierte von den Kumpanen an mir vorbeigetragen, nach "Feasting Of The Blood Of The Insane", einem zugegebenermaßen richtig klasse Song, folgt gleich der Nächste. Die Luft in der Spinnerei ist in der Tat unerträglich und wer weiter vorne nicht beständig ein Auge auf die Bühne wirft, hat schnell einen Hüpfer im Nacken. Apropos Stagediving: Chris Barnes ist von der Hallensecurity mehr als genervt. Soweit, so gut. "If you hurt the divers further, I will hurt you!", droht der Rastazottel. Und bevor der Schubser sich rechtfertigen kann, bekommt dann tatsächlich er eins auf die Mütze - Reaktion genauso beknackt wie die Aktion. Kein Kommentar.
Als halb zwei der Vorhang fällt, kann kaum noch einer ordentlich einen Fuß vor den anderen setzen - das nächste Mal dürfen es ruhig ein, zwei Bands weniger sein. Aber wir wissen ja: No Mercy. Ohne Zweifel. Bis nächstes Jahr.
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