www.Crossover-agm.de MYSTICA: Dreams In Real Forms
von rls

MYSTICA: Dreams In Real Forms   (Eigenproduktion)

Bulgarien hat für den Freund progressiven Rocks bzw. Metals ja schon das eine oder andere Schmankerl bereitgehalten - der Progrockfreund erinnert sich möglicherweise noch an FSB, dem Progmetalanhänger dürften aus der jüngeren Zeit Music Station oder auch Krossfire etwas sagen. In diese Riege reihen sich nun auch Mystica mit ihrem bisher einzigen abendfüllenden Werk ein, wobei "abendfüllend" nicht so ganz wörtlich zu nehmen ist: "Dreams In Real Forms" bringt es lediglich auf sieben Songs, und die CD bleibt nach atomuhrgenauen 34:34 Minuten Laufzeit stehen. Immerhin bieten Mystica wenigstens Klasse statt Masse: Sie haben zwar noch keine ganz großen Songs geschrieben, aber die sieben hier vertretenen sind allesamt als gut bis sehr gut anzusprechen, wobei eine kuriose Verteilung auffällt: Die längeren, etwas ausladender arrangierten Songs versammeln sich eher in der vorderen Albumhälfte, während hinten eher kompaktere Songs stehen, bei denen man sich hier und da sogar gewünscht hätte, die eine oder andere Idee wäre noch etwas detaillierter ausgearbeitet worden. Denn Ideen gibt es in den Songs durchaus zuhauf, und in den meisten Fällen schafft es Alleinkomponist/Gitarrist Rosen Kolev auch, diese sehr songdienlich einzusetzen und ihnen den nötigen Freiraum zur Entfaltung zu geben, anstatt den Hörer mit immer neuen Einfällen zu bombardieren und ihn damit zu überfordern. Das schließt überraschende Wendungen natürlich nicht aus, etwa wenn "Clown" mitten in der ersten Strophe plötzlich in einen nervösen Halbakustikpart wechselt, der beim ersten Hören völlig unklar wirkt, sich aber später durchaus als songgliederndes Element herausstellt und eine Ergänzung durch weitere Akustikparts erfährt. Spätestens hier, aber auch schon in "Dying Dreams" mit seinem relativ schleppenden Tempo fühlt man sich bisweilen an die Schweden Veni Domine erinnert, die Akustikparts bisweilen ähnlich einzuflechten pflegten, und auch die harten Passagen weisen durchaus eine gewisse Verwandtschaft auf, wenngleich Mystica unterm Strich doch ein wenig schneller zu Werke gehen als die Gebrüder Weinesjö und ihre Spießgesellen - für Progmetalverhältnisse liegt ihre Durchschnittsgeschwindigkeit allerdings trotzdem relativ weit unten. Dafür tut Drummer Antonio Velkov fast alles, um dem progressiven Anspruch Mysticas gerecht zu werden: Er weiß sich in den richtigen Momenten zurückzunehmen, etwa in der romantischen Strophe von "Way To Another World", aber ansonsten reichert er sein Spiel mit enorm vielen Fills, Schlagverschiebungen, Wirbeln und anderen Finessen an, wodurch er beim einfacher gestrickten Hörer zwar Herzflattern hervorrufen wird (Vorsicht beispielsweise im Finale von "Clown"!), aber den Liebhaber außergewöhnlicher Rhythmuskonstruktionen nachhaltig zu begeistern weiß. Hier gibt es also eine ganze Menge zu entdecken, und trotzdem bleiben Mystica immer im melodischen und von dieser Warte aus durchaus nachvollziehbaren Bereich, wenngleich sie auf Zutaten wie einprägsame Refrains komplett verzichten. Dabei könnten sie dieses Stilmittel durchaus einsetzen: Mit Vladimir Georgiev steht ein Könner am Mikrofon, der einen Tick tiefer und dunkler singt als Fredrik Olsson von Veni Domine, aber statt dessen durchaus mit seinem Landsmann Dimo Petrov von Krossfire verglichen werden kann, wobei man ihm diesen irgendwie typischen osteuropäischen Unterton aber nicht so stark anhört. Interessanterweise setzt Kolev allerdings gar nicht so stark auf die Trumpfkarte Georgiev - er baut häufig lange Instrumentalpassagen ein, und bei manchen Songs vermutet man sogar komplette Instrumentalstücke, bis Georgiev dann nach einer langen Einleitung doch noch zu Wort kommt (nur "Impression" entpuppt sich dann doch als Instrumentalstück. Passend hierzu enthält das Booklet keine Lyrics, sondern statt dessen eine kleine mystische Geschichte, in der dann irgendwo die Songtitel vorkommen, zumindest die ersten sechs - Song 7 heißt nämlich "Spartak" und ist als einziger nicht in Englisch, sondern in Bulgarisch betextet. Ob es sich um ein Konzeptalbum handelt und dieser Song quasi als Zugabe fungiert, erscheint möglich, aber es sind auch andere Strukturmodelle denkbar. Noch etwas fällt im Booklet auf: Mystica gehen in einheitlicher Kleidung auf die Bühne, nämlich in hellen Hosen und dunklen Shirts, auf denen ein großer Ring abgebildet ist. Die dadurch symbolisierte Bandeinheit ist allerdings mittlerweile schon wieder zerbrochen, und von der Besetzung auf "Dreams In Real Forms" ist mittlerweile außer Kolev nur noch Keyboarderin Sonia Spasova übriggeblieben - ergänzt durch vier neue Musiker, darunter eine gemischtgeschlechtliche Gesangs-Doppelspitze, ist aktuell noch eine Ein-Track-Single aufgenommen worden, die der Rezensent bisher aber noch nicht zu Gehör bekommen hat. Derweil sollten sich Liebhaber komplexen, aber melodischen Progmetals auf die Suche nach diesem kurzen, aber intensiven Albumvergnügen machen, dessen Farbgestaltung übrigens ein wenig an Krossfires "Learning To Fly" (das allerdings später erschienen ist) erinnert und damit einen finalen Querverweis auf die Zielgruppe gibt, auch wenn Krossfire im Direktvergleich allein schon durch ihre Refrains deutlich zugänglicher musizieren.
Kontakt: www.mysticaband.net

Tracklist:
The Lake
Dying Dreams
Clown
Way To Another World
Mystica
Impression
Spartak
 




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