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KROSSFIRE: Learning To Fly
von rls

KROSSFIRE: Learning To Fly   (Pure Steel Records)

Im Booklet liest man einen Dank an die Free Motor Society in Bulgaria und speziell den Motorradclub The Black Roses aus Kazanlak - das weckt natürlich gewisse Erwartungen an den Musikstil der Band. Umso überraschter ist man dann über "War Machine", das dem schönen Keyboardintro "Visions" folgt: Angeproggter Melodic Metal mit Fokus auf "Melodie" und "Prog" ist nun wirklich nicht die Musik, die man gemeinhin mit Motorradclubs in Verbindung bringt. Keine Ahnung, wie eventuelle personelle Querverbindungen der Band zum Club gestaltet sein könnten - aber unabhängig davon haben die bulgarischen Biker offensichtlich einen exzellenten Geschmack und zudem einen Sinn für viel Gefühl: "The One", der Closer von "Learning To Fly", ist nämlich eine Halbballade mit der Widmung "to my beloved wife", wobei allerdings kurioserweise offenbleibt, wessen Ehefrau damit denn nun gemeint ist. Den Text hat jedenfalls Sänger Dimo Petrov verfaßt, ergo wäre seine Gattin Kandidatin Nr. 1. Die zugehörige Musik allerdings ist eine Gemeinschaftsproduktion von Petrov und Keyboarder Peter Boshnakov, welchletzterer auch für das Orchesterarrangement verantwortlich zeichnet - seine Gattin käme also als Kandidatin 2 in Frage. Kandidatin 3 schließlich wäre Violeta Kusheva, offenbar die Angetraute von Gitarrist und Hauptkomponist Georgi Kushev, die in diesem Song die weibliche Gesangsrolle übernimmt. Sei es, wie es sei, "The One" ist ein einfach nur schöner Song, der jedem glücklich liierten Menschen als Soundtrack für seine Partnerschaft ans verliebte Herz gelegt sei.
Vor "The One" aber stehen noch zwei Instrumentalstücke (neben dem bereits erwähnten "Visions" noch das Interludium "Icaria", ein einfühlsamer Dialog zwischen Keyboard und Gitarre) und sieben reguläre Songs, allesamt von exquisiter Qualität, selbst wenn einige Breaks und Tempowechsel ein wenig Gewöhnungszeit erfordern. Dann aber offenbart sich ein beeindruckendes Gesamtbild, das in sehr geschickter Weise Anspruch, Emotion und Eingängigkeit koppelt und einerseits ein wenig zwischen den Stühlen sitzt, andererseits aber gerade dadurch diversen Klischees aus dem Wege geht. Dabei halten sich die fünf Bulgaren gleichermaßen vom gängigen Euro-Melodic-Speed wie von der skandinavischen Melodic-Schiene fern, aber sie häufen auch nicht zum Selbstzweck ein Break ans andere, wie man das diversen Progbands gerne nachzusagen pflegt. Und obwohl Kushev und seine Mannen das musikalische Rad natürlich nicht neu erfinden, fällt es einem schwer, konkrete Vergleichsbands zu benennen. Manchen Melodielinien wie gleich der im Refrain von "War Machine" allerdings kann man eine gewisse osteuropäische Neigung nicht absprechen - diverse russische Bands gestalteten solche Passagen bisweilen durchaus ähnlich, und an erster Stelle fallen einem da die formidablen Catharsis ein, deren Oleg Zhiljakow auch von der Stimmfärbung her durchaus ein wenig an Petrov erinnert. Und überhaupt sollten Catharsis-Anhänger auch Krossfire durchaus mal genauer unter die Lupe nehmen, denn auch im instrumentalen Bereich gibt es die eine oder andere Parallele zu entdecken. Der Titeltrack wiederum erinnert entfernt (!) an Savatage, und wären Lanfear vor "The Art Effect" nicht fast übergangslos vom Prog Metal in den Power Metal gewechselt, hätten einige Songs von "Learning To Fly" durchaus auf ein hypothetisches Zwischendurch-Album gepaßt. Und obwohl "Angels Cry" kein Angra-Cover darstellt, sollten auch Anhänger der Brasilianer hier durchaus mal ein Ohr riskieren, wenn sie nicht auf Speedtempi fixiert sind - über gehobenes Midtempo (Spitzenwert: einige Passagen in "Touch Of Destiny") gehen Krossfire nämlich nicht hinaus. "Learning To Fly" ist zwar das erste Album der Bulgaren in ihren immerhin bereits zweistelligen Existenzjahren, aber die Erfahrung hört man ihnen auch an, zumal sie als eine von wenigen osteuropäischen Bands in sehr stabilen Line-up-Verhältnissen musizieren: Drei der fünf Gründungsmitglieder von 2001 sind noch dabei, Petrov kam 2003 dazu und Boshnakov schließlich 2007 als Ersatz für den Zweitgitarristen Nikola Ivanov, was einen gewissen Wechsel in der musikalischen Ausrichtung ergeben haben wird - musikalische Zeugnisse der früheren Schaffensperiode mit zwei Gitarristen und ohne Keyboarder sind aber nicht überliefert. Dagegen könnte mancher Leser "Touch Of Destiny" in der 2008er Demofassung (eine reichliche Minute länger als die neu eingespielte Version auf "Learning To Fly") kennen, denn die Spürnasen vom "Heavy"-Magazin hatten diese auf Vol. XVIII ihrer Samplerreihe "Metal Crusade" gepackt. Unabhängig davon sollte aber wirklich jeder Anhänger anspruchsvollen melodischen Metals "Learning To Fly" seiner Kollektion zuführen, denn sonst entgeht ihm ein Highlight der osteuropäischen Szene. www.karthagorecords.de ist bei der Beschaffung gern behilflich.
Kontakt: www.puresteel-records.com, www.krossfirebg.com

Tracklist:
Visions (Intro)
War Machine
How Can There Be...?
Icaria
Learning To Fly
Touch Of Destiny
False Reality
Angels Cry
Cold Winds
The One


 



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