www.Crossover-agm.de MYSTERY: At The Dawn Of A New Millennium
von rls

MYSTERY: At The Dawn Of A New Millennium   (Unicorn Records)

Wer braucht eigentlich eine Best of einer Band, die außer gewissen Spezialistenkreisen niemand kennt? Eine Frage, die zugegebenermaßen nicht ganz einfach zu beantworten ist. Fakt ist, daß Mystery eine Band sind, die man außerhalb der progressiven Welt noch in keinster Weise wahrgenommen hat, obwohl sie immerhin schon seit 1986 aktiv sind, auf drei eigene Tonträgerveröffentlichungen zurückblicken können und man qualitativ durchaus Überdurchschnittliches von ihnen erwarten darf. Vielleicht liegt die Unbekanntheit daran, daß die Band in Kanada residiert, von wo aus man es als Band immer ein wenig schwerer hat, als wenn man meinetwegen aus England käme. Der äußere Anlaß für die vorliegende CD ist nun aber wohl kaum der titelgebende Sprung ins neue Jahrtausend (auch kommerzielle Hintergedanken kann man angesichts oben beschriebener Situation getrost ausschließen), sondern der Fakt, daß an der Schwelle zu besagtem neuem Jahrtausend Sänger Gary Savoie seinen Dienst am Frontmikro quittierte, den er über fast eine Dekade hinweg ausgeübt hatte. Bandkopf Michel St.-Pére hält ihn für einen der begnadetsten Progrocksänger, der unter der Sonne herumläuft (die Trennung erfolgte übrigens aufgrund musikalischer Differenzen über den einzuschlagenden Weg), und wollte ihm deshalb mit dieser CD noch ein kleines Denkmal zum Abschied setzen. Der Sänger prägt den zu hörenden Neoprog, der eine gewisse Seelenverwandtschaft zu alten Marillion und Pallas nicht leugnen kann, recht deutlich, dominiert ihn aber nicht unnatürlich stark. Ein paar kleine Phil Collins-Parallelen sind rauszuhören, aber ähnlich wie Larry B. von Toxic Smile umschifft Gary den Kopistenstatus deutlich, wenn auch auf andere Weise. Er legt streckenweise viel Pathos in seine Stimme - etwa im appellartigen Anfang von "Cinderella" ist dies sehr schön herauszuhören - und bekommt von seinen Bandkollegen eine Reihe von Freiräumen zugewiesen, vor allem im ruhigeren Bereich, wo er sein Können eindrucksvoll unter Beweis stellen kann, damit nicht gerade kleine Fußstapfen hinterlassend. In diese ist mittlerweile Benoit David gestiegen, und im Song "Beneath The Veil Of Winter's Face", der bereits auf dem dritten DURP-Sampler verewigt wurde, zeigt dieser, daß er den Platz am Mikro anders, aber keineswegs schlechter auszufüllen in der Lage ist (übrigens ist mir ein Dreivierteljahr nach dem Review dieses DURP-Samplers immer noch nicht eingefallen, an wen mich der neue Sänger erinnert). Aber kehren wir zum vorliegenden Silberling zurück: Dieser vereint in seinen 70 Minuten Spielzeit Material aller drei Mystery-CDs in sich, wobei der aktuelle Tonträger "Destiny?", der allerdings auch schon von 1998 stammt und auch regulär in Europa via Musea veröffentlicht wurde, den Löwenanteil einnimmt, da unter seinen fünf vertretenen Songs mit "Shadow Of The Lake" allein schon ein Viertelstünder zu finden ist. "Theatre Of The Mind" aus dem Jahre 1996 steuert drei Tracks bei, darunter das wunderbare "Black Roses", dessen Emotionenpotential tatsächlich zwischen allen Polen, die man mit einer schwarzen Rose assoziieren kann, durch den Garten schwebt. Vom selbstbetitelten Debütfünftracker, der 1992 das Licht der Welt erblickte, ist das bereits erwähnte "Cinderella" vertreten. Dazu kommt mit "In My Dreams" eine prächtige Ballade, die gleich auf beiden Früh-CDs stand, wobei ich vermute, daß die hier zu hörende Version die von "Theatre Of The Mind" ist, da dieser Track auf "Mystery" gasthalber von Garys Bruder Ray Savoie eingesungen worden war. Da sich alle drei CDs nicht in meiner Sammlung befinden, kann ich nicht beurteilen, ob die hier verewigten Versionen in irgendeiner Weise von den regulären Albumversionen abweichen. Sowohl im Infoblatt als auch im Booklet lassen sich allerdings keine Indizien dafür ausmachen. Rein musikalisch ist jedenfalls kein Ausfall zu beklagen. Zahlreiche Akustikparts bringen relaxte bis romantische Stimmungen zum Ausdruck, Energie wird weniger durch Tempo als durch kräftigere Riffs und ein druckvolleres Schlagzeug erzeugt, die Keyboards stehen weniger im Vordergrund, als man das von vielen anderen Progbands kennt, statt dessen werden aber diverse andere Instrumente wie Violinen oder Flöten geschickt in den Sound eingewoben, und nicht mal vor dem Einsatz eines Saxophones schrecken die Kanadier zurück. Daß der Anfang von "Shadow Of The Lake" vom melodischen Aspekt her ein wenig an Memento Moris "Heathendom" erinnert, darf getrost als Zufall gewertet werden - Mystery haben es nicht nötig, irgendwo plump zu klauen, auch wenn mir mehr als einmal "Beat The Drum" von Pallas in den Hinterkopf kommt, wenn ich "At The Dwan Of A New Millennium" höre. Kann auch purer Zufall sein, weil ich ebenjene Scheibe vor kurzem mal wieder im Autoradio laufen hatte. Somit hätten wir in Gestalt von Mystery eine sehr entdeckenswerte Band des Progrockspektrums vor uns, und der vorliegende Silberling dürfte zum Reinschnuppern ganz nützlich sein. Hat man allerdings schon alle Mystery-CDs im Schrank, kann man sich den Erwerb auch schenken, da wie gesagt keinerlei unveröffentlichtes Material an Bord zu sein scheint und der Bookletvierseiter zwar sehr informativ gehalten ist, aber mit Gimmicks wie rarem Bildmaterial oder so ebenfalls geizt. Spannung aufs neue Material von Mystery ist eh am meisten schon durch den Track auf dem DURP-Sampler erzeugt worden. Wer "At The Dawn ..." nicht im Laden findet (wovon auszugehen sein dürfte ...), kontakte Unicorn Records, PO Box 95016, Lorraine, Quebec, Canada J6Z 4P1, www.unicornrecords.com
 




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