www.Crossover-agm.de LOUDNESS: Eve To Dawn
von rls

LOUDNESS: Eve To Dawn   (FrostByte Media)

Für ihr 2005er Album "Racing" hatten Loudness bei Kollege Georg nur wenige Punkte einfahren können - zwar war dort die Originalbesetzung wieder am Start, aber diese fabrizierte nun nicht etwa wieder den gewohnten melodischen, aber kraftvollen Traditionsmetal der 80er, sondern deutlich modernisierteren und melodieärmeren Metal mit Core-Einflüssen und einer damals für zeitgemäß gehaltenen Produktion. Ähnlich müssen viele andere europäische Altfans gedacht haben, denn Loudness-Alben rangierten in Europa von da an nur noch unter ferner liefen oder wurden hierzulande gar nicht erst veröffentlicht, obwohl die Band in ihrem Heimatland Japan weiterhin kontinuierlich neue Platten herausbrachte. Zu denen gehört auch "Eve To Dawn", hier in einer US-Lizenzpressung von FrostByte Media vorliegend, aber von den Songs her offensichtlich mit dem japanischen Original von Tokuma Communications identisch (und unter dem Cleartray des Digipacks auch einen japanischen Text beinhaltend, den der Rezensent allerdings nicht lesen kann, so daß er sich auf die Feststellung beschränken muß, daß ebendort auch noch ein großes Banner prangt, das auf das 30jährige Bandjubiläum hinweist). Die Originalbesetzung ist hier allerdings nicht mehr am Werkeln - Drummer Munetaka Higuchi weilt nicht mehr unter den Lebenden, und sein Ersatz hört auf den Namen Masayaki Suzuki und durfte auch das Stück "Survivor" komponieren, das insgesamt betrachtet schnellste auf dem Album (gemeinsam mit "Hang Tough", dem die doomigen Breaks und ein ausgedehntes Bluessolo die Tempoquote versauen, auch wenn sie für sich betrachtet richtig gut gelungen sind), allerdings trotzdem immer mal ins treibende Midtempo zurückschaltend, diese Passagen freilich geschickt ins Gesamtarrangement integrierend, auch wenn der merkwürdige Gitarrensound, der an eine miauende Katze erinnert, nicht jedermanns Sache sein dürfte und zudem die äußerst druckvolle, aber eben auch konsequent moderne Produktion den Traditionalisten unter den Hörern eine schwierige Aufgabe zu lösen gibt, wenngleich diese deutlich leichter zu bewältigen ist als die, sich "Racing" schönzuhören. Freilich gibt es da noch ein anderes Problem. Der Rezensent hat Loudness erst mit dem "On The Prowl"-Album kennengelernt, auf dem bereits nicht mehr Minoru Niihara, sondern schon Michael Vescera sang, und er ist daher nicht auf Niiharas Stimme im Loudness-Kontext fixiert. Nun ist Niihara seit einigen Jahren aber wieder mit dabei, was Nostalgiker zunächst freuen wird, sie aber vor das erwähnte Problem stellt: Niihara hat stimmlich extrem abgebaut, bekommt die früheren Höhen so gut wie gar nicht mehr hin und hat sich daher auf ein krächzendes Shouten verlegt, dessen Melodiehaltigkeit arg in der Nähe des Erdbodens anzusiedeln ist. Würde er das wenigstens kraftvoll tun und damit den Songs zumindest noch einen Energieschub verleihen, fiele es leichter, das zu akzeptieren - aber er klingt auch noch ziemlich angestrengt und bisweilen gar richtiggehend kurzatmig, so daß man mehrere Durchläufe braucht, um sich zumindest halbwegs an diese Lautäußerungen zu gewöhnen, und sie gar lieben zu lernen dürfte eine extrem schwierige bis unlösbare Aufgabe sein. Der Refrain von "Gonna Do It My Way" zeigt als eine von ganz wenigen Stellen, daß Niihara immer noch singen kann - nicht mehr so wie früher, aber zumindest mit Melodiehaltevermögen (vielleicht ist an den betreffenden Stellen aber auch Akira Takasaki zu hören, der für diesen Song als Zweitsänger angegeben ist). Trotzdem ist insgesamt festzuhalten, daß seine Stimme eine schwere Hypothek für die "neuen" Loudness darstellt, zumindest dann, wenn sie wieder eher traditionsmetallisch klingen. In den doomigen Breaks von "Hang Tough", die fast in Richtung Stoner Rock weisen, paßt die Stimme besser, aber rein technisch besser wird sie dadurch nicht, und Loudness als Stoner-Rock-Band würde wohl auch niemand wollen. Allerdings beweist schon der dem noch die Möglichkeit auf Großes offenlassenden Intro "A Light In The Dark" folgende Opener "The Power Of Truth", daß sich Loudness durchaus auch im massiven Midtempo-Power Metal wohlfühlen, wobei sie wie viele andere Bands mittlerweile allerdings auch der Theorie anhängen, man dürfe möglichst keinen Song in althergebrachter Weise aus einer Grundidee heraus entwickeln und im gleichen Tempo durchspielen, auch wenn ihr Songwritinggespür zumindest ausreicht, den alten Metalcore-Fehler zu vermeiden, in jedem Song ihr komplettes Stilspektrum zeigen zu müssen. Außer in "Survivor" hat Bandkopf/Gitarrist Akira Takasaki auch noch in "Keep You Burning" das Songwritingzepter abgegeben, diesmal an Bassist Masayoshi Yamashita, der allerdings bis auf einen ganz leichten "kommerziellen" Touch nichts Ungewohntes einbringt - für das sorgt Takasaki beispielsweise mit diversen Blues-Schmitzern schon selber. Nur einmal spielen Loudness auf diesem Album äußerst geradlinig und, wenn sich das Grundthema herausgebildet hat, experimentefrei: im Instrumentalstück an Position 8, das den japanischen Titel "Kidoairaku" trägt und vom Grundthema her so variationsarm herüberkommt, daß man sich hier nun wieder ein wenig mehr Abwechslung gewünscht hätte. Die kommt dann im langen Instrumentalintro von "Comes The Dawn", das mit völlig schrägen Taktzahlen anhebt, aber später ins gewohnte Viertelschema übergeht, freilich ideenreich arrangiert (man achte auf den dezent sinfonischen Touch!) und damit richtig interessant ist - man hofft sogar vage auf ein weiteres Instrumentalstück, aber dann beginnt Niihara kurz vor Minute 1:30 doch noch zu singen. Immerhin bringt er hier eine seiner besten Leistungen auf dem Album und macht diesen ziemlich eingängigen Song auch zum besten der gesamten 54 Minuten. Auch "Pandora" ist nicht schlecht, aber mit seiner doomigen, fast grungekompatiblen, aber näher an Black Sabbath liegenden Ausrichtung für Loudness-Altfans vermutlich eher schwer genießbar, während der unauffällige Midtempo-Metal von "Crazy! Crazy! Crazy!" das Album traditioneller, aber deswegen nicht gleich besser abschließt, obwohl er durchaus nicht schlecht ist. Aber richtige Begeisterung will hier nicht aufkommen (man nehme nur mal die völlig deplazierte Bassdrum-Attacke kurz vor Schluß her), obwohl die Produktion dieses Songs deutlich transparenter und damit im besten Sinne altmodischer als die der restlichen Scheibe ausgefallen ist und auch Niihara hier nochmal zumindest halbwegs brauchbar singt. "Eve To Dawn" ist neutral betrachtet kein schlechtes Album, aber vor allem das Sängerproblem wäre auch dann virulent, wenn nicht der Bandname Loudness, der zu einigen Erwartungen berechtigt, draufstehen würde.
Kontakt: www.loudnessjp.com

Tracklist:
A Light In The Dark
The Power Of Truth
Come Alive Again
Survivor
Keep You Burning
Gonna Do It My Way
Hang Tough
Kidoairaku
Comes The Dawn
Pandora
Crazy! Crazy! Crazy!



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