www.Crossover-agm.de LANFEAR: The Code Inherited
von rls

LANFEAR: The Code Inherited   (Pure Legend Records)

Nach ihren im Prog (und da teilweise eher im Progrock als im Progmetal) angesiedelten Frühwerken wechselten Lanfear mit ihrem 2003er Werk "The Art Effect" nicht nur ihren Sänger, sondern auch gleich noch ihren Stil in Richtung freilich immer noch angeproggten, aber insgesamt doch sehr viel geradlinigeren Power Metals eher amerikanischer denn europäischer Prägung. Zwei Alben später stand abermals ein Sängerwechsel an, und interessanterweise ging selbiger abermals mit einer Stilkorrektur einher, diesmal allerdings in rückwärtiger Richtung: Auf "X To The Power Of Ten" verband die Truppe ihren Früh- mit ihrem Mittelstil und schuf das, was mit den Folgealben "This Harmonic Consequence" und dem nun vorliegenden "The Code Inherited" beibehalten worden ist und daher in der irgendwann anstehenden rückwärtigen Betrachtung der Bandgeschichte vielleicht als Spätstil bezeichnet werden wird, nun eindeutig im melodischen Prog Metal anzusiedeln, diesen zwar in fortschrittlicher Hinsicht auch nicht um ein Jota voranbringend und daher nicht mit der ursprünglichen Bedeutung von "progressiv" gleichzusetzen, aber sich innerhalb eines selbstgewählten Rahmens mit größter Souveränität bewegend und durchaus einige originelle Elemente einpflanzend, etwa das jazzige Break in "Evidence Based Ignorance" oder die futuristisch-technologischen Sounds im knapp elfminütigen Titeltrack, der sich textlich mit Fragen der Entschlüsselung des menschlichen Erbgutes auseinandersetzt. Mit dem Closer "Summer Of '89" hingegen gönnen sich Lanfear einen Spaß in einer ganz anderen Richtung - die Titelanspielung auf Bryan Adams ist natürlich gewollt, aber hier sind die Reminiszenzen halt 20 Jahre jünger und der Sarkasmus, so aussehen und sich so fühlen zu wollen wie in Zeiten, die man gar nicht miterlebt hat, ausgeprägter. Musikalisch muß sich dieser Track natürlich vom Rest des Albums unterscheiden, und so hat Alleinsongwriter/Gitarrist Markus Ullrich hier einen fröhlichen Melodic-Rock-Singalong mit Augenzwinkern in Richtung der amerikanischen Gute-Laune-Rocker der späten Achtziger oder auch deren deutschen Pendants wie Vice (wer erinnert sich noch an "Made For Pleasure"?) geschaffen und war in diesem Fall auch am Textdichten beteiligt, während das in den anderen Songs die alleinige Domäne von Sänger Nuno Miguel de Barros Fernandes darstellt. Den kennt der deutsche Progmetalinsider vielleicht noch von Anguish, deren "Symmetry"-Album von Kollege Tobias als perfekt eingespielt, aber Standardformeln folgend bezeichnet wurde. Nun erfinden auch Lanfear wie beschrieben das Rad nicht neu, aber einen weniger standardisiert wirkenden Zugang darf man ihnen zweifellos attestieren, wenngleich da noch ein anderes Problem wäre, das ebenfalls Tobias bereits angesprochen hat, diesmal in seiner Rezi zu "X To The Power Of Ten": Der Sänger wirkt in den shoutenden Passagen viel zu angestrengt und zu bemüht, und unglücklicherweise gibt es von denen gerade im harten Opener "The Delusionist" eine ganze Menge, was den Mal-Reinhörer wirksam abschrecken könnte, wodurch ihm dann freilich Fernandes' wirkliche Stärke entgeht - der Mann leistet im melodischen Gesangsfach sehr Achtbares, und da Ullrich um diese Stärke weiß, dominieren solche Passagen in den 46 Minuten von "The Code Inherited" auch, gekrönt von einigen äußerst eingängigen, aber nicht platten Refrains, von denen interessanterweise auch "The Delusionist" einen hat, getoppt allerdings noch von "The Opaque Hourglass", während das ein wenig an Threshold erinnernde "Self-Assembled" bis zum Reviewzeitpunkt noch nicht ganz entschieden hat, in welcher Qualitätsrichtung es gern angesiedelt werden möchte. Das bombastische Orgeldoomintro von "The Delusionist" findet in der weiteren Musik leider keine Entsprechung, dafür erbringt seine erste Strophe aber den Beweis, daß Onomatopoesie ja ein ganz nettes Stilmittel sein kann, die Generalpause auf die Phrase "must be stopped!" aber eher bemüht wirkt. Verfällt Jürgen Schrank in "Converging Saints" hingegen mal kurz in Blastbeats, so stolpert man beim ersten und zweiten Hören auch noch, bevor sich dieses Element aber logisch in die umliegende dramatische Passage einzufügen beginnt. So ist der Hörer von "The Code Inherited" irgendwie hin- und hergerissen: Daß Lanfear Könner sind, steht außer Frage, und sie wissen dieses Können auch in für Genreverhältnisse überraschend kompakte Songs zu gießen (vom Titeltrack und dem mit markanter Baßarbeit im Mittelteil aufwartenden Sechseinhalbminüter "Remain Undone" abgesehen dauert keiner der acht Songs länger als fünfeinhalb Minuten), aber das letzte Quentchen Begeisterung will sich nicht immer einstellen. Das Infoblatt empfiehlt Songs wie "The Delusionist" für Freunde von Nevermore oder Communic, aber die Threshold-Fangemeinde kommt mit dem Gesamtwerk vielleicht besser zurecht und die von Fates Warning auch.
Kontakt: www.lanfear.eu, www.purelegend-records.com

Tracklist:
1. The Delusionist
2. The Opaque Hourglass
3. Evidence Based Ignorance
4. The Code Inherited
5. Self-Assembled
6. Converging Saints
7. Remain Undone
8. Summer Of '89
 




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