LANFEAR: X To The Power Of Ten von ta (Locomotive Records)
Bei den Prog-Metallern Lanfear gibt es neben dem Labelwechsel zwei Änderungen zu vermerken. Erstens, Sänger Tobias Althammer ist 2006 ausgestiegen und wurde durch Nuno Miguel de Barros Fernandes ersetzt. Den kennt der Prog-Insider von Anguish. Zweitens, nach zwei recht amerikanisierten Alben kehren die Heilbronner jetzt wieder ein gutes Stück nach Europa zurück - "X To The Power Of Ten" ist nicht so hart wie "The Art Effect"/"Another Golden Rage", etwas weniger riffbetont und voranpreschend. Auf der Habenseite rücken damit viele Gesanglinien plötzlich in den Mittelpunkt, so dass ein Track wie die Semiballade "The Question Keeper" beinahe etwas an Fates Warning erinnert. An die habe ich bei der leider etwas käsig ausgefallenen anderen Semiballade "Just Another Broken Shell" ebenfalls gelegentlich gedacht. Auch die Dynamik ist wieder ausgeprägter. Das hat zur Folge, dass viele Übergänge zwischen sehr verschiedenen Parts nötig sind und hier waren Lanfear von jeher Könner. Die Arrangements sind erstklassig und stimmig, kein Part wirkt deplatziert, jeder Song entwickelt seinen eigenen flow - Zweifler sollen sich mal das programmatisch betitelte "A Twin Phenomenon" einfahren: Hier wird spielerisch zwischen Thrash-Uptempo-Beats und sphärischen, ruhigen Strophen gewechselt und im treibenden Refrain erklingt im Hintergrund sogar ein an Dancefloor erinnernder Synthie - und irgendwie funktioniert das Ganze. Die ruhigen Passagen sind rein instrumental wirklich hochklassig. Die Eröffnungspassagen von "Synaptogenesis" und "Jugglin' At The Edge" sind nicht nur kompositorische Glanzlichter, sondern auch von den Klangfarben her austaxiert bis ins Detail. An "Synaptogenesis" lässt sich allerdings auch das Manko von "X To The Power Of Ten" verdeutlichen: Neuzugang Fernandes überzeugt in den harten Passagen nicht. Zwar ist die Musik von Lanfear wie bereits gesagt wieder melodiöser geworden, aber nichtsdestotrotz sind einige Brecher auf dem Album zu finden, die einer härteren Gangart im Gesang bedürfen. Das hymnische, pathetische Timbre von Vorgänger Althammer war hier perfekt, die in eine sanftere Richtung weisende, weiche Stimme von Fernandes kann diese Lücke nicht ganz füllen und die harten Stellen in "Synaptogenesis" machen einen merkwürdig unbeteiligten Eindruck. Ähnliche Probleme habe ich mit "My Will Be Done", hier wirkt der Gesang künstlich auf hart getrimmt und die Eintonmelodie in den Strophen aufgesetzt. Und bei "Seeds Of The Plague", dem Abschlusstrack des Albums, der teilweise lupenreines Thrash Metal-Riffing feilbietet und live ein Brecher werden dürfte, habe ich glatt ein wenig wehmütig daran gedacht, was hier vielleicht für eine Hymne hätte draus werden können, wenn Althammer sie performt hätte.
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