www.Crossover-agm.de
GRZEGORZ KUPCZYK & KRUK: Memories
von rls

GRZEGORZ KUPCZYK & KRUK: Memories   (Metal Mind Productions)

Die Duplizität der Ereignisse scheint frappant: Der Sänger einer legendären Metalband aus einem ehemals sozialistischen östlichen Nachbarland Deutschlands spielt nach der Trennung von besagter Metalband ein Coveralbum der im Rockkontext weit bis sehr weit in die Historie zurückgreifenden Materialsparte ein. Damit hat es sich allerdings auch schon mit den Parallelen - und die Unterschiede sind dann doch relativ umfangreich. Zum einen trug das Album von Ales Brichta, Pavla Kapitanova und ihren Gästen nicht umsonst die Bezeichnung "Legendy II", denn den ersten Teil hatte es schon gegeben, als Brichta noch bei Arakain sang (somit firmierte auch das Album unter Arakain), während zumindest mir von Grzegorz Kupczyk und seinen Mannen kein weiteres dergestaltiges Projekt bekannt ist, weder schon zu Turbo-Zeiten noch zu einem späteren Zeitpunkt (zwar hatten Turbo auf dem 2001er "Avatar"-Album in seiner englischen Fassung vier Cover-Bonustracks, darunter "Neon Knights" und "Burn", verewigt, aber da war Kupczyk schon lange nicht mehr mit von der Partie). Den nächsten Unterschied assoziiert bereits die Besetzungsbenennung: Brichta hatte neben Kapitanova und den Mannen seiner Soloband auch noch zahlreiche andere Gäste, meist vokalistischer Natur, eingebunden, während Kupczyk kurzerhand eine auch als eigenständige Formation agierende Band verpflichtet hat, nämlich besagte Kruk (nicht zu verwechseln mit einer Death Metal-Kapelle aus den Mittneunzigern - www.kruk.art.pl offenbart seinen Informationsreichtum im wesentlichen nur dem Kenner der polnischen Sprache); drei weitere Gäste spielen, von Flötistin Izabella Pacewicz abgesehen, keine Parts, die nicht auch anderweitig hätten gleichartig abgedeckt werden können. Die beiden Herangehensweisen haben jeweils Vor- wie Nachteile: "Memories" klingt über weite Strecken tatsächlich wie ein Bandalbum, muß dafür aber einige "Verbiegungen" der Originale in Kauf nehmen, um sie passend zu machen. Brichta dagegen hatte von vornherein keine absolute Homogenität vorgesehen, so daß man "Legendy II" bewußt wie eine Art Sampler hört, zumal die Gäste keineswegs daran dachten, sich sklavisch an die Originale zu halten, wenngleich die Grundsubstanz unangetastet blieb. Allerdings hatte Brichta für fast alle Coverversionen neue tschechische Texte geschrieben - Kupczyk dagegen verwendet die englischen Originale, mit Ausnahme des Bonustracks "Jest taki samotny dom", aber der dürfte auch im Original schon in Polnisch gehalten gewesen sein (die Herkunft kann ich nicht ergründen, aber die Komponistennamen Lipko/Sikorski könnten durchaus polnisch sein). Von der Bandauswahl her beschränkt sich Kupczyk konsequent auf die Siebziger (Brichta hatte auch den Achtzigern und den Neunzigern teils breiten Raum gegeben) und bildet zudem noch Cluster: fünfmal Deep Purple, zweimal Led Zeppelin, zweimal Uriah Heep, einmal Black Sabbath und dazu noch der besagte Bonustrack (Brichta hatte jede Band nur einmal herangezogen). Der wichtigste Unterschied aber zuletzt: Brichtas Scheibe macht durchgängig Hörspaß, Kupczyks nur partiell. Das liegt an mehreren Faktoren. Erstens ergibt die Herangehensweise bei Brichta summiert ein Bild einer konsequenten Partyscheibe (die man dann auch in diesem Bewußtsein hört), während man bei Kupczyk nur bemerkt, daß da eben nicht die Originale spielen, sondern eine Coverband. Zweitens hat es Brichta bedeutend besser verstanden, die Stärken seiner Gäste ins Spiel zu führen, was bei Kupczyk allein schon deswegen nicht geht, weil außer der Flötistin niemand eigene Akzente setzt. Drittens ist der Sound bei Brichta auf einem durchaus zeitgemäßen Niveau, während Kupczyk (bewußt?) ein druckloses, allerdings zumindest authentisch-"historisch" klingendes Soundgewand gewählt hat. Viertens schließlich unterscheiden sich die Sänger markant: Brichta, Kapitanova und ihre Gästeriege vollbringen am Mikrofon fast ausschließlich Höchstleistungen, während Kupczyk erstaunlich schwach bei Stimme ist und an einigen Stellen geradezu erschreckend neben der Spur liegt (man höre sich mal die Einleitung von "Mistreated" an); das ist besonders eigenartig, weil er nur wenig später mit seiner derzeitigen Hauptband CETI ins Studio ging, um den Klassiker "(...) Perfecto Mundo (...)" einzuspielen, auf dem er eine hervorragende Performance bot, wenngleich in anderen Stimmlagen als den hier geforderten. Und ein Ian Gillan (den die Tracklist übrigens zu "Gilan" verunstaltet und aus Glenn Hughes auch gleich noch "Highes" macht :-)) ist er nun mal nicht, selbst wenn er es schafft, die erste Steigerungsstufe in "Child In Time" noch in cleaner Form hinzubekommen, ohne zu schreien, was Ian Gillan selbst nur auf der Studiofassung und einer ganz frühen Livefassung fertiggebracht hat. Freilich muß er sich diesen Fehler selbst zuschreiben, denn er wird ja die Songauswahl selbst vorgenommen haben. Als praktischer Totalausfall stellt sich "Sabbath Bloody Sabbath" heraus - ohne Ozzys Stimme und die Originalatmosphäre bleibt dieses Stück guter, aber nicht weltbewegender Hardrock, und das ist in diesem Kontext nicht als Kompliment zu verstehen. Überhaupt orientieren sich Kupczyk und seine solide spielende, aber keine Bäume ausreißende Kruk-Mannschaft vom Ausdrucksspektrum her eher an den weniger expressiv gestalteten Studiofassungen, wohingegen viele der Stücke erst in den verschiedensten Livefassungen ihren vollen Reiz entfalteten - das gilt insbesondere für die Deep Purple-Songs, an vorderster Front "Mistreated", von dem ja gleich eine ganze Handvoll Referenzaufnahmen vorliegt, neben Deep Purple selber auch von Rainbow oder Whitesnake, Exoten wie die Argentinier Montreal gar nicht erst gerechnet (die aber wiederum eine Studiofassung vorlegten und ein Musterbeispiel gaben, wie man so einen Song heute interpretiert). Kupczyk und Kruk halten sich hier vornehm zurück (einzig Keyboarder Krzysztof Walczyk tanzt mitunter etwas aus der Reihe und verändert einige Keyboardsounds, meist in leicht spaciger Richtung, was erstaunlich gut paßt), aber dieses geradezu britische Understatement führt nicht zu einem sonderlich lebendigen Ergebnis. Ausnahmen bestätigen die Regel: Über die Umsetzung des Bonustracks kann ich mangels Kenntnis des Originals nichts aussagen (die K&K-Version tönt mitunter leicht abgedreht, aber das kann ja original bedingt sein), und vor allem die beiden Uriah Heep-Tracks "July Morning" und "Gypsy" (die allerdings auch selten gecovert werden, obwohl sie zu den bekanntesten Kompositionen der Truppe um Mick Box zählen), Led Zeppelins "Stairway To Heaven" (schöner Atmosphäreaufbau - da spielt halt auch die Flötistin mit) sowie die zweifellos solide Version von "Child In Time" kann man sich durchaus mit Genuß anhören, wohingegen die Meinungsbildung bezüglich der einzigen Überraschung in der Setlist, nämlich des selten zu hörenden "The Gypsy" von Deep Purple, noch nicht abgeschlossen ist, besonders was Kupczyks Duett mit dem eigentlichen Kruk-Sänger Tomasz Wisniewski angeht, wohingegen der entspannte Mittelteil sehr hoch zu punkten weiß. So halten sich Licht und Halbschatten auf dieser knapp 70minütigen CD die Waage (kompletter Schatten ist natürlich abwesend - dafür sind halt doch zu viele Profis am Werk), und man begeht als Siebziger-Rock-Fan sicher keinen Fehler mit dem Erwerb - aber falls man wirklich mal in die Lage kommen sollte, "Memories" und "Legendy II" beide vor sich zu haben und sich für eine entscheiden zu müssen, dann leuchtet die letztgenannte heller als die erstere.
Kontakt: http://kupczyk.rockmetal.pl, www.kruk.art.pl, www.metalmind.com.pl

Tracklist:
Black Dog
Burn
Child In Time
Gypsy
Mistreated
July Morning
The Gypsy
Stairway To Heaven
Blood Sucker
Sabbath Bloody Sabbath
Jest taki samotny dom


 



www.Crossover-agm.de
© by CrossOver