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von rls

CETI: (...) Perfecto Mundo (...)   (OSKAR Productions)

In einer perfekten Welt leben wir ja bekanntlich nicht, und das neue CETI-Album geht als perfekter Beweis für diese These durch, denn in einer perfekten Welt würde diese Platte im Schrank jedes vernunftbegabten Symphonic Metal-Freundes stehen. Immerhin bringen CETI es fertig, sich in einer hoffnungslos überlaufenen Spielart des Metal (an deren Existenz noch reichlich zehn Jahre zuvor kaum zu denken war, bevor die Italiener Rhapsody die bereits von den Brasilianern Angra und einer Handvoll anderen Bands geleistete Vorarbeit nutzten und dieses Subgenre auf der metallischen Landkarte etablierten) eine eigenständige Nische zu sichern, und diesen Platz verteidigen sie auch mit ihrem 2007er Album "(...) Perfecto Mundo (...)". Dessen Einschätzung variiert übrigens je nach Anzahl der absolvierten Hördurchläufe etwas. Beim ersten Hören ist man zunächst völlig geplättet vom Einfallsreichtum, der Spielfreude und der spieltechnischen Klasse der Band, verbunden möglicherweise (oder: wahrscheinlich, wenn man den Bekanntheitsgrad der Band außerhalb ihrer Heimat Polen als Maßstab hernimmt) noch mit dem Überraschungsfaktor der ersten akustischen Begegnung mit der Formation. Die nächsten Durchläufe gestalten sich nüchterner, man beginnt mehr Details wahrzunehmen und auch ein paar Schwächen zu erkennen, bei fortschreitendem Hören findet dann allerdings eine Gewichtung der Positiva und Negativa statt, und die geht klar zugunsten der Positiva aus, so daß man das Album unterm Strich als eines der stärksten erkennt, die der Veröffentlichungsjahrgang 2007 hervorgebracht hat. Daß es nicht in mehr Best Of-Playlists vorkommt, liegt schlicht und einfach daran, daß es in Deutschland nicht regulär, sondern nur auf dem Importweg erhältlich ist, obwohl die Distanz nach Polen ja nun eigentlich nicht so sehr weit ist und zudem die von vielen potentiellen Interessenten als Ablehnungsgrund beispielsweise russischer Tonträger gebrauchte Sprachbarriere im Falle dieses Albums durch Nonexistenz glänzt, da die Texte in englischer Sprache gehalten sind (wobei sie im Booklet nicht abgedruckt sind - statt dessen gibt es jeweils ein stimmungsvolles Foto zu jedem Song). Nun sind CETI allerdings keinesfalls Newcomer, denn immerhin erschien ihr Debütalbum "Czarna Róza" bereits anno 1989, und Sänger/Bandkopf Grzegorz Kupczyk hatte bereits in den 80ern mit der Formation Turbo Kultstatus in der polnischen Metalszene erlangt - das Turbo-Album "Last Warrior" gab's sogar als Lizenzpressung der geschmackssicheren Berliner von Noise Records regulär in Deutschland zu erwerben, aber Kupczyks Name scheint sich nur bedingt in den Langzeitgedächtnissen der Traditionsmetalanhänger eingebrannt zu haben. Zweite tragende Kraft CETIs ist Keyboarderin/Co-Gründungsmitglied Marihuana, die sich zwar mal ein intelligenteres Pseudonym zulegen könnte (sie heißt bürgerlich Maria Wietrzykowska), aber eine erstklassige Leistung vollbringt, indem sie nicht nur fast alle Songs mitkomponiert hat, sondern mit ihren Tasteninstrumenten akustisch recht viel Verantwortung im Gesamtsound übernimmt und zudem für die komplette Orchestrierung zuständig war, die zahlreiche der Songs recht stark prägt, ohne ihnen allerdings den metallischen Punch zu nehmen, wie man das immer mal in diesem Subgenre beobachten kann. Aber auch im regulären Keyboardbereich agiert sie geschmackssicher und vielfältig, egal ob sie nun das Piano, das Cembalo oder einen klassischen Kirchenorgelprinzipal anwendet. Man höre beispielsweise mal das geschickt eingewobene Orgelbreak in "Gardens Of Life 1" bei Minute 5! Überhaupt kann man den Orgelprinzipal überdurchschnittlich oft hören, er ist im Gegensatz zu Cello, Klarinetten und Oboen allerdings offensichtlich nicht echt - zumindest gibt das Booklet hierfür nichts an, sondern nennt als Aufnahmeort ausschließlich das K&K Studio in Poznan. Und am Soundgewand ist es auch nahezu nichts auszusetzen, lediglich der Drumsound ist an manchen Stellen (deutlich zu hören im Intro von "Gardens Of Life 1") einen Tick zu klinisch-steril ausgefallen. Die Songs weisen zumeist beachtliche Längen auf - bis auf das großartige klassische Intro "(...) Intra Nost Est" und "Stolen Wind" kommt keiner der Songs vor der Fünfminutengrenze zum Stehen. Aber CETI besitzen das Talent, den Hörer auch über eine größere Distanz bei Laune zu halten, ohne ihn indes mit unnachvollziehbaren Wendungen zu überfordern. Dem Intro folgt zunächst das speedlastige "Déjà Vu", bevor "Gardens Of Life 1" auf gemäßigtes Stampftempo herunterschaltet. "Stolen Wind" und "Flight To The Other Side" sprinten wieder schneller ins Ziel, dazwischen hat sich mit "Paradise Lost" noch eine nette, wenngleich nicht weltbewegende Ballade niedergelassen. Daß sie auch in diesem Metier Großtaten vollbringen können, demonstriert "For Those Who Aren't Here" mit seinem zweiminütigen Einleitungsteil, bevor sich ein eher ruhiger Midtempoteil auszubreiten beginnt, wobei dem Rezensenten nach wie vor nicht eingefallen ist, an welche andere Band er sich hier erinnert fühlt. Dafür kann er für Kupczyks Gesang einen treffenden Vergleich anführen: Kann sich jemand vorstellen, wie eine imaginäre Kreuzung aus Ian Gillan und Klaus Lage singen würde? Nein? Dann kaufe man sich "(...) Perfecto Mundo (...)", denn hier gibt's die Antwort. Halbhohe Lage, äußerst flächige Anlage, keinerlei Anzeichen von Rauheit, trotzdem viel Kraft - eine seltene Kombination und eine originelle noch dazu. Neben Fräulein Marihuana singt in "Ride To Light" übrigens auch noch Sopranistin Sylwia Kupczyk mit (Ehefrau? Tochter? Schwester?). Besagtes "Ride To Light" ist mit achteinhalb Minuten der längste Song der CD und witzigerweise auch nochmal in einer "radio version" vertreten - die dauert aber genauso lange und unterscheidet sich auch von der prinzipiellen Ausrichtung her kaum von der regulären Albumversion, so daß man mit dem großen gußeisernen Fragezeichen vor der Stirn stehenbleibt, welchen praktischen Sinn diese Konstruktion jetzt haben soll (auch ohne die Radioversion wäre das Album mit 52 Minuten nicht gerade voluminös unterrepräsentiert gewesen). Und fürs normale Radio wäre "Gardens Of Life 2" rein stilistisch sogar geeigneter gewesen, denn hierbei handelt es sich um eine (allerdings auch knapp sechsminütige) Akustikgitarrenballade mit hinzutretendem Orchesterarrangement, wobei Gesang und Gitarre hier einen seltsamen, aber keinesfalls schlechten stilistischen Abstecher wagen: Man fühlt sich skurrilerweise an diverse Seattle-Combos wie Soundgarden erinnert, wobei der Rest der Instrumentierung allerdings eine deutlich andere Sprache spricht als Cornell, Thayil & Co. in ihren akustischen Anflügen. Übrigens ist das auch der einzige Song, den Kupczyk im Alleingang komponiert hat, und bei seinen diversen Soloprojekten soll er auch tatsächlich deutlich modern-alternativer zu Werke gegangen sein, so daß die stilistische Ausrichtung des Songs hier also vielleicht keinen Zufall bildet. Wer quasi alle Tugenden von CETI in einem Song vereint haben will, wähle "Ride To Light" als Anspieltip, aber der Freund hochinteressanten Symphonic Metals sollte eigentlich keines solchen Tips bedürfen, um sich "(...) Perfecto Mundo (...)" in die eigene Sammlung zu stellen.
Kontakt: www.oskar-cd.com.pl, www.ceti-gk.com

Tracklist:
(...) Intra Nost Est
Déjà Vu
Gardens Of Life 1
Stolen Wind
Paradise Lost
Flight To The Other Side
Ride To Light
For Those Who Aren't Here
Gardens Of Life 2
Ride To Light (Radio Version)



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