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JUNKIES: Félelem És Reszketés Budapesten
von rls

JUNKIES: Félelem És Reszketés Budapesten   (1G Records)

Der Bandname dieser Truppe dürfte ironisch gemeint sein, denn mit Musikstilen, die man gemeinhin mit bewußtseinserweiternden Mittelchen in Verbindung bringt, also etwa Psychedelic oder Stoner Rock, haben die Ungarn nichts am Hut. Leicht zu klassifizieren sind sie allerdings auch nicht. Verspricht der Opener "Hóbort" noch eine richtig mitreißende, traditionell gepolte und nur leicht in moderne Gefilde schielende Hardrockscheibe (Drummer Viktor Keresztes wirft sogar arg schnelle Stakkati ein), so bastelt das Quartett in die neun Folgesongs immer mehr Stilistika ein und verstärkt die moderne Ausrichtung deutlich. "Hagyjatok" etwa hätte zu Anfang noch auf eine der moderneren Ossian-Scheiben gepaßt und das kurze Hauptsolo samt anschließendem Stakkatospeedpart auch, aber noch vor dem ersten Refrain kommt eine Komplettherunterschaltung in einen verzerrten Gesangspart vor schleppender Begleitung, und nach dem hymnischen, aber drumseitig halftimeunterlegten Refrain weiß man schon gar nicht mehr, wo einem der Kopf steht. Und in der Manier geht es weiter, versuchen die Hauptsongwriter, nämlich Sänger/Gitarrist András Szekeres (Ungarn-Rock-Experten wissen sicherlich, ob er mit der Szenegalionsfigur Tamas Szekeres in irgendeiner Verbindung steht) und Gitarrist Attila Barbaró, den Hörer eher zu verwirren, als ihm eine klare Linie vorzugeben. Punkige Elemente finden sich genauso wie Indie- und Alternative-Anklänge, "Édes Élet" kommt mit rock'n'rolligem Touch und einem Saxophon um die Ecke, "Hazudni Muszáj" koppelt im Mittelteil gar spacige Keyboardeffekte mit tiefer gestimmten Gitarren, und das Ganze wird dann auch noch ziemlich komprimiert: Die zehn Songs ergeben summiert nur knapp 37 Minuten Spielzeit. Für den gemeinen Mitteleuropäer bringen auch die Texte keinen Aufschluß, denn diese sind im heimatlichen Ungarisch verfaßt, und das hat bekanntlich, da zur finno-ugrischen Sprachgruppe gehörig, kaum Verwandtschaft mit den romanischen oder den slawischen Sprachen. "Pesti Sanzon", der Closer (zwischendurch mal kurz in Stakkati in tangoähnlichem Rhythmus verfallend), hat auf alle Fälle irgendwas mit der ungarischen Hauptstadt zu tun, die ja auch im Albumtitel vorkommt, wenngleich auf der CD kleiner geschrieben als das erste und dritte Wort. Einer der Songs bedient sich allerdings der englischen Sprache: "On & On" ist keine MSG-Coverversion, sondern der einzige Song, den Bassist Riki Church beigesteuert hat. Die Vermutung eines Pseudonyms liegt nahe, kann aber anhand des Booklets weder verifiziert noch dementiert werden - unter den vier Bandmitgliedern, die auf dem Cover in "zerfließender" Manier auf vier Fernsehbildschirmen dargestellt werden und im Booklet noch einmal jeder ganzseitig mit dem gleichen bildschirminternen Motiv abgebildet sind, findet sich einer, den man optisch auch ohne jegliche Bedenken zu Mötley Crüe abordern könnte. Falls das Riki Church ist, hatte das allerdings keinen Einfluß auf die stilistische Ausrichtung von "On & On", in dem irgendwie eher Billy Idol durchscheint. Gar am Gothic Rock kratzt die Band mit "Diófa", und so könnte man noch mancherlei weitere Wendung aufzählen. Das Interessante daran: Man ahnt, daß das live durchaus unterhaltsam sein könnte, und auch auf Konserve erweist es sich zumindest über die hier gegebene Spielzeit als interessant, da man, solange man noch nicht alle Wechsel intus hat, immer wieder gespannt ist, welchen Winkelzug, den man bisher vielleicht noch nicht so wahrgenommen hat, die Band nun wieder auspackt - und ziemlich eingängig sind die Nummern trotz der stilistischen Bocksprünge auch noch, dazu gut produziert. Ungarischkundige können auch noch zu ermitteln trachten, warum der vorletzte Song (grooviger Hardrock der Mittneunziger-Schule mit Indie-Schlagseite), an dem Church auch mitgeschrieben hat, diesmal aber im Verbund mit Szekeres und Barbaró, so einen Bandwurmtitel verpaßt bekommen hat, während alle anderen Titel eher kompakt ausgefallen sind. Eine nicht uninteressante Scheibe, für die man aber ein großes stilistisches Herz haben muß - Leute, die anhand des ersten Songs schon zu wissen glauben, wie der Rest der Scheibe klingt, werden mit "Félelem És Reszketés Budapesten" nicht glücklich, während Entdeckungsfreudige, die aber dennoch eine Grundnachvollziehbarkeit der Songs wünschen, ihre Freude haben könnten.
Kontakt: www.1grecords.hu

Tracklist:
Hóbort
Hagyjatok
Hidegháború
Hazudni Muszáj
Édes Élet
Áldozat
Diófa
On & On
Egy Többé-Kevésbé Szerelmes Fiatalember Viszonylag Gáláns Ajánlata
Pesti Sanzon


 



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