www.Crossover-agm.de BILLY IDOL: Devil's Playground
von rls

BILLY IDOL: Devil's Playground   (Sanctuary Records)

Es muß irgendwann in den späteren Mittachtzigern gewesen sein, als Klein-Roland (der bei seinem älteren Bruder gerade diverse Platten von Maiden, Helloween, Kiss, Formel 1, aber auch Jiri Brabec And His Country Beat oder gar Dean Reed mitzuhören begann) im Zimmer eines ebenfalls älteren Cousins anläßlich einer Geburtstagsfeier die Entdeckung machte, daß ebenjener Cousin die Zimmerwände mit Schwarzweißbildern eines gewissen Billy Idol tapeziert hatte. Keine Ahnung, wo der die herhatte (immerhin, das muß dazugesagt werden, spielt sich die Geschichte noch mitten in der DDR ab, wo sowas nicht eben zum allgemeinen Handelsgut gehörte), keine Ahnung auch, ob er dazu denn auch die Musik parat hatte. Jedenfalls prägte sich zwar das Bild des Mannes, der da mit, ähem, ungewöhnlicher Frisur, markantem Gesicht und entblößtem Oberkörper, eine Gitarre umhängen habend und die rechte Faust nach oben reckend, auf einer partiell vernebelten Bühne stand, ins Langzeitgedächtnis ein, aber das sollte auch über lange Zeit die einzige aktive Erinnerung des heutigen Rezensenten an Billy Idol bleiben. Klar, man bekam später mit, daß x-fach gecoverte Songs wie "White Wedding" oder "Rebel Yell" aus dem Repertoire ebenjenes Billy Idol stammten, daß er einen Meistergitarristen namens Steve Stevens an seiner Seite hatte - aber irgendwie fand nie eine komplette Idol-Platte den Weg in die Tonträgersammlung, bis nun eben das neue Album "Devil's Playground" ins Haus geflattert kommt. Der erste Blick aufs Cover verrät, daß sich William Broad (so der bürgerliche Name des Protagonisten) optisch kaum verändert hat - obwohl er hier eine offene Lederjacke umhängen hat und die Frisur mittlerweile etwas an Volumen verloren hat, ist insbesondere das Gesicht in seiner vollen Zerknautschtheit erhalten geblieben. Und die Musik? Das letzte reguläre Album "Cyberpunk" datiert immerhin aus dem Jahre 1993 und soll eher experimentell ausgefallen sein, mit Technobeats und ähnlichen Zutaten, für die man ein Jahrzehnt vorher als Ex-Punker (remember Generation X?) noch gesteinigt worden wäre; das neue Jahrtausend hatte an Idol-Produktionen erst eine Greatest Hits-Compilation und einen Mitschnitt eines VH1-Storyteller-Abends gesehen. Die 2001 erneuerte Kooperation mit Steve Stevens ließ allerdings ein eher back to the roots weisendes neues Studioalbum erhoffen - und ebenjener Fall ist zumindest partiell eingetreten: "Devil's Playground" bewegt sich über weite Strecken in der Grauzone zwischen Rock und Punk, in der man den Sound des Mannes eigentlich erwartet, beinhaltet neben rauhen Brocken allerdings auch glattgebügelteren Stoff und kann daher vermutlich als ungefähre stilistische Zusammenfassung des Idolschen Achtziger-Schaffens interpretiert werden, wohingegen technoide Beats dankenswerterweise völlig außen vor bleiben und die größten Experimente mit der Coverversion von "Plastic Jesus" gewagt werden (das Original aus der Feder von Edward Rush und George Cromarty dürfte allerdings kaum jemand kennen - Idol zufolge sei es ihm selbst nicht gelungen, eine Originalaufnahme aufzutreiben, lediglich Stevens habe den Song noch irgendwie im Ohr gehabt, und man habe die Lyrics im Internet gefunden), die irgendwie völlig zwischen den Stühlen sitzt und genauso oft nach Britpop wie nach anderen, mitunter völlig undefinierbaren Einflüssen klingt. Wenn Idol richtig singen könnte, wäre er sowohl mit Bono Vox als auch mit diversen Grungern (der eher gemäßigten Sorte) vergleichbar, aber der Konjunktiv behält seine Berechtigung, da seine Stimme auch auf dem neuen Album eher markant als wirklich "schön" rüberkommt. Betrachtet man die dreizehn Songs näher, fällt auf, daß sich die wirklich gelungenen Exempel nicht an einer bestimmten Ausrichtung festmachen lassen. Gleich der Opener "Super Overdrive" räumt schnell rockend alle Hindernisse aus dem Weg, und der dritte Song "Rat Race" ist nicht nur der energischste und frischste, sondern auch der beste der ganzen CD, der live garantiert wild pogende Massen erzeugt. Andererseits macht "Sherri" deutlich, daß Idol das Erzeugen weichgespülten Poppunks lieber den Bands überlassen sollte, die sowas richtig können. Dann lieber etwas abgefahrener Stoff wie das psychotische, mit Glocken ausstaffierte "Yellin' At The Xmas Tree" oder das leicht angedüsterte "Evil Eye" - das zweite rekognoszable Experiment "Lady Do Or Die" wird dagegen höchste Geschmackssache bleiben. Von Idol selbst als Mixtur als Johnny Cash und Leonard Cohen bezeichnet, haben wir hier tatsächlich eine Sorte countryartigen Musizierens vor uns, allerdings in der trauerklößigen Variante, die mir persönlich weniger zusagt. Das akustische Intro des folgenden "Cherie" läßt die Möglichkeit offen, daß sich dieser Song in eine analoge Richtung entwickelt, aber dies bleibt dankenswerterweise aus, und wir bekommen einen undefinierbaren Poprocker mit immer noch dominierender Akustikarbeit vorgesetzt, der an The Mission erinnern würde, wenn diese die Fröhlichkeit entdecken würden. So ist "Devil's Playground" einerseits ein rückwärtsgerichtetes Album, das aber andererseits vorsichtiges Tasten nach außen erkennen läßt und dem lediglich gegen Ende hin noch der eine oder andere Knaller zu wünschen gewesen wäre, da das Energielevel spätestens in den zweistellig benummerten Songs ein wenig zu sehr in den roten Bereich sinkt, wenngleich die leichten orchestralen Anklänge und der plötzliche, im Rhythmus nun doch noch elektronifizierte Ausbruch im Closer "Summer Running" (das tut er momentan ja schon wieder) noch einmal einen kurzen Kontrapunkt setzen.
Kontakt: www.billyidol.com, www.sanctuarygroup.de

Tracklist:
Super Overdrive
World Comin' Down
Rat Race
Sherri
Plastic Jesus
Scream
Yellin' At The Xmas Tree
Romeo's Waiting
Body Snatcher
Evil Eye
Lady Do Or Die
Cherie
Summer Running
 




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