www.Crossover-agm.de IMPERIO: Latidoamerica
von rls

IMPERIO: Latidoamerica   (Blackstar Records)

Das neue Jahrtausend lag noch in den Windeln, als die Argentinier Imperio mit "Paz En La Tormenta" ein brillantes Metalalbum italienischer Prägung (also melodisch, schnell, pathetisch und orchestral angehaucht) herausbrachten und damit sowohl beim Chefredakteur als auch bei Kollege Mario offene Türen einrannten. Mit "Latidoamerica" liegt nun ein anno 2010 von Sänger Christian Bertoncelli und Gitarrist/Fast-Alleinkomponist Gustavo Gorosito mit drei neuen Mitstreitern eingespieltes Album im Player des Chefredakteurs - und es handelt sich tatsächlich um den direkten Studionachfolger; im dazwischenliegenden Jahrzehnt erschienen lediglich ein Livealbum sowie eine Zusammenstellung alten Demomaterials, wobei letztgenannte nicht mal als eigenständiger Release fungierte, sondern nur die Bonus-CD eines Albums der Kumpels von Renacer darstellte. Anhand von "Latidoamerica" ist der Hörer nun hin- und hergerissen. Einerseits freut man sich, überhaupt mal wieder was Neues von der Band zu hören zu bekommen, andererseits fragt man sich, warum sie einen ein Jahrzehnt auf solch eine starke Scheibe hat warten lassen, und zum dritten erfährt man mit einer Träne im Knopfloch auch noch, daß es der letzte musikalische Streich des Quintetts ist: Anno 2012 endete die Existenz der Band. Das ist definitiv ein Verlust, denn auch wenn mittlerweile eine große Dichte an musikalisch ähnlichen Bands besteht, so wissen Imperio doch immer noch zu überzeugen und sich eine wenn auch kleine musikalische Nische freizuhalten. Dabei fällt auf dem Neuling auf, daß die Argentinier stärker als früher auf ihre Gitarrentrümpfe setzen und den Keyboardeinsatz zurückgefahren haben; es befindet sich auch kein fester Keyboarder mehr in der Besetzung. Zudem spielen sie eine weitere Stärke aus: ihre südamerikanischen Wurzeln. Der Titeltrack ist also Programm, auch wenn es sich nicht um ein Konzeptalbum handelt und sich Imperio durchaus auch in anderen Kulturkreisen bedienen ("Las Musas De Ulises" etwa verarbeitet Homers "Odyssee"); wie sie das genau tun, bleibt mal wieder dem Spanischkundigen zu ergründen vorbehalten, denn Christian Bertoncelli singt nach wie vor in dieser Sprache, und auch die jedem Text im Booklet noch beigefügten kurzen Erklärungen kommen dem Rezensenten sehr spanisch vor. Besagtes Booklet verarbeitet übrigens auch einige hübsche Landschaftsaufnahmen (überwiegend in Patagonien geschossen) inclusive eines über allem schwebenden Kondors, und auch musikalisch hinterläßt die südamerikanische Prägung Spuren. Nicht einmal 40 Sekunden vergehen im orchestralen Intro "Vuelo Inicial", bis die Melodie von "El Condor Pasa" zum ersten Mal erklingt, wenngleich in einer völlig anderen Harmonisierung als der, wie man sie aus mitteleuropäischen Fußgängerzonen kennt, und als Krönung des Albums folgt als zwölfter und letzter Track dann auch noch eine komplette Coverversion dieses Songs, allerdings wiederum in einer sehr freien und originellen Adaption, die die Textfassung von José Feliciano verwendet und in der musikalischen Ausgestaltung sehr eigene Wege geht. Von der Herangehensweise her fühlt man sich an die Týr-Fassung von "The Wild Rover" erinnert, aber Imperio gehen in der Originalität noch zwei Schritte weiter. Das Ergebnis ist zweifellos gewöhnungsbedürftig ausgefallen (unabhängig davon, ob man das Original nun mag oder ablehnt), aber wenn man diesen Gewöhnungsprozeß einmal absolviert hat, möchte man es nicht mehr missen, genauso wie den Rest der knapp einstündigen CD. Imperio ziehen hier nochmal alle Register ihres Könnens und reichern ihren melodischen Power/Speed Metal gelegentlich mit Zutaten aus benachbarten Genres an. Neben bandtypischen Speedies wie dem Titeltrack oder "Tal Vez Tu Latir" steht dann eben auch mal ein eher melodicrocklastiger Track wie "Miercoles De Cenizas", während "Rockear Hasta Morir" sujetgemäß ein wenig in die Bikerrockecke schielt und ein paar Bluesharmonien abbekommen hat. Das Hauptriff von "Guerrero Legendario" wiederum verneigt sich vor den Landsleuten Montreal, die in ihrem brillanten Instrumental "Dulce 022" eine ähnliche Grundidee verarbeitet hatten. "Sigilosa" wiederum hätte viele Stratovarius-Alben bereichern können, und der erwähnte Ulysses wird von seinen Musen so intensiv geküßt, daß er nur noch mit Siebenmeilenstiefeln die Flucht zu ergreifen trachten kann, wobei freilich die Inspiration erhalten geblieben ist - eine Perle des melodischen Speed Metal, und was für ein Hauptsolo ist das! Da sprüht die Spielfreude nur so aus den virtuellen Rillen des Tonträgers, da könnte der Song statt sechseinhalb Minuten gerne auch doppelt so lange dauern. Wieso lösen sich solche Bands auf und nicht die uninspirierten Kopisten der vierten Reihe? Wieso haben Imperio in Europa nie ein Bein auf den Boden bekommen? Wieso gehört ein siebeneinhalbminütiges angedüstertes Epos wie "Volvere" nicht zum metallischen Bildungskanon auch außerhalb Südamerikas? Die Antworten sind simpel: Imperio sind zu gut für diese Welt, und sie scheitern zudem daran, woran viele andere begabte Bands auch schon gescheitert sind: am Geld bzw. dem Mangel an selbigem. Die finanziellen Mittel eines Kleinlabels wie Blackstar sind beschränkt, und einige engagierte Importeure können da nur noch als die Tropfen auf dem heißen Stein wirken. Aber genug lamentiert - Imperio haben dem qualitätsbewußten Musikliebhaber exzellente Proben ihres Könnens hinterlassen, und jetzt obliegt es diesem, wenigstens posthum noch die heimische Kollektion zu komplettieren. Die erwähnten engagierten Importeure, allen voran Rainer Krukenberg von www.metaleros.de, sind dabei gern behilflich.
Kontakt: www.blackstar3.com, www.imperioweb.blogspot.com

Tracklist:
Vuelo Inicial
Latidoamerica
Tal Vez Tu Latir
Miercoles De Cenizas
Rockear Hasta Morir
Sigilosa
La Ultima Arenga
Guerrero Legendario
Las Musas De Ulises
Volvere
Alas De Memoria
El Condor Pasa



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