www.Crossover-agm.de HALLOWEEN: Terrortory
von rls

HALLOWEEN: Terrortory   (Pure Steel Records)

"Terrortory" läutete die jüngste Schaffensperiode von Halloween ein, die als Labelpartner die allgemein als geschmackssicher bekannten Erzgebirgsbewohner von Pure Steel Records begleiten, unter denen sich sicherlich auch ein paar Freunde der alten Halloween befinden. Offenbar hat "Terrortory" auch in der metallischen Welt genügend Anklang gefunden, denn die Kooperation fand mit dem Re-Release des kaum noch beschaffbar gewesenen Zweitlings "No One Gets Out!" und dessen erstmaliger Vinylveröffentlichung zwischenzeitlich bereits eine Fortsetzung. Kollege Thorsten Kilalli hingegen, gleichfalls Altfan der Band, bei dem "Crawl To The Altar" von besagtem Zweitling damals rauf und runter lief, sprach bezüglich "Terrortory" von einer herben Enttäuschung, und auch wenn der Rezensent das nicht ganz so schwarz sieht, einige kritische Anmerkungen kann auch er sich nicht verkneifen - zwei größere Dinge und ein kleines sind es, um genau zu sein. Da wäre zum einen das Klanggewand der Scheibe. Klar, die Bandkasse wird nicht eben reichlich gefüllt gewesen sein, aber das war sie bei "No One Gets Out!" auch schon nicht gewesen, und dort war ein zwar etwas polteriger, aber in gewisser Weise doch nicht ganz unsympathisch wirkender Sound entstanden. Auf "Terrortory" dagegen ist es mit der Sympathie aus, sobald die metaltypischen Instrumente einsetzen: Der Drumsound wirkt äußerst merkwürdig (man weiß nicht so richtig, wie das zu beschreiben ist - "blechern", was in diesem Kontext gern verwendet wird, trifft die Sache eigentlich nicht), und in manchen Songs erscheint es so, als habe man sie ohne Bassist George Neal eingespielt, während dieser in anderen ("Her Ghost Comes Out To Play" als Exempel) zumindest latent wahrnehmbar ist. Auch nach etlichen Hördurchläufen hat sich der Rezensent jedenfalls noch nicht an das eigentümliche Klanggewand gewöhnt, und so richtig anfreunden wird er sich mit ihm wohl auch nicht mehr. Wie bereits im Review zu "No One Gets Out!" festgehalten: Eine saubere und klare Produktion würde zum rauhen Charme des Halloween-Metals auch gar nicht passen, aber hier mischt sich irgendwie Rauhigkeit mit einer gewissen Sterilität, und das Ergebnis überzeugt nicht wirklich.
Zweiter Punkt ist die Dramaturgie des Albums und, damit in Verbindung stehend, das Songwriting: Für seine 16 Songs respektive 72 Minuten passiert einfach zu wenig, zumal die Band nach dem noch halbwegs treibenden Opener "Traipsing Through The Blood" erstmal für längere Zeit das Tempo rausnimmt und erst mit Track 7, "Scare You", wieder etwas Fahrt aufnimmt. Damit kommt zwar auch gleich wieder das Soundproblem besonders deutlich zum Tragen (da Drummer Rob Brug naturgemäß vor allem seine Snare häufiger zu bedienen hat), aber auch ein wenig mehr Zug zum Tor - eine Doomband sind Halloween nicht, ihre Stärken liegen woanders. Freilich heißt das nicht, daß die dazwischenliegenden Songs allesamt nichts taugen würden, auch wenn man zugegebenermaßen etwas Zeit braucht, um die merkwürdigen Leadgitarrengirlanden Chuck Stohls in "Her Ghost Comes Out To Play" als originären Songbestandteil zu erkennen. Aber das hörspielartige "At The Gates", das atmosphärisch hier und da an das erste Jacobs-Dream-Album reminisziert ("Mad House Of Cain"!), geht in den Titeltrack über, und der klingt rein kompositorisch so stark nach den alten bis mittelalten Savatage, daß man ihn sich unwillkürlich auch mit einem Savatage-Klanggewand vorstellt, und in dieser Hinsicht ziehen Halloween ganz klar den kürzeren, auch wenn der besagte Song von der Idee und der arrangementseitigen Umsetzung her zweifellos überzeugen kann und zu Recht zum Titelsong ernannt wurde. Auch die Fähigkeit zum Komponieren großer Epen haben Halloween nicht verlernt, wie neben "Where Is Michael?" vor allem das lange Zeit halbballadeske, aber nach sechseinhalb Minuten doch noch in rauhbeinigen Midtempo-Metal umschlagende, diesen freilich späterhin mit einem dieser leicht entrückt wirkenden Breaks auflockernde "Hot One" unter Beweis stellt. Freilich wird gerade hier auch deutlich, daß der Zahn der Zeit etwas an Brian Thomas' Stimme genagt hat, und damit wären wir beim dritten, kleinen Problem. Klar, auch andere Sänger bringen heute nicht mehr die gleiche stimmliche Leistung wie noch vor 20 Jahren, und es gibt einige, die noch viel stärker abgebaut haben als Thomas. Aber wie er sich durch "Darkside Inside" müht und bis auf die Bridge vor dem Hauptsolo quasi völlig neben dem liegt, was der Songunterbau eigentlich verlangen würde, das weiß nicht wirklich zu gefallen. Daß er frühere Höhen nicht mehr erreicht, sei geschenkt - er war nie eine Sirene, und er weiß dieses Problem in vielen Songs durchaus zu umgehen, aber man hört ihm eben hier und da an, daß er sich mühen und plagen muß. Vielleicht wäre es intelligenter gewesen, ein kürzeres Album mit den überzeugendsten der Songs (die übrigens sowieso kein geschlossenes Ganzes darstellen, sondern verschiedenen Schaffensperioden entstammen) herauszubringen, was zugleich das erwähnte Dramaturgieproblem hätte lösen helfen können - und dann wäre es vielleicht auch nicht zu der merkwürdigen Konstellation gekommen, daß die CD gleich mit zwei Balladen am Stück endet, was hochgradig komisch anmutet, auch wenn es sich bei der zweiten "nur" um ein kompakt gehaltenes, knapp über zweiminütiges Instrumentalstück handelt. Zwar entdeckt man beim mehrmaligen Hören immer wieder einzelne gute Einfälle, so die intelligenten Breaks in "I Lie Awake", aber diese sind in bestenfalls durchschnittlichen Midtempometal eingebettet, der erst nach einem weiteren überraschenden Break hin zum tempoverschleppten und mit einer starken melodischen Auflösung glänzenden Hauptsolo zu überzeugen weiß (wobei kritische Stimmen auch anmerken könnten, daß einige der Hauptsoli irgendwie etwas in die Songs "eingeklebt" wirken, was z.B. auch auf "Say Your Prayers" mit dem einzigen richtigen Speedpart des ganzen Albums, eben im Solo, zutrifft). Richtig gut sind Halloween nach wie vor, wenn sie in Akustikparts unheimliche Stimmungen erzeugen, wie das Intro von "Hands Around My Throat" unter Beweis stellt. Selbiger Song zählt auch insgesamt zu den einfallsreicheren und besseren des Albums, auch wenn gesagt werden muß, daß ein Allzeitklassikersong, den man ab sofort auf allen Halloween-Gigs frenetisch fordern wird, weit und breit nicht ausgemacht werden kann, und das ist bei 72 Minuten Spielzeit dann doppelt tragisch. "Terrortory" ist nach Einschätzung des Rezensenten sicher kein schlechtes Album, aber auch kein richtig gutes, und das ist in einem Zeitalter, wo im Minutentakt in aller Welt mindestens gute Metalalben veröffentlicht werden, die nur zwei Mausklicks entfernt sind, eine schwere Hypothek.
Kontakt: www.puresteel-records.com, www.halloweentheband.com

Tracklist:
Traipsing Through The Blood
At The Gates
Terrortory
Images Quite Horrible
Her Ghost Comes Out To Play
Caught In The Webs
Scare You
Hot One
Darkside Inside
Re-Inventing Fear
I Lie Awake
Hands Around My Throat
Say Your Prayers
Where Is Michael?
Dead On
Into The Afterlife
 




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