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GRAVE DIGGER: The Ballad Of Mary
von rls

GRAVE DIGGER: The Ballad Of Mary   (Napalm Records)

"Tunes Of War" ist und bleibt das Referenzwerk im Katalog von Grave Digger, auch anderthalb Jahrzehnte nach seinem Erscheinen, in denen einige weitere durchaus starke Alben zu Buche stehen. Das 2010er "The Clans Will Rise Again"-Album versuchte thematisch an "Tunes Of War" anzuknüpfen, nicht im Sinne einer Fortspinnung der Story, aber zumindest generell in der Behandlung der schottischen Geschichte, und ein Jubiläumsauftritt in Wacken im gleichen Jahr führte zur Performance einiger Songs mit Gästen, was nun auf dem vorliegenden 5-Track-Minialbum seinen studiotechnisch konservierten Niederschlag findet. Mit Neueinspielungen alter Klassiker ist's ja immer so eine Sache, und auch Grave Digger stehen selbstredend vor dem Problem, entweder das Originalfeeling noch einmal zu reproduzieren oder eben gerade dies nicht zu tun und bewußt andere Wege zu gehen. Chris Boltendahl und seine Mitstreiter wandeln dieses Entweder-Oder in ein Sowohl-Als-Auch, und das gelingt beim Titeltrack erstaunlich gut - Doro Pesch verleiht dieser zauberhaften Ballade nämlich eine neue Qualität im Hinblick auf Feeling und Transparenz, so daß die in den Hintergrund gemischten Vocals von Van Canto gar nicht mehr nötig gewesen wären. Welche der beiden Versionen dieser CD - die "normale" Bandversion oder die unverstromte - man präferiert, dürfte Geschmackssache sein (die Konservengeigen der unverstromten Fassung stehen auch weit genug im Hintergrund, um nicht weiter zu stören); jedenfalls können beide neben der Originalfassung bestehen, woran der skeptische Rezensent vorher so seine Zweifel gehabt hatte. Etwas berechtigter sind seine Zweifel bei der Neueinspielung von "Rebellion", dem Signature-Song von Grave Digger und einer der besten Metal-Hymnen der letzten vier Jahrzehnte, die inmitten der für traditionellen Metal schwierigen Mittneunziger eine leuchtende Fackel darstellte, daß die Sache des Metal doch noch nicht verloren sei, was sich dann ein Jahr später mit HammerFalls "Glory To The Brave"-Fanal auch bewahrheiten sollte. "Rebellion 2010" mit Blind Guardian-Hansi als Gastsänger wandelt den klassischen Refrainchor etwas ab, indem dieser jetzt nicht mit einer Tonwiederholung, sondern mit einer Quarte aufwärts beginnt, woran man sich erst gewöhnen muß; schwerer wiegt aber das Hauptriff, das der gitarrespielende Neuzugang Axel Ritt rhythmisch irgendwie anders spielt als weiland Uwe Lulis, der ihm einen stoisch-monotonen Ausdruck verlieh, während Ritt Leben in die Tonwiederholung zu bringen versucht, was dem marschierenden Grundgestus des Songs aber tendenziell eher abträglich ist. Vielleicht verliert sich dieser Eindruck auch nach x-maligem Hören, vielleicht muß man die Ritt-Version auch erstmal live hören, um sie genauer zu analysieren. Den Abschluß der 23minütigen Mini-CD bilden "Highland Farewell" und "Coming Home", beide original auf "The Clans Will Rise Again" stehend und hier dem Booklet nach als "Instrumental Version" enthalten - ein guter Witz, denn im Vergleich zu den Originalen wurden zwar die Lead Vocals entfernt, aber dafür die Backingchöre intensiviert. Freilich ist das Ergebnis gar nicht mal uninteressant, denn es gibt ja genügend Menschen, die Grave Digger instrumental durchaus mögen könnten, aber mit Boltendahls rauhen Vocals nichts anzufangen wissen - die bekommen hier die Möglichkeit, die Musik ohne diesen potentiellen Störfaktor anzuchecken, wobei Boltendahl im erstgenannten Song zumindest hintergründig doch noch einen Auftritt hat. Eine Pädagogikaufgabe also, zu der die beiden Mary-Versionen auch noch passen, denn auch hier singt Boltendahl ja deutlich melodischer, und so kann sich der unschlüssige Einsteiger ein fast umfassendes Bild verschaffen. Für Fans eher ein nettes Sammlungsgimmick.
Kontakt: www.grave-digger-clan.com, www.napalmrecords.com

Tracklist:
The Ballad Of Mary 2010
Rebellion 2010
The Ballad Of Mary 2010 (Unplugged Version)
Highland Farewell (Instrumental Version)
Coming Home (Instrumental Version)


 



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