www.Crossover-agm.de FISCHEL'S BEAST: Commencement
von rls

FISCHEL'S BEAST: Commencement   (Stormspell Records)

Barry Fischel spielte einst in den 80ern Gitarre bei Sentinel Beast, einer der wenigen Metalbands dieser Zeit, die eine Person weiblichen Geschlechts am Frontmikrofon stehen hatten. Das Debütalbum "Depths Of Death", anno 1986 auf Metal Blade erschienen, erntete eher durchwachsene Reaktionen und hatte zudem das Problem, bereits mitten in die Polarisierung zwischen den Harten und den Kommerziellen zu geraten, in der für speedlastigen Traditionsmetal mit Iron-Maiden-Background (der sich auf dem besagten Debütalbum nicht nur latent im bandeigenen Songwriting, sondern auch direkt in einer Coverversion von "Phantom Of The Opera" niederschlug) schwierige Zeiten angebrochen waren. Da Metal Blade promoseitig andere Prioritäten setzten, kamen Sentinel Beast auch busineßseitig nicht von der Stelle und schrieben zwar noch Material für ein zweites Album, zerstreuten sich jedoch noch vor dessen Aufnahme in alle Wind; einzig ein Zwei-Track-Demo mit "One Man's Cry" und "Where Am I" entstand vor der 1987er Auflösung noch.
Kurioserweise formierten sich im Jahre 2007 dann gleich zwei Nachlaßverwalter von Sentinel Beast. Zum einen stellte die offenbar an der US-Westküste, wo das Bandcamp in den 80ern gestanden hatte, gebliebene Debbie Gunn eine neue Sentinel-Beast-Besetzung zusammen, und diese wartete auf Stormspell Records mit einer Compilation namens "Up From The Ashes" auf, welche alle alten 80er-Aufnahmen der Band enthielt - neues eigenes Material von dieser Truppe ist bisher nicht überliefert. Der an die Ostküste, nämlich nach New York City, gezogene Barry Fischel hingegen formierte eine neue Band namens Fischel's Beast und widmete sich dem Stoff, der in den 80ern eigentlich für das zweite Sentinel-Beast-Album geplant gewesen war. Neben den zwei erwähnten Demotracks handelt es sich um noch drei weitere Tracks sowie um ein zweiminütiges Intro namens "Commencement". Das klingt erstmal nicht viel, aber da alle Songs epische Längen aufweisen (nur "Forbidden Territories" verfehlt die Sechs-Minuten-Marke knapp), kommt unterm Strich doch ein knapp 35minütiges Werk heraus, dem man auch dann Vollzeitalbumcharakter zugestehen kann, wenn man als Maßstab keine Punk- oder Grindcore-Scheibe hernimmt - so viel länger waren auch viele klassische Metalalben in den 80ern nicht. "Commencement" erschien zunächst als Eigenproduktion, bevor Stormspell Records die Aufnahme übernahmen und als reguläres Album herausbrachten, das damit auch weltweit problemlos zugänglich ist. Und das lohnt sich! Schon das besagte Intro erzeugt eine immense Spannung, die dann im Speedie "Forbidden Territories" explodiert und dem Freund traditionellen und keyboardfreien melodischen Speed Metals ein ebenso breites Grinsen ins Gesicht zaubern wird wie die meisten der Folgesongs. "One Man's Cry" wirkt am Anfang ein wenig orientierungslos, aber irgendwann beginnt man die diversen Wendungen besser zu verstehen, während die reinen Speedies "The Phoenix" und "Fate Of Kings" sich schneller erschließen, ohne sich deshalb aber schneller abzunutzen - dafür sorgt schon allein die hohe Detaildichte von Einfällen, die nicht mal vor kurzen Reggaeeinschüben haltmacht, ohne daß der Song dadurch zerfasert wirkt. "Where Am I" koppelt fast doomige Hauptteile mit einigen Midtempo- und Speedattacken und benötigt ebenfalls etwas Anlaufzeit. Da Debbie Gunn einige der Songs auch ins Liverepertoire ihrer Truppe aufgenommen hat, kann der Interessent, der die Gelegenheit für ein Liveerlebnis bekommt, Vergleiche ziehen und wird feststellen, daß Fischel's Beast von "Forbidden Territories" und "The Phoenix" nur die Instrumentalteile übernommen, aber neue Gesangsmelodien und Texte hinzugefügt haben, während die beiden alten Demotracks so übernommen wurden, wie sie songwriterisch bereits konserviert waren. "Fate Of Kings" wiederum war damals nur instrumental ausgearbeitet worden, so daß Anthony Cross hier sowieso zu eigener Text- und Melodieerarbeitung gezwungen war. Wer den Namen soeben gelesen und sich gewundert hat: Ja, Fischel's Beast haben nicht wieder eine Frau ans Mikro gestellt, sondern einen Mann, zudem einen, der nicht wie eine Frau klingt, sondern in Ex-Iced-Earth-Fronter Matt Barlow seinen wohl nächsten Stimmverwandten findet, wobei er im ansonsten instrumentalen Intro aber auch mal kurz beweist, daß er durchaus ganz hoch kreischen kann. Die Iron-Maiden-Einflüsse sind übrigens so gut wie verschwunden, während mancher Hörer sich hier und da vielleicht an Flotsam And Jetsam erinnert fühlt - nicht zuletzt wohl auch, weil Bassist Mike Spencer, der "Commencement", "Forbidden Territories" und "The Phoenix" geschrieben hat, nach dem Ableben Sentineal Beasts zu Flotsam wechselte, um dort den von Metallica abgeworbenen Jason Newsted zu ersetzen. Fischel's Beast haben dafür auch einen Promi auf der Gästeliste stehen: Chris Caffery spielte zwei Soli ein, aber diejenigen Fischels sind durchaus ebenbürtig, was als großes Kompliment zu verstehen ist und die Gitarrenarbeit neben der frischen Energie, die das Gros des Materials transportiert, zum Haupttrumpf des Albums macht. Jetzt müssen Fischel's Beast "nur noch" beweisen, daß ihr neues Material, an dem sie angeblich schon arbeiten, den alten Standard halten kann. Bis dahin ist "Commencement" für alle, die der alten Schule des melodischen Speed Metals anhängen, mindestens einen Hörtest wert.
Kontakt: www.stormspell.com, www.myspace.com/fischelsbeast

Tracklist:
Commencement
Forbidden Territories
The Phoenix
One Man's Cry
Fate Of Kings
Where Am I






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