www.Crossover-agm.de 5TH AVENUE: Last Greetings From The Petting Zoo
von rls

5TH AVENUE: Last Greetings From The Petting Zoo   (Keiler Records/Membran)

Wer innerhalb von sieben Jahrgängen fünfmal in Wacken spielt, muß einen gigantischen Szenestatus haben - jedenfalls heutzutage. Im Falle von 5th Avenue geht es aber um Zeiten, als Wacken noch ein minikleines Regionalfestival war: Die Hamburger waren schon bei der Erstauflage anno 1990 am Start und dann bis 1996, dem Jahr, in dem sie offiziell ihre Aktivitäten einstellten, noch weitere vier Male. Und sie konnten sich schon zu Demozeiten prominenter Fürsprecher erfreuen: Der Rezensent kann sich nicht mehr an alle Details erinnern (er wird versuchen, den betreffenden Artikel wiederzufinden), aber 1992 oder 1993 brachte eines der damaligen großen Metalmagazine ein Crossfire mit einem bekannten Musiker (also in der Manier, daß man ihm Songs vorspielt und der die dann kommentiert). Der besagte Proband konnte mit der Auswahl allerdings so gut wie nichts anfangen, bis ihm als letzter Song eine Demoaufnahme von 5th Avenue vorgespielt wurde und er hellhörig wurde: Der Song sei gut gemacht und nicht zu lang, wonach noch folgende Worte fielen: "Wie heißt die Band? 5th Avenue? Bin gespannt, was aus denen wird." Um es vorwegzunehmen - es wurde nichts aus ihnen. Zwar konnten sie bei Polydor sogar einen Majordeal landen, aber das bereits eingespielte Debütalbum wurde letztlich nie veröffentlicht, und wie geschrieben stellte die Band 1996 offiziell ihre Aktivitäten ein, auch wenn in der Folgezeit durchaus noch neues Material in verschiedenen Konstellationen entstand. Mittlerweile ist die Truppe aber wieder als 5th Avenue bühnenaktiv und hat ein reichliches Vierteljahrhundert nach der Bandgründung nun auch endlich das Debütalbum am Start.
Nimmt man selbiges in die Hand und betrachtet das Cover, erwartet man eigentlich eine Gothic-Metal-Formation - in der Zeit um die Jahrtausendwende sah z.B. jedes zweite Cover aus dem Hause Napalm Records so aus. Diese Vermutung führt allerdings völlig in die Irre: Der Sechser spielt klassischen Hardrock, der durch den quasi omnipräsenten Hammondorgeleinsatz einen deutlichen Siebziger-Touch erhält, aber auf der anderen Seite auch am Melodic Rock einer Band wie Ten kratzt, nur mit etwas weniger Bombast. Dazu kommt gelegentlich etwas Südstaatenfeeling, das 5th Avenue mit deutlich mehr Treffsicherheit in ihren Sound einbauen, als das Bonfire in ihren unglücklicheren Zeiten taten. Auch klassischer Rock'n'Roll ist ihnen nicht fremd, wie "Legend Of A Postman" beweist, während "Ocean" das Feeling des Foreigner-Classics "Waiting For A Girl Like You" adaptiert. Interessant wäre die Herkunft der Songs - und siehe da, das Booklet weist aus, daß ein guter Teil des Materials aus der frühen Bandaktivitätsphase zu stammen scheint, da die damaligen Bandmitglieder als Co-Songwriter neben der zentralen Figur, Sänger Oliver Peters, genannt werden. Natürlich ist das auch ein logischer Schritt, da das Material damals ja nie offiziell veröffentlicht woorden ist, viele alte Fans aber genau darauf warten. Offensichtlich wurde aber alles neu eingespielt, so daß das erwähnte Debütalbum nach wie vor unveröffentlicht bleibt - sicherlich ist aber ein guter Teil des dafür geplanten Songmaterials nun in neuen Versionen auf "Last Greetings ...." gelandet, so daß die erkenntnistechnische Lücke auch für all diejenigen geschlossen werden kann, die die Band damals nie live gesehen haben, zu welchem Personenkreis auch der Rezensent zählt. Aber daß 5th Avenue eine starke Liveband darstellen, kann man sich anhand der Tonkonserve gut vorstellen, wobei allerdings auch die eingespielten Fassungen autark prima funktionieren, wenn man das Genre grundsätzlich mag. In den Mittneunzigern wären 5th Avenue damit natürlich gnadenlos am Trend vorbeigesegelt, denn nach dem Abflauen der Grunge-Bewegung rollte gerade eine Anything-goes-Crossover-Welle durch die Lande, und in diese hätten die Hamburger ebensowenig gepaßt, wie sie das in den Frühneunzigern als Demoband inmitten der Grunge-Weinerlichkeit taten. 2016 herrscht nun eine gewisse friedliche Koexistenz aller möglicher und unmöglicher Stile (da darf man auch auf dem 5th-Avenue-Bandfoto ein Shirt von Bring Me The Horizon tragen), und so findet sich auch ein Plätzchen für die neuen 5th Avenue, die mit zwei Gründungsmitgliedern (neben dem erwähnten Oliver Peters noch Adrian Marx am Baß) und vier Neuzugängen am Start sind, wobei einer der letztgenannten, nämlich Tastendrücker Ansas Strehlow, durch seine Hammondpräferenzen dem aktuellen Bandsound seinen Stempel am stärksten aufdrückt. Ziemlich außergewöhnlich ist auch Oliver Peters' Stimme zu nennen. Der Rezensent weiß nicht, wie der Mann vor einem Vierteljahrhundert geklungen hat, aber heutzutage führt er eine Stimme ins Feld, die mit dem Begriff "ganz normal" zu bezeichnen ist - und das ist in diesem Falle nicht als Kritik gemeint. Er kann singen, er kann eine Melodie halten - also tut er's auch und hält sich von größeren Expressiva ebenso fern wie von irgendwelchen Extremen. Fast unauffällig erledigt er seinen Job, aber seine Melodielinien sind ganz und gar nicht unauffällig, sondern bereichern die Songs durchaus, auch wenn bei der Durchschnittslänge von knapp fünf Minuten auch die Instrumentalisten genügend Zeit bekommen, ihr Können zu demonstrieren, wovon sie beispielsweise im hinteren Teil von "Remedy" (offensichtlich keine Ode an die gleichnamige Hamburger Plattenfirma) reichlich Gebrauch machen. Und überhaupt gibt's die eine oder andere Überraschung in den Songs, etwa wenn man den südstaatenlastigen Akustikrocker "Satellite" schon für ausgereizt hält und die Band dann plötzlich das Tempo beschleunigt und noch ein starkes Speedsolo anhängt. Auch der druckvolle Closer "Destiny" entwickelt nach hinten heraus noch zahlreiche interessante Wendungen, die ihn letztlich bis an die Siebenminutengrenze bringen. Wenn man 5th Avenue einen Vorwurf machen will, dann den, ein gutes bis sehr gutes Album eingespielt zu haben, auf dem allerdings kein Song herausragt - der große Bandhit ist also bisher ausgeblieben, aber vielleicht kommt der auf einem der doch zu erhoffenden Folgealben noch zum Vorschein, und bis dahin eignen sich die vorliegenden, von Eike Freese und Alexander Dietz (wieder eine Hamburg-Connection) klanglich prima in Szene gesetzten 57 Minuten Musik hervorragend als Zeitvertreib für Freunde ehrlicher Rockmusik in einem Spannungsfeld zwischen Lake und Deep Purple.
Kontakt: www.keiler-records.com, www.membran.net

Tracklist:
Rough Affair
Civilized In Harmony
Easier Said Than Done
Remedy
Mrs. Strong
Love...Hate
Legend Of A Postman
Ocean
Save The Day
Satellite
Insane
Destiny



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