www.Crossover-agm.de EDELSCHWARZ: Briten, Bauern & Barone
von rls

EDELSCHWARZ: Briten, Bauern & Barone   (Lawine)

"Die dunkle Seite der Alm" hieß vor beinahe zwei Dekaden das Debütalbum der Original Buam, einem Bandprojekt, mit dem Jürgen Zeltinger und seine rheinischen Kumpane alpines Liedgut in rockmusikalische Fassungen umwandelten und dafür gleichermaßen Rücken- wie Gegenwind ernteten. Im Gegensatz zur Betitelung waren die musikalischen Resultate allerdings ganz und gar nicht dunkel gefärbt, und auch die diversen ernsthaften Protagonisten, die man unter dem Banner "Neue Volksmusik" zu sammeln pflegte, tummelten sich zumeist in etwas lichteren Gefilden. Nun kommt Siegfried Haglmo mit seinem Projekt Edelschwarz daher und macht sich laut Promotext "auf die Suche nach der dunklen Seite der Volksmusik". Auch er teilt allerdings die Betrachtung in Musik und Text auf. Letzterer korrespondiert zumeist mit dem düsteren comichaften Artwork und behandelt tatsächlich halbweltliche und anderweitige unhelle Geschehnisse, aber auch die ganz normale Tragik des Alltages oder wie im zehnminütigen Bonustrack "Gedschono" eine Szenerie, wie sie im Kopf entsteht, wenn der unbedarfte Städter aufs Land kommt und dort versehentlich die falschen Kräuter raucht. Dazu packen Haglmo und seine Band allerdings eine Sorte Musik, deren Einstufung als "dunkel" man allenfalls im Direktvergleich mit der gängigen volkstümlichen Musik rechtfertigen kann (den legendären "Satanistenstadl" aus "RTL Samstag nacht" mal außen vorgelassen - warum hat diesen Ansatz bisher eigentlich niemand weitergeführt? Zu radikal?). Gut: Hubert von Goisern hat mit "S'Nix" für seine Verhältnisse eine sehr hart rockende Platte vorgelegt, Edelschwarz schichten aber dort problemlos nochmal eine Schippe Härte obendrauf. Da donnert in "Sonntagsruah" sogar mal die Doublebass, da gerät "Mi treibts so schee" zur großen Hardrockhymne. Aber schon der Opener "Do hots brennt" hat mit seiner Kombination aus elektronischen, rockenden und volksmusikalischen Elementen die eigentliche Komponentenzusammensetzung des Materials klargemacht. Freilich: Industrial-Gitarren, wie sie der Promotext ankündigt, sind das hier nun beim besten Willen nicht, auch wenn die teilweise "Trockenheit" des Spiels bisweilen an Acts dieses Genres erinnert. Aber die Radikalität etwa von Ministry erreichen Edelschwarz in der Gitarrenarbeit bei weitem nicht - wenn, dann kann man allenfalls "Industrial light" wie Stabbing Westward heranziehen, und an einigen Stellen schimmern auch die Spätwerke der Krupps einflußtechnisch durch. "Siegstas Maderl" hätte, klammert man den Text, die teils gejodelten Vocals im Refrain und das Akkordeon aus, durchaus auch der Songwritingschmiede eines Jürgen Engler entspringen können, auch "Mord" weist in eine ähnliche Richtung. Die Betitelung des erstgenannten Songs macht übrigens klar, daß Haglmo sich eines anderen Lokaldialektes bedient als Hubert von Goisern, bei dem ein ähnlicher Songtitel "Siagst as" lautete. Haglmo kommt aus Niederbayern und ist von Beruf eigentlich Physiker, der als Hobby neben Edelschwarz und literarisch-musikalischen avantgardistischen Projekten auch noch die Entwicklung und den Bau neuer Instrumente hat (wann schläft der Mann eigentlich mal?). Von denen gibt's in den vorliegenden 55 Minuten allerdings keine zu hören - Haglmo beschränkt sich auf Stimme und Ziehharmonika, der Rest, der nicht von Gitarren oder Schlagzeug erzeugt wird, kommt aus Ortholf von Crailsheims Synthesizer. Besonders auffällig ist hier der gelegentlich auftretende Synthiebaß (höre z.B. "I & mei Voda"), der eindeutig auf die gängige Elektronikszene der letzten Jahrzehnte verweist und im vorliegenden Kontext durchaus als innovativ gewertet werden kann. Parallelen könnte man allerdings mit gutem Recht zu Binder & Krieglstein ziehen, die einen ähnlich innovativen Ansatz fahren - im Direktvergleich gehen die Edelschwarz-Stücke allerdings aufgrund etwas gesteigerter Eingängigkeit schneller ins Ohr und verweilen trotz nicht unbedingt stark ausgeprägter Refrainlastigkeit auch etwas länger dort. "Mord" sampelt einen ohrenscheinlich alten Dorfbewohner ein, der die Geschichte des Songs als wahre Begebenheit schildert; die Texte muß man allerdings auf der Edelschwarz-Homepage nachlesen, da im Booklet immer nur die ersten paar Zeilen als Appetizer abgedruckt sind. Nach ein paar Durchläufen kommt man aber auch als Bewohner des Areals nördlich des Weißwurstäquators halbwegs beim Hören mit, welche Moritaten uns Haglmo da singt. Die Ausweisung von "Gedschono" als Bonustrack scheint eher musikalische als strukturelle Gründe zu haben, denn mit seinem psychedelischen Touch fallen diese über zehn Minuten doch etwas aus dem Rahmen, selbst wenn der experimentelle Ansatz, den Edelschwarz trotz ihres unverkennbaren roten Fadens immer aufweisen, schon eine sehr weit außen liegende Sinngrenze evoziert. Das schließt auch eine epische Nummer wie das sechseinhalbminütige "Da Lindner vo Kasing" ein, die auch prächtig ins Repertoire des Goiserers gepaßt hätte und deren einleitende Gitarren gar einen Augenblick in Richtung AC/DC schielen, bevor das computerisiert anmutend klickernde Schlagzeug solche Gedanken schnell wieder wegwischt. Traditionalisten aller Lager werden jedenfalls mit "Briten, Bauern & Barone", das, um die Alliteration fortzusetzen, von Blanko Musik promotet wird und bei Blackfarm Records gemastert wurde (jawohl, von RPWL-Kopf Yogi Lang), ihre Schwierigkeiten haben - aber wer sich vorstellen, eine noch etwas härtere, düsterere und elektronischere Version Hubert von Goiserns zu mögen, der könnte mit Edelschwarz eine neue Lieblingsband entdecken.
Kontakt: www.edelschwarz.de, www.blankomusik.de

Tracklist:
Do hots brennt
Sonntagsruah
Mi treibts so schee
Jei
Siegstas Maderl
I & mei Voda
Mord
Da Lindner vo Kasing
Graffe
Jodler
Gedschono



www.Crossover-agm.de
© by CrossOver